Horst Joachim Kadisch

Location 
Thomasiusstraße 3
District
Moabit
Stone was laid
08 August 2014
Born
25 October 1920 in Berlin
Deportation
on 14 April 1942 to the Ghetto Warschau
Murdered

Horst Joachim Kadisch wurde am 25. Oktober 1920 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Berthold Kadisch und der Buchhalterin Auguste Kadisch, geborene Großmann. Seine Eltern hatten am 25. April 1917 in Berlin geheiratet und sich nach der Hochzeit eine gemeinsame Wohnung in der Rathenower Straße 29 in Moabit genommen. An der Adresse betrieben sie zwischen 1925 und 1934 auch eine Textilhandlung für Weiß- und Wollwaren, mit der sie den Unterhalt für sich und ihren Sohn bestritten, der das einzige Kind des Ehepaares bleiben sollte. 1927 wurde Horst eingeschult: Er besuchte bis Oktober 1933 die 168. Knaben-Schule in der Stephanstraße 27 in Moabit und anschließend die 160. Volksschule in Berlin in der Stephanstraße 3. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie und die Kindheit und Jugend von Horst Joachim Kadisch im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Horst Joachim Kadisch und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Horsts Eltern sowie sein Onkel Siegfried Kadisch, der mit seiner Ehefrau Lina in der Turmstraße 43 ein Bekleidungsgeschäft betrieb, waren als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. 1934 zog Horst mit seinen Eltern in das Wohnhaus in der Thomasiusstraße 3 in Moabit, dessen Eigentümer damals noch sein Onkel Siegfried Kadisch war. Horst selbst hat die Diskriminierungen unmittelbar im Bildungswesen erfahren. Bereits 1933 war dem 12-Jährigen mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Chance auf einen höheren Bildungszweig versperrt worden und ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor. Am 27. März 1936 verließ der 15-jährige die Volksschule. Aus den vorliegenden Quellen geht nicht hervor, ob und welche Berufsausbildung Horst Joachim Kadisch erhielt und welcher Tätigkeit er nachging. Ab Mitte der 1930er-Jahre spitzte sich die Situation für die Familienmitglieder zu: Im August 1938 beging Horsts Onkel Siegfried in Berlin Suizid. 1939 wurde gegen Horsts Vater eine kleinere Geldstrafe verhängt, die er nicht zahlte. Daraufhin wurde er zu einer 14-tägigen Haftstrafe verurteilt und kam zur Vollstreckung im August 1939 in das Strafgefängnis Spandau, wurde von dort aber nach kurzer Zeit in das Haftkrankenhaus Moabit verlegt. Wenige Wochen nach seiner Entlassung nahm sich der 60-Jährige in der Wohnung in der Thomasiusstraße 3 das Leben. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet. Ab Ende der 1930er-Jahre wurde für Horst Joachim Kadisch neben der elterlichen Wohnung in der Thomasiusstraße auch der Ort Klosterheide in der Mark Brandenburg als Wohnadresse verzeichnet. Möglicherweise war er hierhin nach dem Tod seines Vaters gezogen. Horsts Mutter lebte Anfang der 1940er-Jahre als Witwe in Berlin. Sie war zuletzt als Hausangestellte beim Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 beschäftigt und bewohnte in der Thomasiusstraße 3 ein einzelnes Zimmer mit Gemeinschaftsküche.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Der 21-jährige Horst Joachim Kadisch wurde am 14. April 1942 mit dem „13. Osttransport“ über Potsdam in das Ghetto Warschau deportiert. Das Warschauer Ghetto wurde ab dem 22. Juli 1942 im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ schrittweise aufgelöst. Die Ghettobewohner wurden in Vernichtungslager weiterdeportiert, die meisten von ihnen in das Vernichtungslager Treblinka. Es ist unklar, ob Horst Joachim Kadisch im Ghetto ermordet wurde oder später in einem der Vernichtungslager. In jedem Fall gehörte er nicht zu den wenigen Überlebenden des Warschauer Ghettos. Im Frühjahr 1943 wurde seine Mutter im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurde die 51-jährige am 12. März 1943 mit dem „36. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.