Ella Gertrud Fabian

Verlegeort
Giesebrechtstr. 19
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
08. September 1890 in Berlin
Deportation
am 02. April 1942 nach Warschau
Tot
im Ghetto Warschau

Am 8. September 1890 wurde Ella Gertrud Fabian in Berlin in der Alexanderstraße 36 geboren. Sie war die einzige Tochter des Kaufmanns Oscar Fabian und seiner Frau Ida, geb. Fernbach. Aus der ersten Ehe ihres Vaters hatte sie einen sechs Jahre älteren Halbbruder, Kurt. Oscar Fabian stammte aus Kallies in Pommern, Ida aus Beuthen in Schlesien. Oscar lebte seit spätestens Ende der 1870er Jahre in Berlin und handelte mit Kurz- und Posamentierwaren, Ida kam erst anlässlich ihrer Heirat 1889 von Beuthen in die Hauptstadt. Inzwischen hatte Oscar die Kurzwarenfirma Cohn & Caro übernommen, die er mit seinem Bruder Albert führte.

Gertrud – so ihr Rufnahme – zog mit ihren Eltern mehrmals um, bis die Familie 1905 eine Wohnung in der Gutenbergstraße 8 nahm. Da sie unverheiratet blieb, ist anzunehmen, dass sie weiterhin mit den Eltern lebte. Allerdings hatte Ida Fabian, folgt man dem Adressbuch, ab 1929 eine eigene Adresse in der Flensburger Straße 10, sodass wir nicht wissen, ob Gertrud später - und bis 1934 - dort oder in der Gutenbergstraße gewohnt hat. 1934 Jahr starb Oscar Fabian. Ida nahm anschließend eine Wohnung in der Giesebrechtstraße 19, Gartenhaus 1. Stock, in der sie fortan mit Kurt, der auch ledig war, und Gertrud wohnte.

Wir wissen nicht, ob Gertrud eine Beruf erlernt hatte und ausübte. 1940 oder 41 wurde sie bei Osram in der Helmholzstraße 4-8 zur Zwangsarbeit herangezogen. Juden und Jüdinnen hatten in der Regel in „geschlossenen“ Kolonnen zu arbeiten, ohne Kontakt zu nichtjüdischen Arbeitern und unter Überwachung. Diese seit 1938 bestehende Praxis „legalisierten“ die Nazis, indem sie im Oktober 1940 das „Beschäftigungsverhältnis eigener Art“ schufen. Das bedeutete, dass die Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen keine Arbeits- und Sozialrechte besaßen und auch deutlich niedrigere Löhne erhielten als die anderer Arbeiter. Gertrud verdiente bei Osram 22-23 RM wöchentlich, von denen noch Sozialabgaben zu zahlen waren.

Am 13. März 1942 bekam Gertrud, wie ihr Halbbruder Kurt auch, die vielseitigen Formulare zur „Vermögenserklärung“, der Vorbote der Deportation. Mit dabei war eine zu unterschreibende Erklärung, dass ihr eröffnet worden sei, ihr gesamtes Vermögen gelte als beschlagnahmt. Sie habe die Vermögenserklärung „genauestens auszufüllen“, eine Nachprüfung werde „noch vor dem Abtransport durchgeführt“ und bei einem Verstoß habe sie „auf keine Nachsicht zu rechnen“.

Aus heutiger Sicht wird die ganze Absurdität dieser Drohgebärden besonders deutlich. Für eine Nachprüfung vor der Deportation war in der Regel gar keine Zeit, auf irgendwelche Nachsicht konnten Juden schon länger nicht mehr hoffen.

Gertrud unterzeichnete die Vermögenserklärung am 17. März. Sie hatte einige Wertpapiere und ein Konto angegeben, auf dem „nach Abzug von 25% Sonderbeitrag und RM 50.- für die Abwanderung“ noch 498,89 RM übrig geblieben waren. Allerdings konnte sie ohnehin nicht frei über dieses Geld verfügen, da jüdische Konten inzwischen zu „Sicherheitskonten“ erklärt worden waren, von denen nur durch „Sicherungsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abgehoben werden durften. Der „Sonderbeitrag“ war die sog. Judenvermögensabgabe oder „Sühneleistung“. Sie wurde von Juden nach dem Attentat Herschel Grynszpans auf den Legationssekretär Ernst Eduard vom Rath 1938 und den darauffolgenden Pogromen von Göring verlangt für „die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem Deutschen Volk“. Dass Gertrud obendrein 50 RM für die Deportation zahlen musste, darf als besonders zynisch gelten.

Der weitere Besitz Gertruds beschränkte sich auf einige wenige Kleidungsstücke. In der Giesebrechtstraße fand der Gerichtsvollzieher später nur noch „1 kl. Posten Leibwäsche“ vor, dessen Wert er auf 3.- RM schätzte. 

Gertrud und Kurt fanden sich bald darauf in der von der Gestapo als Sammellager missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße 7/8 wieder. Von dort aus wurde Gertrud, anders als zum Zeitpunkt der Stolpersteinlegung bekannt, zusammen mit ihrem Halbbruder am 28. März 1942 in das Ghetto Piaski deportiert. Wir wissen nicht, ob sie bereits in Piaski zu Tode kam, oder in ein Vernichtungslager weiterdeportiert wurde um dort ermordet zu werden. Das gleiche gilt für Kurt. Gertruds Mutter Ida verschleppte man am 13. August 1942 nach Theresienstadt und von dort weiter nach Treblinka. Auch sie konnte nicht überleben.