Georg Stiebel

Location 
Wilhelmsaue 134
District
Wilmersdorf
Stone was laid
29 November 2005
Born
15 July 1891 in Kempen (Posen) / Kępno
Occupation
Fabrikant
Deportation
on 12 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Georg Stiebel kam am 15. Juli 1891 in Kempen (heute Kępno/Polen) in der damals preußischen Provinz Posen auf die Welt. Dort gab es eine große jüdische Gemeinde, zu der zum Ende des 19. Jahrhunderts ein Drittel der Einwohnerschaft der Stadt zählte. Seine Eltern stammten aus Oberschlesien: Der 1862 geborene Vater Jakob Stiebel, ein Kaufmann, war aus einem kleinen Ort im Kreis Lublinitz, die 1863 auf die Welt gekommene Mutter Berta, geb. Bensch, aus einem Dorf im Kreis Oppeln.

Die Eltern hatten 1889 in Kempen geheiratet. Ihr Sohn Georg scheint das erste Kind gewesen zu sein. 1897 und 1905 wurden ebenfalls in Kempen seine Schwestern Herta (Hertha) und Ruth geboren. Seine Kindheit hat Georg Stiebel also in Kempen verbracht, aber wie lange seine Familie dort gelebt hat, bleibt unklar.

Später zogen seine Eltern nach Breslau, in die Hauptstadt der Provinz. Auch diese Stadt hatte eine große jüdische Gemeinde und Rabbiner, die in ganz Deutschland bekannt waren. In Breslau lebten Onkel und Tanten, aber nicht alle Verwandten: Der 1864 geborene Onkel Hermann Stiebel war in Oberschlesien geblieben und hatte 1890 in Oppeln geheiratet und eine Familie gegründet.

Wann genau Georg Stiebel Schlesien verließ und nach Berlin ging, ist nicht bekannt. Am 24. Dezember 1928 heiratete er in der Reichshauptstadt die 1901 geborene Kontoristin Charlotte (genannt Lotte) Cohn. Seine Ehefrau war Berlinerin und lebte noch in der elterlichen Wohnung im Haus Wilhelmsaue 134/135 in Berlin-Wilmersdorf. Ihre seit 1923 verwitwete Mutter Rosa Cohn (1869–?), war Schneiderin. Georg Stiebel wohnte zu dieser Zeit in der Kaiser-Wilhelm-Straße 25 in Berlin-Mitte. Dort, zwischen Münz- und Hirtenstraße, hatte er auch seine „Krawattenfabrik“, einen kleinen Betrieb, in dem Krawatten genäht wurden. – In dem Gebäude gab es ganze Reihe von kleinen Firmen, „Fabriken“ und Geschäften, so wurden hier 1931 Strümpfe, Schuhwaren, Wollwaren, Wäsche, Blusen und Partiewaren hergestellt oder verkauft.

Nach der Hochzeit zog Georg Stiebel ebenfalls in die Wilhelmsaue 134/135. In dem bürgerlichen Wohnhaus nicht weit vom Volkspark Wilmersdorf wohnte die Familie im ersten Stock des Vorderhauses.

Am 19. Juni 1930 wurde ihr einziges Kind, der Sohn Wolfgang, geboren. Er wuchs In der ruhigen und grünen Umgebung auf. Im April 1936 wurde er eingeschult – noch durften die jüdischen Kinder staatliche Schulen besuchen. Der sechsjährige Wolfgang kam in die 5. Gemeindeschule in der Koblenzer Straße 22–24 (heute die Birger-Forell-Grundschule).

Die beiden Schwestern von Georg Stiebel heirateten, beide lebten in Breslau. Seine Mutter Berta starb 1937, sein Vater Jakob Stiebel im Jahr 1941 in seiner Breslauer Wohnung.

1939 wurde die Firma von Georg Stiebel liquidiert – er war kein „Fabrikant“ mehr. Er und seine Ehefrau werden in die Zwangsarbeit gepresst worden sein. Nach der „Fabrik-Aktion“ Ende Februar 1943 wurden die in der Rüstungsindustrie beschäftigten jüdischen Zwangsarbeiter nach Osten deportiert. Lotte Stiebel wurde mit dem ersten Transport am 1. März 1943 vom Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert. Georg Stiebel wurde mit seinem Sohn am 12. März 1943 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Am 13. März erreichte der Transport mit 947 Menschen Auschwitz. Die Kinder wurden sofort ermordet. Auch Georg und Lotte Stiebel kehrten nicht zurück.

Die verheirateten Schwestern von Georg Stiebel, Ruth Hoffmann und Herta (Hertha) Raphael, wurden ebenfalls ermordet. Sein Onkel Hermann Stiebel konnte in die USA entkommen.