Ida Jaffe geb. Poschuminski

Verlegeort
Hauptstr. 110
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
21. März 2014
Geboren
03. März 1909 in Wilna / Vilnius
Beruf
Verkäuferin
Abgeschoben
02. Juli 1941 in die Sowjetunion
Verstorben an den Folgen von Haft und Folter
1943 in Akmolinsk (Kasachstan)

Ida Poschuminski wurde am 3. März 1909 im litauischen Wilna als zweites von vier Kindern und einzige Tochter des jüdischen Elektrikers Hirsch und seiner Ehefrau Sofia Poschuminski geboren. Sie erlernte den Beruf der Verkäuferin. In den 1920er Jahren zog die Familie ins hinterpommerische Stolp, das eine lebendige jüdische Gemeinde in seinen Mauern hatte. Dort lernte die Zwanzigjährige den aus Russland stammenden und als Juden gebürtigen, damals 39jährigen Boris Jaffe kennen und lieben. Boris war zum Christentum konvertiert, für die Juden in Stolp war er deshalb ein Außenseiter. Obwohl auch die Familie die Verbindung nicht akzeptierte, setzte sich Ida Poschuminski über deren Bedenken hinweg und heiratete Boris Jaffe Ende September 1931. Am 4. Oktober 1931, zwei Wochen nach der standesamtlichen Hochzeit in Berlin, wo Boris nun lebte und arbeitete, kam der Sohn Alexander, genannt Sascha, zur Welt. Boris Jaffe arbeitete in Berlin als Filmreisender. Entgegen allen Erwartungen wurde die Ehe glücklich und das Ehepaar Eltern eines weiteren Sohnes und einer Tochter: Tamara (* 22.10.1932 in Berlin) und Jakob 'Jascha' (* 4.12.1934 in Berlin). Die Familie lebte in einer Dreizimmer-Wohnung in der Hauptstraße 110. Als Filmreisender für die amerikanische Filmfirma Warner Brothers verdiente Boris Jaffe sehr gut. Dies änderte sich 1933, als die Firma Deutschland verließ. Danach konnte Boris Jaffe über einen langen Zeitraum hinweg keine neue Anstellung mehr finden. Boris Jaffe träumte deshalb davon, ein eigenes Kino zu eröffnen. Dieser Traum zerschlug sich aber jäh, als man dem russischstämmigen, staatenlosen Mann 1938 das Visum aberkannte und ihn aufforderte, Deutschland zu verlassen. Er entschloss sich deshalb, in die USA auszuwandern. Im Jahre 1939 erhielt er ein amerikanisches Visum. Die deutschen Behörden forderten ihn auf, das Land bis zum 15. November 1939 zu verlassen. Ende Oktober fuhr er mit dem Zug nach Kopenhagen, besorgte sich dort ein Ticket in die USA und schiffte sich schließlich auf einem Frachtschiff ein, das Nutzholz nach Amerika brachte. Die Familie sollte ihm nach geraumer Zeit folgen. Obwohl Ida für sich und die Kinder schon die Reservierung für die Schiffsüberfahrt in Händen hielt und in Amerika von der religiösen Gesellschaft der Quäker, die sich für verfolgte Juden einsetzte, bereits das nötige Geld für die Fahrkarten gesammelt worden war, zerschlug sich der Plan einer Emigration in die USA aufgrund des Beginns des Zweiten Weltkriegs. Ida Jaffe wurde aufgefordert, ihre Wohnung bis zum 1. März 1940 zu verlassen. Völlig verzweifelt schrieb sie ihrem Mann, dass sie nicht wisse, wo sie und die Kinder nun leben sollten. Am 22. Juni 1941 morgens um 5.30 Uhr wurde die Familie schließlich von der SS aus der Wohnung geholt. Sie sollten Kleidung für ein bis zwei Tage einpacken. Danach begann eine wahre Odyssee. Zuerst ging es zur Polizeistation, wo sie bis ein Uhr warten mussten. Dann wurden sie mit einem Polizeiauto zum Alexanderplatz gefahren. Anschließend mussten sie in einen Bus umsteigen und wurden in ein Lager in Groß-Ziethen, südlich von Berlin, gebracht. Am 2. Juli 1941 wurde die Familie zum Anhalter Bahnhof transportiert, mit dem Ziel, sie offiziell in die Sowjetunion abzuschieben. Sie wurden als russische Bürger ausgewiesen und von Berlin über Dresden nach Prag deportiert, später ging es zur bulgarischen Grenze, wo der Zug aber nicht weiterfahren durfte. Es ging zurück nach Nis in Serbien und am 10. Juli 1941 zur bulgarisch-türkischen Grenze, wo das bulgarische Rote Kreuz den Transport übernahm. Sie fuhren am 13. Juli 1941 weiter ins thrakische Adrianopel. In dem Zug befanden sich insgesamt 1.059 Menschen aus Italien, Holland, Belgien und Deutschland. Von Adrianopel aus sollten ihre Pässe nach Russland geschickt werden. Der Transport ging über die armenische Stadt Leninakan in Richtung Sowjetunion. Diese Mitteilungen konnte Ida Jaffe ihrem Mann noch in einem Brief machen. Auf dem Weg von Ankara nach Moskau verliert sich aber die Spur der Familie. Man weiß lediglich, dass Ida Jaffe später mit ihren Söhnen und der Tochter in einem ukrainischen Ort mit dem Namen Berlotserkovka landete und schließlich auf einer landwirtschaftlichen Kolchose in Akmolinsk/Kasachstan lebte. Dort lebten nur arme Menschen, die selbst über nicht genügend Essen verfügten. Man baute Kartoffeln an, die geringe Anbaumenge reichte aber für die große Anzahl der Menschen nicht aus. Kleidung stand ebenfalls nur in unzureichender Stückzahl zur Verfügung. Im Winter wurde es so kalt, dass sie die Baracke nicht mehr verlassen konnten, zumal sie keine geeigneten Schuhe hatten, um im Freien Feuerholz zu suchen. Die Folge waren Frostbeulen und Erfrierungen an den Gliedmaßen. <br />
Ida Jaffe - gezeichnet von Unterernährung und Unterkühlung - starb 1943 in Achmolinsk, nachdem man ihr sowie ihrem Sohn Alexander die Füße abwärts der Knöchel amputiert hatte. Tamara hatte ihre Mutter und ihren Bruder in die Dorfklinik begleitet. Nach der Amputation musste Ida Jaffe nicht mehr lange leiden. Sie starb wenige Tage nach der Operation. Der Sohn Alexander konnte nicht mehr aufstehen und erlebte die Beerdigung seiner Mutter deshalb nicht mehr mit. Ihre Tochter Tamara hingegen war bei dem Begräbnis ihrer Mutter zugegen. Auch ihr, die nach einem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt bereits eine lebensgefährliche Typhuserkrankung überstanden hatte, amputierte man schließlich einzelne Zehen. Tamara und Alexander erholten sich zwar, Alexander war aber nur noch in der Lage, sich auf den Knien fortzubewegen. Sein Körper war vermutlich derart geschwächt, dass der erst dreizehnjährige Junge im Frühjahr darauf an einer Lungenentzündung verstarb. Der kleine Jakob 'Jascha' blieb sich nun weitgehend selbst überlassen. Außerdem war er vermutlich durch den Tod seiner Mutter und seines Bruders in höchstem Maße traumatisiert. Er starb unmittelbar nach dem Tod seines älteren Bruders im Alter von nur zehn Jahren aus Gründen, die wir nicht kennen. Tamara überlebte das Lager, wurde von einer Frau namens Millie Lifschitz gerettet, indem diese sie zu sich nahm, und wanderte später zu ihrem Vater in die USA aus. <br />
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Ida Poschuminski wurde am 3. März 1909 im litauischen Wilna als zweites von vier Kindern und einzige Tochter des jüdischen Elektrikers Hirsch und seiner Ehefrau Sofia Poschuminski geboren. Sie erlernte den Beruf der Verkäuferin. In den 1920er Jahren zog die Familie ins hinterpommerische Stolp, das eine lebendige jüdische Gemeinde in seinen Mauern hatte. Dort lernte die Zwanzigjährige den aus Russland stammenden und als Juden gebürtigen, damals 39jährigen Boris Jaffe kennen und lieben. Boris war zum Christentum konvertiert, für die Juden in Stolp war er deshalb ein Außenseiter. Obwohl auch die Familie die Verbindung nicht akzeptierte, setzte sich Ida Poschuminski über deren Bedenken hinweg und heiratete Boris Jaffe Ende September 1931. Am 4. Oktober 1931, zwei Wochen nach der standesamtlichen Hochzeit in Berlin, wo Boris nun lebte und arbeitete, kam der Sohn Alexander, genannt Sascha, zur Welt. Boris Jaffe arbeitete in Berlin als Filmreisender. Entgegen allen Erwartungen wurde die Ehe glücklich und das Ehepaar Eltern eines weiteren Sohnes und einer Tochter: Tamara (* 22.10.1932 in Berlin) und Jakob 'Jascha' (* 4.12.1934 in Berlin). Die Familie lebte in einer Dreizimmer-Wohnung in der Hauptstraße 110. Als Filmreisender für die amerikanische Filmfirma Warner Brothers verdiente Boris Jaffe sehr gut. Dies änderte sich 1933, als die Firma Deutschland verließ. Danach konnte Boris Jaffe über einen langen Zeitraum hinweg keine neue Anstellung mehr finden. Boris Jaffe träumte deshalb davon, ein eigenes Kino zu eröffnen. Dieser Traum zerschlug sich aber jäh, als man dem russischstämmigen, staatenlosen Mann 1938 das Visum aberkannte und ihn aufforderte, Deutschland zu verlassen. Er entschloss sich deshalb, in die USA auszuwandern. Im Jahre 1939 erhielt er ein amerikanisches Visum. Die deutschen Behörden forderten ihn auf, das Land bis zum 15. November 1939 zu verlassen. Ende Oktober fuhr er mit dem Zug nach Kopenhagen, besorgte sich dort ein Ticket in die USA und schiffte sich schließlich auf einem Frachtschiff ein, das Nutzholz nach Amerika brachte. Die Familie sollte ihm nach geraumer Zeit folgen. Obwohl Ida für sich und die Kinder schon die Reservierung für die Schiffsüberfahrt in Händen hielt und in Amerika von der religiösen Gesellschaft der Quäker, die sich für verfolgte Juden einsetzte, bereits das nötige Geld für die Fahrkarten gesammelt worden war, zerschlug sich der Plan einer Emigration in die USA aufgrund des Beginns des Zweiten Weltkriegs. Ida Jaffe wurde aufgefordert, ihre Wohnung bis zum 1. März 1940 zu verlassen. Völlig verzweifelt schrieb sie ihrem Mann, dass sie nicht wisse, wo sie und die Kinder nun leben sollten. Am 22. Juni 1941 morgens um 5.30 Uhr wurde die Familie schließlich von der SS aus der Wohnung geholt. Sie sollten Kleidung für ein bis zwei Tage einpacken. Danach begann eine wahre Odyssee. Zuerst ging es zur Polizeistation, wo sie bis ein Uhr warten mussten. Dann wurden sie mit einem Polizeiauto zum Alexanderplatz gefahren. Anschließend mussten sie in einen Bus umsteigen und wurden in ein Lager in Groß-Ziethen, südlich von Berlin, gebracht. Am 2. Juli 1941 wurde die Familie zum Anhalter Bahnhof transportiert, mit dem Ziel, sie offiziell in die Sowjetunion abzuschieben. Sie wurden als russische Bürger ausgewiesen und von Berlin über Dresden nach Prag deportiert, später ging es zur bulgarischen Grenze, wo der Zug aber nicht weiterfahren durfte. Es ging zurück nach Nis in Serbien und am 10. Juli 1941 zur bulgarisch-türkischen Grenze, wo das bulgarische Rote Kreuz den Transport übernahm. Sie fuhren am 13. Juli 1941 weiter ins thrakische Adrianopel. In dem Zug befanden sich insgesamt 1.059 Menschen aus Italien, Holland, Belgien und Deutschland. Von Adrianopel aus sollten ihre Pässe nach Russland geschickt werden. Der Transport ging über die armenische Stadt Leninakan in Richtung Sowjetunion. Diese Mitteilungen konnte Ida Jaffe ihrem Mann noch in einem Brief machen. Auf dem Weg von Ankara nach Moskau verliert sich aber die Spur der Familie. Man weiß lediglich, dass Ida Jaffe später mit ihren Söhnen und der Tochter in einem ukrainischen Ort mit dem Namen Berlotserkovka landete und schließlich auf einer landwirtschaftlichen Kolchose in Akmolinsk/Kasachstan lebte. Dort lebten nur arme Menschen, die selbst über nicht genügend Essen verfügten. Man baute Kartoffeln an, die geringe Anbaumenge reichte aber für die große Anzahl der Menschen nicht aus. Kleidung stand ebenfalls nur in unzureichender Stückzahl zur Verfügung. Im Winter wurde es so kalt, dass sie die Baracke nicht mehr verlassen konnten, zumal sie keine geeigneten Schuhe hatten, um im Freien Feuerholz zu suchen. Die Folge waren Frostbeulen und Erfrierungen an den Gliedmaßen.
Ida Jaffe - gezeichnet von Unterernährung und Unterkühlung - starb 1943 in Achmolinsk, nachdem man ihr sowie ihrem Sohn Alexander die Füße abwärts der Knöchel amputiert hatte. Tamara hatte ihre Mutter und ihren Bruder in die Dorfklinik begleitet. Nach der Amputation musste Ida Jaffe nicht mehr lange leiden. Sie starb wenige Tage nach der Operation. Der Sohn Alexander konnte nicht mehr aufstehen und erlebte die Beerdigung seiner Mutter deshalb nicht mehr mit. Ihre Tochter Tamara hingegen war bei dem Begräbnis ihrer Mutter zugegen. Auch ihr, die nach einem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt bereits eine lebensgefährliche Typhuserkrankung überstanden hatte, amputierte man schließlich einzelne Zehen. Tamara und Alexander erholten sich zwar, Alexander war aber nur noch in der Lage, sich auf den Knien fortzubewegen. Sein Körper war vermutlich derart geschwächt, dass der erst dreizehnjährige Junge im Frühjahr darauf an einer Lungenentzündung verstarb. Der kleine Jakob 'Jascha' blieb sich nun weitgehend selbst überlassen. Außerdem war er vermutlich durch den Tod seiner Mutter und seines Bruders in höchstem Maße traumatisiert. Er starb unmittelbar nach dem Tod seines älteren Bruders im Alter von nur zehn Jahren aus Gründen, die wir nicht kennen. Tamara überlebte das Lager, wurde von einer Frau namens Millie Lifschitz gerettet, indem diese sie zu sich nahm, und wanderte später zu ihrem Vater in die USA aus.