Rosalie Pieck née Lichtenberg

Location 
Trautenaustr. 20
District
Wilmersdorf
Stone was laid
29 April 2012
Born
23 November 1868 in Neuwedell (Westpommern) / Drawno
Deportation
on 17 August 1942 from dem Gemeindehaus der Synagogengemeinde Adass Jisroel, Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40) to Theresienstadt
Later deported
on 19 September 1942 to Treblinka
Murdered
in Treblinka

Am 23. November 1868 wurde Rosa Lichtenberg in Neuwedell (heute polnisch Drawno), Kreis Arnswalde geboren. Bis 1938 war der Kreis Arnswalde der Provinz Brandenburg zugehörig, danach kam er bis 1945 zur Provinz Pommern. Um 1880 zählte die jüdische Gemeinschaft Neuwedells etwa 120 Angehörige, für die eine Synagoge errichtet und eine jüdische Schule gegründet wurde.

Um 1900 ging die Zahl der Juden in Neuwedell auf 90 zurück, während der Shoah wurden nachweislich 20 gebürtige oder länger dort ansässige jüdische Bewohner ermordet.

Über die Familie Lichtenberg gibt es keine genauen Informationen, Rosas Eltern sind nicht bekannt. Ob es sich bei der in Neuwedell geborenen Emma Cronheim geb. Lichtenberg (*16. August 1861) um eine Schwester von Rosa handelte, kann vermutet werden, ist jedoch nicht bestätigt. Diese wurde am 14. Juli 1942 von Berlin nach Theresienstadt deportiert und dort zwei Monate später ermordet. Ein Hinweis auf einen möglichen Bruder Rosas findet sich in der Klassenliste der Untersekunda des „Königlich Grönig’schen Gymnasiums“ zu Stargard in Pommern von 1882. Dort ist ein Georg Lichtenberg aus Neuwedell verzeichnet, der zu diesem Zeitpunkt etwa 16 Jahre alt gewesen sein dürfte, als Geburtsjahr für Georg könnte also 1866 infrage kommen.

1894 heiratete Rosa den acht Jahre älteren Kaufmann und Schneider Max Pieck (*25. Juli 1860) im nahe gelegenen Stargard. Max war der Inhaber eines Herren- und Knabenkonfektionsgeschäftes in der Pyritzer Straße 25.

Noch im Jahr der Hochzeit, am 1. November 1894, wurde die älteste Tochter Gertrud geboren. Der Sohn Hans kam am 4. November 1898 auf die Welt und am 9. Oktober 1900 wurde das jüngste der drei Kinder, Hertha, geboren.

Das Herrenbekleidungsgeschäft hatte einen riesigen Kundenstamm aus Stargard und Umgebung und lief demnach ausgezeichnet. Fünf bis sechs Angestellte waren vorn im Laden beschäftigt, in der angeschlossenen Maßschneiderei arbeiteten weitere sechs bis acht Fachkräfte. 1924 starb Max Pieck und Rosa war gezwungen, das Geschäft ohne ihren Mann weiterzuführen. Allerdings erfuhr sie tatkräftige Unterstützung der Familie. Hans gab später an, er hätte nach dem Tod des Vaters das Herrenartikelgeschäft für seine Mutter übernommen. Ob er Anteile besaß, oder das gesamte Geschäft übernahm, blieb bis zum Schluss unklar. Für das Haus und Grundstück an der Pyritzer Straße waren Rosa und ihre Tochter Gertrud als Eigentümergemeinschaft eingetragen.

Hans hatte Alice Böhm geheiratet, die – ebenfalls Jüdin – gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 „aus rassischen Gründen“ verhaftet wurde. Im Entschädigungsverfahren gab Hans später an, dass er gezwungen worden sei, das Herrenbekleidungsgeschäft im Wege eines außergerichtlichen Vergleiches zu einem Schleuderpreis von 7 000 RM in Monatsraten von 125 RM zu verkaufen, um eine Entlassung seiner Frau aus der Haft zu erwirken. Tatsächlich wurde Alice Pieck nach dem Verkauf des Geschäfts freigelassen. Hans und Alice Pieck verließen daraufhin Stargard und zogen nach Berlin, wo Hans bis 1938 als Vertreter seinen Lebensunterhalt bestritt. Er verließ 1938 Nazideutschland und wanderte mit seiner Frau Alice nach Australien aus. Dort änderten sie den Nachnamen in Peek um. Sie ließen sich in Sydney nieder, wo Hans 1958 verstarb.

Mit ihnen verließen auch die Schwestern Gertrud, inzwischen verh. Klein, und Hertha, verheiratet mit Hermann Löwenthal und deren 1924 geborene Tochter Lilli Deutschland. Sie alle wählten Australien als Zufluchtsland. Hertha lebte nicht lange im Exil, sie starb schon im August 1943 in Sydney.

Für Rosa war ebenfalls der Zeitpunkt gekommen, Stargard zu verlassen. Ihr Haus mit Grundstück an der Pyritzer Straße verkaufte sie 1937 gezwungenermaßen für 30 000 RM, wobei ihr der Kaufpreis nur ratenweise ausgezahlt wurde. Von dem Geld bestritt sie ihren weiteren Lebensunterhalt, vielleicht wurde es auch für die Ausreise ihrer drei Kinder und deren Familien benötigt. Möglicherweise haben ihre Kinder sie zum Mitkommen gedrängt, Rosa blieb jedoch in Berlin und bezog eine Wohnung in Schöneberg, Berchtesgadener Straße 34. Sie ist dort in den Jahren 1936 und 1937 mit der Bezeichnung „Pieck, Rosa Wwe.“ eingetragen. 1939 wohnte sie zur Untermiete in der Trautenaustraße 20, verließ aber auch diese Unterkunft und zog zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in die Knesebeckstraße 80/81 zur Untermiete bei Fränkel, 1. Stock vorn. Das Haus, direkt am Savignyplatz gelegen, existiert heute nicht mehr.

Rosa Pieck war zu diesem Zeitpunkt buchstäblich nichts geblieben. In der Vermögenserklärung, die sie vor ihrer Deportation ausfüllen musste, strich sie jede Seite kurzerhand durch. Einzig ein bescheidenes Guthaben bei der Deutschen Bank in Höhe von 24,75 RM gab sie an. Es wurde am 12. August 1942 „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen. 

Rosa Pieck wurde am 17. August 1942 aus dem Gemeindehaus der Synagogengemeinde Adass Jisroel, Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40), zusammen mit zahlreichen weiteren, vorwiegend älteren jüdischen Menschen abgeholt und nach Theresienstadt verschleppt. Nach vier Wochen in dem völlig überfüllten Ghetto deportierte man sie nach Treblinka, wo sie vermutlich gleich nach Ankunft ermordet wurde.