Hanns Kornblum

Verlegeort
Goethestr. 69
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
19. April 2010
Geboren
30. August 1908 in Dresden
Flucht in den Tod
05. November 1943 in Singen

Vor der Goethestraße 69 erinnern Stolpersteine an frühere jüdische Bewohner des Hauses. „Vor Deportation Flucht in den Tod“, liest man auf dem Stein von Hanns Kornblum, und ein Datum: 5. November 1943.<br />
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Doch was verbirgt sich hinter diesen knappen Angaben? Ihren Anfang nimmt die Geschichte am 30. August 1908, als Hanns Georg in Dresden zur Welt kommt. Seine Eltern, Eleonore Kornblum (geb. Kornblum, *1882 in Berlin) und der Kaufmann Sally Kornblum (*1878 in Leipzig) ziehen um 1911 in die prosperierende Stadt Charlottenburg bei Berlin. Dort betreibt Sally Kornblum ab etwa 1920 eine Im- und Exportfirma.<br />
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Auch der Sohn absolviert eine kaufmännische Ausbildung. Möglicherweise arbeitet er später in der väterlichen Firma mit. Um 1935 muss Sally Kornblum aufgrund antijüdischer Repressionen sein Geschäft in der Schlüterstraße 17 aufgeben.<br />
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Kurz vor Kriegsbeginn, am 21. August 1939, heiratet Hanns Kornblum die jüdische Stenotypistin Ottilie Schöner, die 1914 in der Bukowina in Rumänien geboren wurde. Sie zieht zu ihrem Ehemann und den Schwiegereltern, die seit etwa 1935 in der Goethestraße 69 wohnen.<br />
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Schließlich wird Hanns Kornblum zur Zwangsarbeit als Maschinenarbeiter verpflichtet. Ende des Jahres 1942 muss er den Verlust seiner Eltern verkraften: Sally Kornblum wird nach Auschwitz deportiert, wo er am 5. November 1942 umkommt. Nur einen Monat später, am 28. Dezember 1942, stirbt Eleonore Kornblum an einer Lungenentzündung. Am Neujahrstag wird sie auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beerdigt. Das Gebet zum Gedenken an die Verstorbene, auf hebräisch „El mole rachamim“, muss ihr Sohn Hanns allein halten. Sein Bruder Helmut Kornblum hatte noch rechtzeitig nach Südafrika emigrieren können.<br />
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Hanns Kornblum ahnt wohl, dass sein Leben in höchster Gefahr ist. Als am 27. Februar 1943 bei einer Großrazzia alle in der Rüstungsindustrie beschäftigten jüdischen Zwangsarbeiter verhaftet werden sollen, gelingt es ihm „unterzutauchen“. Warum seine Ehe durch Urteil des Berliner Landgerichts im Juli 1943 geschieden wird, ist, wie so vieles, nicht mehr zu klären. Ottilie Kornblum gelingt es, den Krieg zu überleben; sie stirbt 2004 in Frankfurt am Main.<br />
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Nach etwa einem halben Jahr im „Untergrund“ wagt Hanns Kornblum, gemeinsam mit der 23-jährigen Ilse Arendt, die Flucht in die Schweiz. Die ebenfalls „illegal“ lebende Freundin hatte durch ihren Cousin Ernst Ludwig Ehrlich von einer Fluchthelferin, Luise Meier, erfahren. Die Berliner Witwe, eine gläubige Katholikin, und ihr Mitstreiter Josef Höfler, der in Gottmadingen bei Singen, in unmittelbarer Grenznähe lebt, verhelfen 1943/44 insgesamt etwa 28 Juden zur Flucht in die Schweiz, darunter auch Ernst Ludwig Ehrlich.<br />
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Am 30. Oktober 1943 verlassen die beiden Flüchtlinge mit dem Abendzug Berlin in Richtung Süden. Aus Sicherheitsgründen fahren sie in getrennten Abteilen. Doch kurz vor Singen fällt Hanns Kornblum bei einer Ausweiskontrolle der Polizei im Zug auf und wird verhaftet. Während Ilse Arendt am 1. November 1943 den rettenden Schweizer Boden erreicht, wird ihr Freund tagelang im Gerichtsgefängnis verhört. Schließlich sieht er keinen anderen Ausweg und erhängt sich in den frühen Morgenstunden des 5. November 1943 in seiner Zelle. Drei Tage später wird er auf dem Waldfriedhof in Singen beigesetzt.<br />
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Vermutlich um 1947 wird sein Leichnam auf den nahegelegenen jüdischen Friedhof in Gailingen umgebettet. In dem Vierergrab sind auch Othmar und Margarete Pollok aus Berlin beigesetzt, die sich im November 1942 in Singen das Leben nahmen. Ihr Fluchtversuch war ebenfalls tragischerweise gescheitert.<br />
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Im April 2010 lässt ein Ehepaar, das seit langem in der Goethestraße 69 wohnt und der Geschichte „ihres“ Hauses mit der prächtigen Jugendstilfassade nachgeht, Stolpersteine für Hanns und Sally Kornblum sowie Esther Elise Weiss und Joachim Aronade verlegen.<br />
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In der Gedenkstätte Stille Helden in Berlin-Mitte wird unter anderem an das Fluchthilfenetz um Luise Meier und Josef Höfler erinnert sowie an die jüdischen Männer und Frauen, die ihr Leben durch Flucht in den Untergrund bzw. ins Ausland zu retten versuchten.

Vor der Goethestraße 69 erinnern Stolpersteine an frühere jüdische Bewohner des Hauses. „Vor Deportation Flucht in den Tod“, liest man auf dem Stein von Hanns Kornblum, und ein Datum: 5. November 1943.

Doch was verbirgt sich hinter diesen knappen Angaben? Ihren Anfang nimmt die Geschichte am 30. August 1908, als Hanns Georg in Dresden zur Welt kommt. Seine Eltern, Eleonore Kornblum (geb. Kornblum, *1882 in Berlin) und der Kaufmann Sally Kornblum (*1878 in Leipzig) ziehen um 1911 in die prosperierende Stadt Charlottenburg bei Berlin. Dort betreibt Sally Kornblum ab etwa 1920 eine Im- und Exportfirma.

Auch der Sohn absolviert eine kaufmännische Ausbildung. Möglicherweise arbeitet er später in der väterlichen Firma mit. Um 1935 muss Sally Kornblum aufgrund antijüdischer Repressionen sein Geschäft in der Schlüterstraße 17 aufgeben.

Kurz vor Kriegsbeginn, am 21. August 1939, heiratet Hanns Kornblum die jüdische Stenotypistin Ottilie Schöner, die 1914 in der Bukowina in Rumänien geboren wurde. Sie zieht zu ihrem Ehemann und den Schwiegereltern, die seit etwa 1935 in der Goethestraße 69 wohnen.

Schließlich wird Hanns Kornblum zur Zwangsarbeit als Maschinenarbeiter verpflichtet. Ende des Jahres 1942 muss er den Verlust seiner Eltern verkraften: Sally Kornblum wird nach Auschwitz deportiert, wo er am 5. November 1942 umkommt. Nur einen Monat später, am 28. Dezember 1942, stirbt Eleonore Kornblum an einer Lungenentzündung. Am Neujahrstag wird sie auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beerdigt. Das Gebet zum Gedenken an die Verstorbene, auf hebräisch „El mole rachamim“, muss ihr Sohn Hanns allein halten. Sein Bruder Helmut Kornblum hatte noch rechtzeitig nach Südafrika emigrieren können.

Hanns Kornblum ahnt wohl, dass sein Leben in höchster Gefahr ist. Als am 27. Februar 1943 bei einer Großrazzia alle in der Rüstungsindustrie beschäftigten jüdischen Zwangsarbeiter verhaftet werden sollen, gelingt es ihm „unterzutauchen“. Warum seine Ehe durch Urteil des Berliner Landgerichts im Juli 1943 geschieden wird, ist, wie so vieles, nicht mehr zu klären. Ottilie Kornblum gelingt es, den Krieg zu überleben; sie stirbt 2004 in Frankfurt am Main.

Nach etwa einem halben Jahr im „Untergrund“ wagt Hanns Kornblum, gemeinsam mit der 23-jährigen Ilse Arendt, die Flucht in die Schweiz. Die ebenfalls „illegal“ lebende Freundin hatte durch ihren Cousin Ernst Ludwig Ehrlich von einer Fluchthelferin, Luise Meier, erfahren. Die Berliner Witwe, eine gläubige Katholikin, und ihr Mitstreiter Josef Höfler, der in Gottmadingen bei Singen, in unmittelbarer Grenznähe lebt, verhelfen 1943/44 insgesamt etwa 28 Juden zur Flucht in die Schweiz, darunter auch Ernst Ludwig Ehrlich.

Am 30. Oktober 1943 verlassen die beiden Flüchtlinge mit dem Abendzug Berlin in Richtung Süden. Aus Sicherheitsgründen fahren sie in getrennten Abteilen. Doch kurz vor Singen fällt Hanns Kornblum bei einer Ausweiskontrolle der Polizei im Zug auf und wird verhaftet. Während Ilse Arendt am 1. November 1943 den rettenden Schweizer Boden erreicht, wird ihr Freund tagelang im Gerichtsgefängnis verhört. Schließlich sieht er keinen anderen Ausweg und erhängt sich in den frühen Morgenstunden des 5. November 1943 in seiner Zelle. Drei Tage später wird er auf dem Waldfriedhof in Singen beigesetzt.

Vermutlich um 1947 wird sein Leichnam auf den nahegelegenen jüdischen Friedhof in Gailingen umgebettet. In dem Vierergrab sind auch Othmar und Margarete Pollok aus Berlin beigesetzt, die sich im November 1942 in Singen das Leben nahmen. Ihr Fluchtversuch war ebenfalls tragischerweise gescheitert.

Im April 2010 lässt ein Ehepaar, das seit langem in der Goethestraße 69 wohnt und der Geschichte „ihres“ Hauses mit der prächtigen Jugendstilfassade nachgeht, Stolpersteine für Hanns und Sally Kornblum sowie Esther Elise Weiss und Joachim Aronade verlegen.

In der Gedenkstätte Stille Helden in Berlin-Mitte wird unter anderem an das Fluchthilfenetz um Luise Meier und Josef Höfler erinnert sowie an die jüdischen Männer und Frauen, die ihr Leben durch Flucht in den Untergrund bzw. ins Ausland zu retten versuchten.