Gabriele Rosenhain

Verlegeort
Fasanenstr. 58
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
12. April 2010
Geboren
09. Januar 1865 in Katzenblick
Deportation
am 17. März 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
02. März 1945 im Ghetto Theresienstadt

Rede zur Stolpersteineinweihung am 17. April 2010, gehalten von M. Fuhrmann:<br />
<br />
Ein paar Worte über das Leben von Gabriele Rosenhain mögen die wenigen Daten auf dem Stolperstein etwas lebendiger machen.<br />
<br />
Meine Großtante, Tante meiner Mutter, wuchs mit 4 Schwestern auf dem Gut Katzenblick bei Fischhausen an der Samlandküste auf, im heutigen Oblast Kaliningrad. Der Vater starb früh, das Gut wurde verkauft und die Mutter zog mit den Töchtern nach Königsberg. <br />
<br />
Gabriele kam als einzige der Schwestern in ein KZ bzw. nach Theresienstadt. Die beiden ältesten Schwestern starben bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten bzw. am Anfang des Dritten Reichs. Eine weitere Schwester studierte in der Schweiz, weil ein Studium für Frauen in Deutschland damals noch nicht möglich war. Sie wurde eine der ersten Frauenärztinnen in Zürich. Und die jüngste Schwester, meine Großmutter, hatte Schutz durch ihren Ehemann. Mein Großvater war Chirurg in Königsberg. Er verlor seine Professur wegen seiner jüdischen Ehefrau, später wurde ihm auch die Approbation entzogen. Aber so rettete er seine Frau.<br />
<br />
Gabriele Rosenhain war als einzige der fünf Schwestern nicht verheiratet, lebte allein, was damals nicht so selbstverständlich war und war wohl auch etwas exzentrisch. Eine besondere Ausbildung hatte sie nicht, wohl aber die Erziehung, die sogenannte Höhere Töchter damals erhielten. Damit war sie fähig, als Hauslehrerin zu arbeiten, sodass sie jahrelang als „Mademoiselle“ in England in Familien Kinder betreute und ihnen Französisch beibrachte. Sie war künstlerisch begabt, fertigte Miniaturen an, die sie auch verkaufte.<br />
<br />
Gabriele Rosenhain erhielt das väterliche Erbe nach dem Tod der Mutter. Die Schwestern hatten zu ihren Gunsten verzichtet, aber reich war sie nicht, sodass mein Großvater, ihr Schwager, sie unterstützte. Er wollte ihr helfen, in die Schweiz zu fliehen, so wie er seinen Söhnen geholfen hatte, Deutschland zu verlassen. Aber das lehnte sie ab. Sie war schon alt, zum evangelischen Glauben konvertiert und wies auf die mögliche Hilfe durch die Gemeinde hin. Sie wird daran allerdings nicht geglaubt haben, da sie ihre Lage sehr nüchtern beurteilte.<br />
<br />
Im Sommer kam sie jedes Jahr nach Neuhäuser (bei Pillau) und kümmerte sich um das Sommerhaus meines Großvaters, in dem unsere Familie, aber auch andere Verwandte den Sommerurlaub verbrachten.<br />
<br />
Sie starb in Theresienstadt gegen Ende des Krieges, und mein Großvater bekam damals noch die Nachricht über ihren Tod (ich meine an Lungenentzündung). Wir erfuhren es in Dortmund, wo mein Vater seit seiner Absetzung und Ausweisung aus Ostpreußen tätig war. Er war kein Jude, sondern wurde wegen seiner Mitgliedschaft in der Bekennenden Kirche verfolgt. Ich muss dazu sagen, dass wir am Ende des Krieges und in der frühen Nachkriegszeit so viel Tod und gerade jungen Tod gewöhnt waren, dass wir erst Jahre später begreifen konnten, was dieser Verwandten angetan wurde.

Rede zur Stolpersteineinweihung am 17. April 2010, gehalten von M. Fuhrmann:

Ein paar Worte über das Leben von Gabriele Rosenhain mögen die wenigen Daten auf dem Stolperstein etwas lebendiger machen.

Meine Großtante, Tante meiner Mutter, wuchs mit 4 Schwestern auf dem Gut Katzenblick bei Fischhausen an der Samlandküste auf, im heutigen Oblast Kaliningrad. Der Vater starb früh, das Gut wurde verkauft und die Mutter zog mit den Töchtern nach Königsberg.

Gabriele kam als einzige der Schwestern in ein KZ bzw. nach Theresienstadt. Die beiden ältesten Schwestern starben bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten bzw. am Anfang des Dritten Reichs. Eine weitere Schwester studierte in der Schweiz, weil ein Studium für Frauen in Deutschland damals noch nicht möglich war. Sie wurde eine der ersten Frauenärztinnen in Zürich. Und die jüngste Schwester, meine Großmutter, hatte Schutz durch ihren Ehemann. Mein Großvater war Chirurg in Königsberg. Er verlor seine Professur wegen seiner jüdischen Ehefrau, später wurde ihm auch die Approbation entzogen. Aber so rettete er seine Frau.

Gabriele Rosenhain war als einzige der fünf Schwestern nicht verheiratet, lebte allein, was damals nicht so selbstverständlich war und war wohl auch etwas exzentrisch. Eine besondere Ausbildung hatte sie nicht, wohl aber die Erziehung, die sogenannte Höhere Töchter damals erhielten. Damit war sie fähig, als Hauslehrerin zu arbeiten, sodass sie jahrelang als „Mademoiselle“ in England in Familien Kinder betreute und ihnen Französisch beibrachte. Sie war künstlerisch begabt, fertigte Miniaturen an, die sie auch verkaufte.

Gabriele Rosenhain erhielt das väterliche Erbe nach dem Tod der Mutter. Die Schwestern hatten zu ihren Gunsten verzichtet, aber reich war sie nicht, sodass mein Großvater, ihr Schwager, sie unterstützte. Er wollte ihr helfen, in die Schweiz zu fliehen, so wie er seinen Söhnen geholfen hatte, Deutschland zu verlassen. Aber das lehnte sie ab. Sie war schon alt, zum evangelischen Glauben konvertiert und wies auf die mögliche Hilfe durch die Gemeinde hin. Sie wird daran allerdings nicht geglaubt haben, da sie ihre Lage sehr nüchtern beurteilte.

Im Sommer kam sie jedes Jahr nach Neuhäuser (bei Pillau) und kümmerte sich um das Sommerhaus meines Großvaters, in dem unsere Familie, aber auch andere Verwandte den Sommerurlaub verbrachten.

Sie starb in Theresienstadt gegen Ende des Krieges, und mein Großvater bekam damals noch die Nachricht über ihren Tod (ich meine an Lungenentzündung). Wir erfuhren es in Dortmund, wo mein Vater seit seiner Absetzung und Ausweisung aus Ostpreußen tätig war. Er war kein Jude, sondern wurde wegen seiner Mitgliedschaft in der Bekennenden Kirche verfolgt. Ich muss dazu sagen, dass wir am Ende des Krieges und in der frühen Nachkriegszeit so viel Tod und gerade jungen Tod gewöhnt waren, dass wir erst Jahre später begreifen konnten, was dieser Verwandten angetan wurde.