Charlotte Guthmann geb. Weil

Verlegeort
Lemkestr. 156
Bezirk/Ortsteil
Mahlsdorf
Verlegedatum
28. März 2013
Geboren
17. September 1893 in Budapest
Deportation
am 04. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Charlotte Weil wurde am 17. September 1893 in Budapest geboren. Unter ihren Verwandten waren mehrere Rabbiner, der Berliner Oberrabbiner Adolf Rosenzweig (1850–1918) war ihr Onkel.<br />
<br />
In ihrer Heimatstadt lernte Charlotte Weil den Beruf der Corsetière (Korsettschneiderin) und legte darin ihre Gesellen- und Meisterprüfung ab. Viele Jahre leitete sie die Damenabteilung der Firma Keleti, Bandagen und Korsetts – in Budapest damals das führende Geschäft dieser Branche.<br />
<br />
Anfang der 1920er Jahre kam sie nach Berlin, wo sie ihren späteren Ehemann Otto Guthmann kennenlernte. Sie heirateten am 23. Juni 1923 in Charlottenburg. In der gemeinsamen Wohnung in der Halleschen Straße 21 betrieb Charlotte Guthmann ein Atelier für maßgeschneiderte Korsetts, Leibbinden und Büstenhalter. Nach der Geburt ihrer Kinder gab sie das Atelier auf, blieb aber für ihren engsten Kreis von Kundinnen weiterhin tätig. Innerhalb von drei Jahren – zwischen Juni 1924 und Juni 1927 – wurden ihre drei Söhne Berthold, Leopold und Hans geboren. Im Oktober 1928 kam ihre Tochter Eva zur Welt.<br />
<br />
Ihr Ehemann Otto betrieb eine Druckerei, die er infolge der Weltwirtschaftskrise aufgeben musste. Als sie sich daraufhin die Miete ihrer Kreuzberger Wohnung nicht mehr leisten konnten, zogen Charlotte und Otto Guthmann Anfang der 1930er Jahre mit ihren vier Kindern nach Lichtenberg in eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Bornitzstraße 41a. Otto Guthmann fand eine Stelle als Materialverwalter bei dem jüdischen Bauunternehmer Jacobowitz. Auch diese Arbeit verlor er, nachdem sein Arbeitgeber nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten emigriert war.<br />
<br />
Eine Verwandte, die ebenfalls auswanderte, überließ der Familie ein Grundstück in der Lemkestraße 156 in Mahlsdorf. Dort baute Otto Guthmann ein Haus, das die Familie Mitte der 1930er Jahre bezog. Gemeinsam mit ihrem Mann und mit der Unterstützung durch die Kinder bewirtschaftete Charlotte Guthmann auf zweieinhalb Morgen Land einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Neben einer Schafzucht hielten sie Geflügel und Kaninchen und bauten Gemüse und Obst an. Im April 1937 wurde ihre jüngste Tochter geboren. Charlotte Guthmann gab ihr in Erinnerung an eine katholische Ordensschwester, die sie in Budapest in hebräischer Sprache unterrichtet hatte, den Namen Maria.<br />
<br />
Zu ihrer Mahlsdorfer Nachbarschaft hatten Guthmanns ein überwiegend positives Verhältnis. Eine Ladenbesitzerin in der Kieler Straße unterstützte sie mit Lebensmitteln und als NSDAP-Anhänger die Familie terrorisieren wollten, stellte sich ihnen ein Nachbar in den Weg.<br />
<br />
Weil ihr Mann und ihre Söhne Zwangsarbeit bei unterschiedlichen Berliner Betrieben leisten mussten, begann Charlotte Guthmann in den 1940er Jahren wieder als Schneiderin zu arbeiten und stellte unter anderem Büstenhalter für eine Firma her. Die Familie wollte nach Südamerika auswandern und hatte bereits Kontakt mit dem bolivianischen Konsulat aufgenommen. Doch der Plan konnte nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.<br />
<br />
Der älteste Sohn Berthold, der damals 18 Jahre alt war, wurde 1942 unter dem Verdacht, an Widerstandsaktionen beteiligt gewesen zu sein, verhaftet. Charlotte Guthmann versuchte verzweifelt, Unterstützung vom ungarischen Konsul zu erwirken und wachte Tag und Nacht vor dem Sammellager, in dem ihr Sohn inhaftiert war. Es wurde ihr schließlich gestattet, Berthold noch einmal zu sehen, bevor er am 5. September 1942 nach Riga deportiert wurde. Er starb am 3. März 1945 – wenige Wochen vor der Befreiung – in einem Außenlager des KZ Buchenwald.<br />
<br />
Ein knappes halbes Jahr nach Bertholds Deportation wurden ihre beiden jüngeren Söhne Leopold und Hans sowie ihr Ehemann Otto am 27. Februar 1943 bei der sogenannten Fabrikaktion an ihren Arbeitsstellen verhaftet. Charlotte Guthmann erhielt die Aufforderung, sich mit den Töchtern ebenfalls im Sammellager in der Großen Hamburger Straße einzufinden. Ein Nachbar berichtete später, dass er am darauffolgenden Tag bei seinem morgendlichen Rundgang das Weinen und Klagen von Charlotte Guthmann und ihren Töchtern hörte. Später fuhr ein Wagen vor, mit dem sie ins Sammellager fuhren. Ihre Söhne Hans und Leopold wurden am 2. und 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Charlotte Guthmann selbst kam einen Tag später zusammen mit ihrem Mann und ihren Töchtern Eva und Maria auf den 34. Osttransport. Ihr weiteres Schicksal ist nicht dokumentiert, es ist aber anzunehmen, dass Charlotte Guthmann unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 6. März 1943 zusammen mit ihren fünf- und 14-jährigen Töchtern in den Gaskammern ermordet wurde.<br />
<br />
Von ihrer siebenköpfigen Familie überlebte nur der zweitälteste Sohn Leopold. Er lebte nach der Befreiung in Belgien, seine älteste Tochter benannte er nach seiner Mutter. Am 27. Februar 2008, dem 65. Jahrestag der Fabrikaktion, wurde ein Platz in der Nähe ihres letzten Wohnsitzes in Mahlsdorf nach Familie Guthmann benannt. <br />

Charlotte Weil wurde am 17. September 1893 in Budapest geboren. Unter ihren Verwandten waren mehrere Rabbiner, der Berliner Oberrabbiner Adolf Rosenzweig (1850–1918) war ihr Onkel.

In ihrer Heimatstadt lernte Charlotte Weil den Beruf der Corsetière (Korsettschneiderin) und legte darin ihre Gesellen- und Meisterprüfung ab. Viele Jahre leitete sie die Damenabteilung der Firma Keleti, Bandagen und Korsetts – in Budapest damals das führende Geschäft dieser Branche.

Anfang der 1920er Jahre kam sie nach Berlin, wo sie ihren späteren Ehemann Otto Guthmann kennenlernte. Sie heirateten am 23. Juni 1923 in Charlottenburg. In der gemeinsamen Wohnung in der Halleschen Straße 21 betrieb Charlotte Guthmann ein Atelier für maßgeschneiderte Korsetts, Leibbinden und Büstenhalter. Nach der Geburt ihrer Kinder gab sie das Atelier auf, blieb aber für ihren engsten Kreis von Kundinnen weiterhin tätig. Innerhalb von drei Jahren – zwischen Juni 1924 und Juni 1927 – wurden ihre drei Söhne Berthold, Leopold und Hans geboren. Im Oktober 1928 kam ihre Tochter Eva zur Welt.

Ihr Ehemann Otto betrieb eine Druckerei, die er infolge der Weltwirtschaftskrise aufgeben musste. Als sie sich daraufhin die Miete ihrer Kreuzberger Wohnung nicht mehr leisten konnten, zogen Charlotte und Otto Guthmann Anfang der 1930er Jahre mit ihren vier Kindern nach Lichtenberg in eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Bornitzstraße 41a. Otto Guthmann fand eine Stelle als Materialverwalter bei dem jüdischen Bauunternehmer Jacobowitz. Auch diese Arbeit verlor er, nachdem sein Arbeitgeber nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten emigriert war.

Eine Verwandte, die ebenfalls auswanderte, überließ der Familie ein Grundstück in der Lemkestraße 156 in Mahlsdorf. Dort baute Otto Guthmann ein Haus, das die Familie Mitte der 1930er Jahre bezog. Gemeinsam mit ihrem Mann und mit der Unterstützung durch die Kinder bewirtschaftete Charlotte Guthmann auf zweieinhalb Morgen Land einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Neben einer Schafzucht hielten sie Geflügel und Kaninchen und bauten Gemüse und Obst an. Im April 1937 wurde ihre jüngste Tochter geboren. Charlotte Guthmann gab ihr in Erinnerung an eine katholische Ordensschwester, die sie in Budapest in hebräischer Sprache unterrichtet hatte, den Namen Maria.

Zu ihrer Mahlsdorfer Nachbarschaft hatten Guthmanns ein überwiegend positives Verhältnis. Eine Ladenbesitzerin in der Kieler Straße unterstützte sie mit Lebensmitteln und als NSDAP-Anhänger die Familie terrorisieren wollten, stellte sich ihnen ein Nachbar in den Weg.

Weil ihr Mann und ihre Söhne Zwangsarbeit bei unterschiedlichen Berliner Betrieben leisten mussten, begann Charlotte Guthmann in den 1940er Jahren wieder als Schneiderin zu arbeiten und stellte unter anderem Büstenhalter für eine Firma her. Die Familie wollte nach Südamerika auswandern und hatte bereits Kontakt mit dem bolivianischen Konsulat aufgenommen. Doch der Plan konnte nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.

Der älteste Sohn Berthold, der damals 18 Jahre alt war, wurde 1942 unter dem Verdacht, an Widerstandsaktionen beteiligt gewesen zu sein, verhaftet. Charlotte Guthmann versuchte verzweifelt, Unterstützung vom ungarischen Konsul zu erwirken und wachte Tag und Nacht vor dem Sammellager, in dem ihr Sohn inhaftiert war. Es wurde ihr schließlich gestattet, Berthold noch einmal zu sehen, bevor er am 5. September 1942 nach Riga deportiert wurde. Er starb am 3. März 1945 – wenige Wochen vor der Befreiung – in einem Außenlager des KZ Buchenwald.

Ein knappes halbes Jahr nach Bertholds Deportation wurden ihre beiden jüngeren Söhne Leopold und Hans sowie ihr Ehemann Otto am 27. Februar 1943 bei der sogenannten Fabrikaktion an ihren Arbeitsstellen verhaftet. Charlotte Guthmann erhielt die Aufforderung, sich mit den Töchtern ebenfalls im Sammellager in der Großen Hamburger Straße einzufinden. Ein Nachbar berichtete später, dass er am darauffolgenden Tag bei seinem morgendlichen Rundgang das Weinen und Klagen von Charlotte Guthmann und ihren Töchtern hörte. Später fuhr ein Wagen vor, mit dem sie ins Sammellager fuhren. Ihre Söhne Hans und Leopold wurden am 2. und 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Charlotte Guthmann selbst kam einen Tag später zusammen mit ihrem Mann und ihren Töchtern Eva und Maria auf den 34. Osttransport. Ihr weiteres Schicksal ist nicht dokumentiert, es ist aber anzunehmen, dass Charlotte Guthmann unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 6. März 1943 zusammen mit ihren fünf- und 14-jährigen Töchtern in den Gaskammern ermordet wurde.

Von ihrer siebenköpfigen Familie überlebte nur der zweitälteste Sohn Leopold. Er lebte nach der Befreiung in Belgien, seine älteste Tochter benannte er nach seiner Mutter. Am 27. Februar 2008, dem 65. Jahrestag der Fabrikaktion, wurde ein Platz in der Nähe ihres letzten Wohnsitzes in Mahlsdorf nach Familie Guthmann benannt.