Fanny Kamann geb. Ehrlich

Verlegeort
Karl-Marx-Straße 16
Historischer Name
Berliner Str. 11
Bezirk/Ortsteil
Neukölln
Verlegedatum
27. Oktober 2010
Geboren
24. Februar 1875 in Rösnitz (Oberschlesien) / Rozumice
Deportation
am 09. Februar 1944 nach Theresienstadt
Überlebt

Fanny Ehrlich kam am 24. Februar 1875 im oberschlesischen Rösnitz im Kreis Leobschütz (heute: Rozumice / Polen) als Tochter des Kaufmanns Markus Ehrlich und seiner Ehefrau Jenny, geb. Brauner, zur Welt. In dem Ort lebten Deutsche, Polen und Tschechen. In der großen Mehrzahl waren sie evangelisch, es gab nur wenige Juden. Die Eltern von Fanny Ehrlich zogen später ins nahe Ratibor (heute Racibórz). Fanny Ehrlich hatte mehrere Geschwister, die alle im Holocaust ermordet worden sind.<br />
Wann Fanny Ehrlich nach Berlin gekommen ist, bleibt unklar. Anfang des Jahrhunderts lebte sie in der Chausseestraße 13 (heute Mariendorfer Damm) in Mariendorf (damals noch „bei“ Berlin) und arbeitete als Verkäuferin. 1904 heiratete sie den 1877 geborenen Maler und Lackierer Georg Kamann. Als Sohn des Maurers Ernst Kamann und seiner Ehefrau Dorothee in Berlin geboren und aufgewachsen, lebte er noch bei den Eltern in der Gerichtstraße 4 im Arbeiterbezirk Wedding. Georg Kamann war evangelisch und nach der Rassenlehre der Nationalsozialisten „arisch“. <br />
Das junge Ehepaar Kamann blieb ebenfalls im Wedding: Es wohnte in der Ackerstraße, in der Kameruner Straße und lange Jahre in der Samoastraße 21. <br />
Georg und Fanny Kamann bekamen vier Kinder, darunter zwei Töchter: 1910 die Tochter Frieda (später verheiratete Heinrich) und 1911 die Tochter Rosa (später verheiratete Erdmann). Alle Kinder wurden evangelisch getauft. Georg Kamann nahm am Ersten Weltkrieg teil und kehrte nicht zurück, er galt seit 1918 als vermisst. Die Witwe Fanny Kamann zog nach Wittenau und später mit ihren Töchtern nach Berlin-Mariendorf.<br />
Seit 1941/1942 wohnte Fanny Kamann zur Untermiete bei dem jüdischen Kaufmann Alfred Loewinski und seiner Ehefrau Hedwig in der Berliner Straße 11 (heute Karl-Marx-Straße 16). (Soweit dies aus dem Berliner Adressbuch zu rekonstruieren ist, hatte Alfred Loewinski mit seiner christlichen, nach den NS-Rassegesetzen „arischen“ Ehefrau ein Geschäft für Herrenwäsche geführt. Das Ehepaar lebte dort noch in den 1950er-Jahren.) Fanny Kamann zahlte 40 RM Monatsmiete für ein möbliertes Zimmer. Es zog sie aber zu ihrer Familie: So lebte sie bis zu ihrer Deportation im Jahr 1944 meist bei ihrer verheirateten Tochter Rosa in Berlin-Mariendorf.<br />
<br />
Am 9. Februar 1944 wurde Fanny Kamann aus dem Sammellager Große Hamburger Straße in das Ghettolager Theresienstadt deportiert – 100 Personen umfasste der „101. Alterstransport“, der vom Anhalter Bahnhof aus in einem regulären Zug erfolgte. In Theresienstadt arbeitete Fanny Kamann in einer „Reinigungskolonne“. Sie konnte überleben und kehrte nach Berlin zurück.<br />
Fanny Kamann wohnte eine Zeit lang im Bezirk Tempelhof und lebte – fast blind – von einer kleinen Rente. Ihre letzte Anschrift war der Teltower Damm 124 in Berlin-Zehlendorf. Dort war im Mai 1959 durch das Evangelische Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin ein Pflegeheim eröffnet worden, das sich insbesondere um ehemals Verfolgte und Deportierte kümmerte, heute das Heinrich- und Margarete-Grüber-Haus. Fanny Kamann starb am 30. Juli 1968.<br />

Fanny Ehrlich kam am 24. Februar 1875 im oberschlesischen Rösnitz im Kreis Leobschütz (heute: Rozumice / Polen) als Tochter des Kaufmanns Markus Ehrlich und seiner Ehefrau Jenny, geb. Brauner, zur Welt. In dem Ort lebten Deutsche, Polen und Tschechen. In der großen Mehrzahl waren sie evangelisch, es gab nur wenige Juden. Die Eltern von Fanny Ehrlich zogen später ins nahe Ratibor (heute Racibórz). Fanny Ehrlich hatte mehrere Geschwister, die alle im Holocaust ermordet worden sind.
Wann Fanny Ehrlich nach Berlin gekommen ist, bleibt unklar. Anfang des Jahrhunderts lebte sie in der Chausseestraße 13 (heute Mariendorfer Damm) in Mariendorf (damals noch „bei“ Berlin) und arbeitete als Verkäuferin. 1904 heiratete sie den 1877 geborenen Maler und Lackierer Georg Kamann. Als Sohn des Maurers Ernst Kamann und seiner Ehefrau Dorothee in Berlin geboren und aufgewachsen, lebte er noch bei den Eltern in der Gerichtstraße 4 im Arbeiterbezirk Wedding. Georg Kamann war evangelisch und nach der Rassenlehre der Nationalsozialisten „arisch“.
Das junge Ehepaar Kamann blieb ebenfalls im Wedding: Es wohnte in der Ackerstraße, in der Kameruner Straße und lange Jahre in der Samoastraße 21.
Georg und Fanny Kamann bekamen vier Kinder, darunter zwei Töchter: 1910 die Tochter Frieda (später verheiratete Heinrich) und 1911 die Tochter Rosa (später verheiratete Erdmann). Alle Kinder wurden evangelisch getauft. Georg Kamann nahm am Ersten Weltkrieg teil und kehrte nicht zurück, er galt seit 1918 als vermisst. Die Witwe Fanny Kamann zog nach Wittenau und später mit ihren Töchtern nach Berlin-Mariendorf.
Seit 1941/1942 wohnte Fanny Kamann zur Untermiete bei dem jüdischen Kaufmann Alfred Loewinski und seiner Ehefrau Hedwig in der Berliner Straße 11 (heute Karl-Marx-Straße 16). (Soweit dies aus dem Berliner Adressbuch zu rekonstruieren ist, hatte Alfred Loewinski mit seiner christlichen, nach den NS-Rassegesetzen „arischen“ Ehefrau ein Geschäft für Herrenwäsche geführt. Das Ehepaar lebte dort noch in den 1950er-Jahren.) Fanny Kamann zahlte 40 RM Monatsmiete für ein möbliertes Zimmer. Es zog sie aber zu ihrer Familie: So lebte sie bis zu ihrer Deportation im Jahr 1944 meist bei ihrer verheirateten Tochter Rosa in Berlin-Mariendorf.

Am 9. Februar 1944 wurde Fanny Kamann aus dem Sammellager Große Hamburger Straße in das Ghettolager Theresienstadt deportiert – 100 Personen umfasste der „101. Alterstransport“, der vom Anhalter Bahnhof aus in einem regulären Zug erfolgte. In Theresienstadt arbeitete Fanny Kamann in einer „Reinigungskolonne“. Sie konnte überleben und kehrte nach Berlin zurück.
Fanny Kamann wohnte eine Zeit lang im Bezirk Tempelhof und lebte – fast blind – von einer kleinen Rente. Ihre letzte Anschrift war der Teltower Damm 124 in Berlin-Zehlendorf. Dort war im Mai 1959 durch das Evangelische Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin ein Pflegeheim eröffnet worden, das sich insbesondere um ehemals Verfolgte und Deportierte kümmerte, heute das Heinrich- und Margarete-Grüber-Haus. Fanny Kamann starb am 30. Juli 1968.