Emilie Buchsbaum geb. Weirauch

Verlegeort
Kaiserdamm 105
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
07. Oktober 2022
Geboren
21. Mai 1883 in Wilkau (Schlesien) / Wilków
Beruf
Hausfrau
Überlebt

Emilie Weirauch wurde am 21. Mai 1883 in Wilkau, Schlesien (heute Wilków in Polen) geboren. Ihr Vater war der Mühlenbesitzer Carl Weirauch. Die Familie war evangelisch. Emilie hatte zwei Schwestern: Auguste (verh. Eppstein) und Emma (verh. Meyer).

1911 heiratete Emilie Albert Buchsbaum in Berlin. Die Ehe blieb kinderlos.
Emilie beschrieb in ihrem Entschädigungsantrag ihren Werdegang so:

....Bin am 21. Mai 1883 als Tochter des Mühlenbesitzers Carl Weirauch zu Wilkau, Kreis Namslau, Schlesien geboren. Erwachsen kam ich mit meinen Eltern nach Berlin und wurde bei Verwandten im Hause beschäftigt. Bin selbst evangelisch. 1911 ging ich mit meinem Mann Albert Buchsbaum (mosaisch) die Ehe ein, dieselbe war sehr glücklich und wir lebten in sehr geordneten Verhältnissen...“

Emilie und Albert Buchsbaum wohnten in der Allensteiner Str. 39 im 2. Stock. Albert war bei der renommierten Textilhandelsfirma Gebrüder Simon in der Klosterstraße 80/81 angestellt, wo er sehr gut verdiente. Das Ehepaar hatte eine enge Beziehung zu Alberts Bruder Heinrich, der mit Georg Leyser eine Herrenkleiderfabrikation in der Wallstr. 10 führte. 1917 zog auch Emilies Schwager Heinrich in die Allensteiner Str. 29, zunächst in eine Wohnung im Gartenhaus, später ins Vorderhaus im 4. Stock. 1926 mieteten die Brüder Albert und Heinrich gemeinsam eine großzügige 5-Zimmer-Wohnung im 4. Stock in der Wittelsbacher Str. 25 in Wilmersdorf an. Über ihr Leben in den 1920er-Jahren schrieb Emilie:

.Mein Ehemann Albert Buchsbaum stieg bei der Firma Gebr. Simon bis zum Abteilungsleiter auf und hatte ein sehr gutes Einkommen. Es war immer genügend Geld vorhanden, um ein sorgloses Leben zu führen. Wir hatten bis zum Jahr 1932 in Berlin-Wilmersdorf, Wittelsbacher Str. 25 eine 5 Zimmerwohnung..... Wir unterhielten ständig eine Hausangestellte und mein Ehemann und ich machten jedes Jahr eine Reise, die uns nach Marienbad, Karlsbad, Norderney, nach Binz und Göhren führte.“

Zu Beginn der 1930er-Jahre wendete sich jedoch das Blatt. Zunächst erhöhte der Vermieter die Miete der Wohnung in der Wittelsbacher Str. 25 um 33 Prozent. Albert, Emilie und Heinrich kündigten und fanden am Kaiserdamm 105 ein vergleichbares Domizil zum bisherigen Mietpreis. 1934 oder 1935 wurde Albert von der Firma Gebrüder Simon gekündigt. Nach einer Übergangszeit als freier Mitarbeiter verlor Albert spätestens 1937 endgültig seine Arbeit, da in diesem Jahr die jüdische Firma Gebrüder Simon Textil AG verkauft und arisiert wurde. Fortan lebten die Buchsbaums von ihren Ersparnissen. Zwei Zimmer der Wohnung wurden 1938 an Jenny Janower, geb. Stenschewski untervermietet. Doch es kam noch schlimmer, wie Emilie in ihrem Entschädigungsantrag schildert:

...Durch meine Ehe mit einem Volljuden im Sinne der damaligen Nürnberger Rassegesetze war ich von Anbeginn der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten allen nur erdenklichen Schikanen und Drangsalierungen seitens der NS-Dienststellen und der nationalsozialistisch gesonnen Bevölkerung ausgesetzt.....
.Vom ersten Tage der Verordnung, dass Juden den „Judenstern“ tragen mussten, war mein Ehemann ebenfalls davon betroffen. Ich darf mir nun die Schilderung der ständigen Demütigungen und nazistischen Rüpeleien ersparen, die sofort gegen uns einsetzten.....
….Eine ganz besondere Härte setzte gegen uns ein, als mein Ehemann die „Judenlebensmittelkarten“ erhielt. Selbstverständlich teilte ich mit meinem Ehemann die mir zustehenden Rationen....“

Man kann davon ausgehen, dass Emilie ihre Lebensmittelrationen – die auch für die „deutsche“ Bevölkerung im Laufe des Krieges immer mehr eingeschränkt wurden – mit Alberts Bruder Heinrich ebenfalls teilte. Die „privilegierte Ehe“ schützte Emilies Ehemann Albert zwar vor der Deportation, dennoch wurde er mehrfach von der Gestapo abgeholt und verhört. Mehrfach wurde die Wohnung durchsucht, das Ehepaar lebte in beständiger Angst und Ungewissheit. Im Juli 1941 machten die Eheleute ihr gemeinsames Testament, in dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben bestimmten. Auch Heinrich verfügte seinen Letzten Willen im Oktober 1941 und setzte seinen Bruder Albert zum Alleinerben ein.

Im November 1941 erlebten die Buchsbaums, dass ihre Untermieterin Jenny Janower sich in die Sammelstelle in der Levetzowstr. begeben musste. Von dort wurde sie nach Minsk deportiert und ermordet. In die von Jenny Janower bewohnten Zimmer wurde bereits am 12. November desselben Jahres Franziska Marcks, geb. Grünwald eingewiesen, die ebenfalls jüdischer Herkunft war. Franziska Marcks war 1939 bei der Volkszählung in der Güntzelstr. 17/18 registriert worden. Als 1942 ein Obersturmbandführer der SS die große Wohnung der Buchsbaums am Kaiserdamm für sich beanspruchte, wurden Emilie, Albert und Heinrich  in eine kleinere Wohnung in der Grolmannstr. 51 eingewiesen. Auch Franziska Marcks wurde dort bei den Buchsbaums einquartiert.

Wenige Monate später, am 14. Dezember 1942, wurde Heinrich Buchsbaum nach Auschwitz deportiert und sogleich ermordet. Einen Monat später, am 29. Januar 1943,  wurde Franziska Marcks mit dem 27. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet. 

Emilie und Albert überlebten den Faschismus. Beide trugen allerdings schwere gesundheitliche Schäden davon: Herzbeschwerden, beständige Nervosität, Schwindel, Schlaflosigkeit. Am 18. März 1948 verstarb Albert Buchsbaum. Emilie Buchsbaum, geb. Weirauch wurde als Verfolgte des Faschismus und als Rassenverfolgte von den Behörden anerkannt. Sie starb 1961.