Agathe Lippmann

Location 
Trautenaustr. 20
District
Wilmersdorf
Stone was laid
29 April 2012
Born
25 November 1860 in Danzig / Gdańsk
Deportation
on 12 August 1942 to Theresienstadt
Later deported
on 26 September 1942 to Treblinka
Murdered
in Treblinka

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte in Danzig nur eine Familie Lippmann. Es war die Familie des jüdischen Kantors der Weinberger Synagoge, Michael Georg Lippmann (1818-1887). Dieser hatte in zweiter Ehe am 11. Januar 1855 Rosalie Kokoschky (auch Kokoski, 1828-1905) geheiratet. Am 25. November 1860 kam Agathe zur Welt. Zu Agathes Geburt sind keine Dokumente vorhanden, welche eindeutig die Elternschaft von Michael und Rosalie Lippmann belegen könnten. Da aber keine weitere Person mit diesem Nachnamen in den Adressbüchern Danzigs verzeichnet ist, kann nur dieses Paar als Agathes Eltern infrage kommen. 


Am 27. Dezember 1864 bekam Agathe einen Bruder, Julius. Weitere Geschwister gab es wohl nicht. Über Agathes Schul- und Berufsbildung ist nichts bekannt. Sie muss aber irgendwann als  Angestellte tätig gewesen sein, denn sie bezog, wie sie später angab, aus der Rentenversicherungsanstalt der Angestellten eine knappe Monatsrente in Höhe von 77,50 RM. Julius hingegen machte das Abitur, studierte Jura und machte später eine einzigartige Karriere als Jurist.


Agathes Vater, der Kantor Michael Lippmann, starb im Januar 1887, vier Jahre nachdem sich die fünf Danziger Synagogen zur Synagogengemeinde Danzig zusammengeschlossen hatten. Die Große Synagoge Danzig mit Platz für 2000 Gläubige wurde am 15. September 1887 nach 2-jähriger Bauzeit eröffnet. Michael Lippmann hat diese Eröffnung durch seinen vorzeitigen Tod nicht mehr miterleben können. 

Die Familie hatte ihre Wohnung in der Breitgasse 104, wo sich auch die Weinberger Synagoge befand - in unmittelbarer Nachbarschaft der Destille, in der das berühmte Danziger Goldwasser hergestellt wurde.


Später zogen die Lippmanns um nach 4. Damm Nr.1, eine von vier Straßen in Danzig mit der Bezeichnung Damm. Dort lebte die Witwe Rosalie bis zu ihrem Tod 1905. Die Kinder Agathe und Julius werden zu diesem Zeitpunkt das Elternhaus längst verlassen haben. Julius studierte Klassische Philologie und Rechtswissenschaften in Berlin, ging dann nach Stettin, wo er 1893 Margarete Werner heiratete und 1896 einen Sohn, Georg Oskar Werner bekam. Von 1892 bis 1919 arbeitete er als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Stettin und wurde dann vom preußischen Innenminister Hirsch zum „Oberpräsident der Provinz Pommern“ berufen.

Obwohl zum protestantischen Glauben konvertiert, war er in Stettin seit 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft dem besonders starken nationalsozialistischen Terror unter Gauleiter Karpenstein ausgesetzt und siedelte deshalb mit seiner Frau nach Berlin über. Ein Jahr lang lebten Julius und Margarete offenbar als Untermieter in einer Villa in der Charlottenburger Lyckallee 46a. 1934 starb er bei einem Autounfall. 

Genau in diesem Jahr zog Agathe Lippmann in die Trautenaustraße 20. Es ist nicht bekannt, wo sie all die Jahre zuvor gelebt hatte. In keinem der Danziger, Stettiner und Berliner Adressbücher ist sie als Haushaltsvorstand verzeichnet. Der Zeitpunkt ihres Umzugs 1934 legt jedoch nahe, dass sie mit ihrem Bruder und seiner Frau sowohl in Stettin, als auch in Berlin zusammengewohnt hatte, wie es damals für unverheiratete Frauen nicht unüblich war. 

In der Trautenaustraße 20 war sie als Untermieterin in der großen Wohnung von Elise Hiller gemeldet. Am Anfang hatte sie vermutlich ihr eigenes Zimmer. Im April 1939 wurden durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden viele Juden aus ihren Wohnungen aus- und in andere Wohnungen einquartiert. Bei Elise Hiller wurden immer mehr Menschen zwangsweise untergebracht und zuletzt musste sie sich sogar ein Zimmer mit Agathe Lippmann teilen. Agathe zahlte ihr dafür 20 RM Miete. Als Agathes Deportation kurz bevorstand, sollten ihre Habseligkeiten „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen werden – doch es gab nichts, an dem sich der Oberfinanzpräsident hätte bereichern können. „Der Evakuierten gehörende Sachen wurden nicht vorgefunden“ vermerkte der Obergerichtsvollzieher auf der Liste „Inventar und Bewertung“ in der Vermögensverwertungsakte. 

Am 12. August 1942 wurde Agathe Lippmann zusammen mit ihrer Vermieterin Elise Hiller und der Nachbarin Ida Katzenstein in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sechs Wochen harrte sie unter unmenschlichen Bedingungen dort aus bis sie am 26. September in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet wurde.

Ihre Schwägerin Margarete Lippmann konnte rechtzeitig nach England fliehen, der Neffe Georg Oskar Werner Lippmann emigrierte in die USA.