Betty Jastrowitz geb. Moses

Verlegeort
Mommsenstr. 47
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
22. Februar 2019
Geboren
08. September 1883 in Gartz a.d. Oder
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
1943 in Auschwitz

Betty Moses wurde in Gartz a.d. Oder (damals Pommern, heute Brandenburg) am 8. September 1883 geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Moses Moses und die Mutter Ernestine, geb. Traube. Betty hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder, Georg. Die Eltern waren wohlhabend, führten ein Textilgeschäft und besaßen mehrere Häuser und Grundstücke in Gartz. 1907 heiratete Betty den am 27. Januar 1881 in Schwiebus geborenen Karl Presch, von Beruf Rechtsanwalt. Das Paar ließ sich in Berlin in der Greifswalder Straße 191 nieder. Dort richtete Karl auch seine Kanzlei ein. Am 11. April 1912 brachte Betty ihre Tochter Ilse zur Welt, zwei Jahre später, am 23. März 1914 den Sohn Manfred. Wenige Jahre danach wurde Karl Presch Opfer der Grippewelle, als er bei einem Feld-Militärgericht tätig war. Er starb 37-jährig am 1. Oktober 1918 und wurde in Weißensee bestattet. „Er war mein ganzes Glück, mein Sonnenschein“ ließ Betty in die Traueranzeige schreiben. Zuletzt war Karl Presch Rechtsanwalt beim Landgericht gewesen, seine Kanzlei war am Alexanderplatz in der Landsberger Straße 66/67. Betty blieb mit den Kindern in der geräumigen Wohnung in der Greifswalder Straße 191 wohnen. Im November 1923 verlobte sie sich mit Julius Jastrowitz, am19. Dezember 1923 heiratete sie ihn.<br />
Julius ließ sich im Adressbuch in den folgenden Jahren sowohl mit der alten Adresse Zionskirchstraße 28 wie auch mit der Anschrift Greifswalder Straße 191 eintragen, er war zu Betty gezogen. 1926 wechselten Julius und Betty mit Bettys Kindern in eine 6-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 47, 2. Stock links, die später von Verwandten und Freunden als „sehr elegant und vornehm eingerichtet“ beschrieben wurde. Die Ehe von Julius und Betty blieb kinderlos.<br />
Die Knopffabrik, die Julius Jastrowitz in der Köpenicker Str. 133 betrieb, prosperierte, wurde ausgebaut, hatte etwa 50 Angestellte. Zu ihr gehörte auch eine Filiale in Gablonz in Böhmen. Julius Jastrowitz war Eigentümer des Fabrikgrundstücks und eines Hauses in der Exerzierstraße. Noch 1937 bescheinigte die IHK (Industrie- und Handelskammer), das Unternehmen sei „vollkaufmännisch, widme sich der Fabrikation und Großhandel von Knöpfen, Schließen, Schnallen aus Galalith und Metall“. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten bereits vier Jahre an der Macht, hatten Judenfeindlichkeit zur offiziellen Politik erklärt, Judenboykotte ausgerufen. Sicherlich hat das auch die Knopffabrik betroffen. 1939 wurden schließlich Julius Jastrowitz und sein Kompagnon Max Hirsch gezwungen, die Firma aufzugeben, am 20. Mai 1939 schieden beide aus. Die IHK teilte mit: „… es handelt sich um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgende Arisierung […] den ausscheidenden Gesellschaftern ist eine Abfindung nicht gewährt worden, vielmehr war ihnen lediglich das vorhandene Inventar und Warenlager bezahlt worden.“ Ob die 8500 RM, die ihnen zugesprochen wurden, dem tatsächlichen Wert des Lagers entsprachen und ob sie sie überhaupt erhielten, sei dahingestellt. Käufer waren ein Erich Koch und ein Paul Beckmann.<br />
Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, ihre Konten waren als „Sicherheitskonten“ gesperrt, sie durften lediglich monatlich eine dem Existenzminimum entsprechende Summe abheben. Das war eine der vielen Einschränkungen des Berufs- und Alltagslebens, die über Juden via Verordnungen verhängt worden waren, die größte Zahl davon nach den Pogromen vom November 1938. Wertgegenstände und Elektrogeräte, etwa Radios, mussten abgegeben werden, hinzu kamen die zahlreichen Verbote, Theater, Kinos, Konzerte zu besuchen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen – und auch die Zwangseinweisung von Untermietern, um Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. Im Jahr 1941 – Bettys Tochter Ilse hatte 1934 geheiratet, ihr Sohn Manfred war glücklich ausgewandert – lebten in der Wohnung von Julius und Betty Jastrowitz noch zwei weitere Ehepaare, ein Junggeselle und eine alleinstehende ältere Dame.<br />
Anfang 1943 wurde Julius Jastrowitz mit seiner Frau Betty in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht. Am 12. Januar 1943 wurden beide nach Auschwitz deportiert, im gleichen Zug wie die Schriftstellerin Else Ury, die die beliebten „Nesthäkchen“-Geschichten geschrieben hatte. Auch Jastrowitz’ Untermieter Ida und Hans David waren in diesem Zug. In Auschwitz wurden von 1196 Deportierten lediglich 127 Männer zur Zwangsarbeit ausgesucht, Julius war sicherlich nicht darunter, da er bereits auf der Deportationsliste als nicht arbeitsfähig eingestuft war. So wurden er und Betty mit allen übrigen Opfern in den Gaskammern ermordet.<br />
Untermieter Richard Bandmann und seine Frau Frieda wurden verschont, da letztere keine Jüdin war. Sie haben später bezeugt, dass die Wohnung mit Ausnahme ihres Zimmers versiegelt wurde, dennoch öfter uniformierte Leute etwas „geholt“ hätten. Alles andere wurde vom Deutschen Reich „eingezogen“, sprich geraubt. Der Versteigerungserlös erbrachte allerdings nur 512 RM. Nach dem Krieg stellte ein Gericht fest, dass solche „Sonderverwertungen“ wohl sehr massiv gewesen sein mussten, da der Erlös des Restes so niedrig ausgefallen war. Ein Gutachter hatte für das Gericht den Neuwert der einst vorhandenen Möbel auf ca. 50.000 DM geschätzt.<br />
Bettys Bruder Georg Moses, seine Frau Hertha und der siebenjährige Sohn Gerd wurden am 4. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei wurden am 23. Januar 1943 nach Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet. Für sie liegen Stolpersteine in der Pommernstraße in Gartz an der Oder. Julius’ Schwester Betty und ihr Mann Herrmann Baranski deportierte man am 28. Oktober 1942 nach Theresienstadt, wo beide aufgrund der unbeschreiblich schlechten Lebensumstände starben. Ihre Tochter Edith und deren Mann Bruno Neumann waren schon vorher, am 14. April 1942, in das Warschauer Ghetto deportiert worden, wo auch sie zu Tode kamen. Die Tochter Ruth Neumann konnte durch einen Kindertransport nach England gerettet werden. Alle fünf hatten in Schöneiche bei Berlin gelebt, dort erinnern in der Eichenstraße 24 und 26 fünf Stolpersteine an sie. Zwei Söhne, Erich und Heinz Baranski, konnten rechtzeitig Deutschland verlassen, wie auch Julius’ Bruder Benno. Auch Julius’ Schwester Rosa und die Kinder seiner Schwester Ernestine, Meta und Bruno, überlebten, Ernestine war möglicherweise schon früher gestorben, sie ist in keinem Gedenkbuch vermerkt.<br />

Betty Moses wurde in Gartz a.d. Oder (damals Pommern, heute Brandenburg) am 8. September 1883 geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Moses Moses und die Mutter Ernestine, geb. Traube. Betty hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder, Georg. Die Eltern waren wohlhabend, führten ein Textilgeschäft und besaßen mehrere Häuser und Grundstücke in Gartz. 1907 heiratete Betty den am 27. Januar 1881 in Schwiebus geborenen Karl Presch, von Beruf Rechtsanwalt. Das Paar ließ sich in Berlin in der Greifswalder Straße 191 nieder. Dort richtete Karl auch seine Kanzlei ein. Am 11. April 1912 brachte Betty ihre Tochter Ilse zur Welt, zwei Jahre später, am 23. März 1914 den Sohn Manfred. Wenige Jahre danach wurde Karl Presch Opfer der Grippewelle, als er bei einem Feld-Militärgericht tätig war. Er starb 37-jährig am 1. Oktober 1918 und wurde in Weißensee bestattet. „Er war mein ganzes Glück, mein Sonnenschein“ ließ Betty in die Traueranzeige schreiben. Zuletzt war Karl Presch Rechtsanwalt beim Landgericht gewesen, seine Kanzlei war am Alexanderplatz in der Landsberger Straße 66/67. Betty blieb mit den Kindern in der geräumigen Wohnung in der Greifswalder Straße 191 wohnen. Im November 1923 verlobte sie sich mit Julius Jastrowitz, am19. Dezember 1923 heiratete sie ihn.
Julius ließ sich im Adressbuch in den folgenden Jahren sowohl mit der alten Adresse Zionskirchstraße 28 wie auch mit der Anschrift Greifswalder Straße 191 eintragen, er war zu Betty gezogen. 1926 wechselten Julius und Betty mit Bettys Kindern in eine 6-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 47, 2. Stock links, die später von Verwandten und Freunden als „sehr elegant und vornehm eingerichtet“ beschrieben wurde. Die Ehe von Julius und Betty blieb kinderlos.
Die Knopffabrik, die Julius Jastrowitz in der Köpenicker Str. 133 betrieb, prosperierte, wurde ausgebaut, hatte etwa 50 Angestellte. Zu ihr gehörte auch eine Filiale in Gablonz in Böhmen. Julius Jastrowitz war Eigentümer des Fabrikgrundstücks und eines Hauses in der Exerzierstraße. Noch 1937 bescheinigte die IHK (Industrie- und Handelskammer), das Unternehmen sei „vollkaufmännisch, widme sich der Fabrikation und Großhandel von Knöpfen, Schließen, Schnallen aus Galalith und Metall“. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten bereits vier Jahre an der Macht, hatten Judenfeindlichkeit zur offiziellen Politik erklärt, Judenboykotte ausgerufen. Sicherlich hat das auch die Knopffabrik betroffen. 1939 wurden schließlich Julius Jastrowitz und sein Kompagnon Max Hirsch gezwungen, die Firma aufzugeben, am 20. Mai 1939 schieden beide aus. Die IHK teilte mit: „… es handelt sich um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgende Arisierung […] den ausscheidenden Gesellschaftern ist eine Abfindung nicht gewährt worden, vielmehr war ihnen lediglich das vorhandene Inventar und Warenlager bezahlt worden.“ Ob die 8500 RM, die ihnen zugesprochen wurden, dem tatsächlichen Wert des Lagers entsprachen und ob sie sie überhaupt erhielten, sei dahingestellt. Käufer waren ein Erich Koch und ein Paul Beckmann.
Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, ihre Konten waren als „Sicherheitskonten“ gesperrt, sie durften lediglich monatlich eine dem Existenzminimum entsprechende Summe abheben. Das war eine der vielen Einschränkungen des Berufs- und Alltagslebens, die über Juden via Verordnungen verhängt worden waren, die größte Zahl davon nach den Pogromen vom November 1938. Wertgegenstände und Elektrogeräte, etwa Radios, mussten abgegeben werden, hinzu kamen die zahlreichen Verbote, Theater, Kinos, Konzerte zu besuchen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen – und auch die Zwangseinweisung von Untermietern, um Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. Im Jahr 1941 – Bettys Tochter Ilse hatte 1934 geheiratet, ihr Sohn Manfred war glücklich ausgewandert – lebten in der Wohnung von Julius und Betty Jastrowitz noch zwei weitere Ehepaare, ein Junggeselle und eine alleinstehende ältere Dame.
Anfang 1943 wurde Julius Jastrowitz mit seiner Frau Betty in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht. Am 12. Januar 1943 wurden beide nach Auschwitz deportiert, im gleichen Zug wie die Schriftstellerin Else Ury, die die beliebten „Nesthäkchen“-Geschichten geschrieben hatte. Auch Jastrowitz’ Untermieter Ida und Hans David waren in diesem Zug. In Auschwitz wurden von 1196 Deportierten lediglich 127 Männer zur Zwangsarbeit ausgesucht, Julius war sicherlich nicht darunter, da er bereits auf der Deportationsliste als nicht arbeitsfähig eingestuft war. So wurden er und Betty mit allen übrigen Opfern in den Gaskammern ermordet.
Untermieter Richard Bandmann und seine Frau Frieda wurden verschont, da letztere keine Jüdin war. Sie haben später bezeugt, dass die Wohnung mit Ausnahme ihres Zimmers versiegelt wurde, dennoch öfter uniformierte Leute etwas „geholt“ hätten. Alles andere wurde vom Deutschen Reich „eingezogen“, sprich geraubt. Der Versteigerungserlös erbrachte allerdings nur 512 RM. Nach dem Krieg stellte ein Gericht fest, dass solche „Sonderverwertungen“ wohl sehr massiv gewesen sein mussten, da der Erlös des Restes so niedrig ausgefallen war. Ein Gutachter hatte für das Gericht den Neuwert der einst vorhandenen Möbel auf ca. 50.000 DM geschätzt.
Bettys Bruder Georg Moses, seine Frau Hertha und der siebenjährige Sohn Gerd wurden am 4. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei wurden am 23. Januar 1943 nach Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet. Für sie liegen Stolpersteine in der Pommernstraße in Gartz an der Oder. Julius’ Schwester Betty und ihr Mann Herrmann Baranski deportierte man am 28. Oktober 1942 nach Theresienstadt, wo beide aufgrund der unbeschreiblich schlechten Lebensumstände starben. Ihre Tochter Edith und deren Mann Bruno Neumann waren schon vorher, am 14. April 1942, in das Warschauer Ghetto deportiert worden, wo auch sie zu Tode kamen. Die Tochter Ruth Neumann konnte durch einen Kindertransport nach England gerettet werden. Alle fünf hatten in Schöneiche bei Berlin gelebt, dort erinnern in der Eichenstraße 24 und 26 fünf Stolpersteine an sie. Zwei Söhne, Erich und Heinz Baranski, konnten rechtzeitig Deutschland verlassen, wie auch Julius’ Bruder Benno. Auch Julius’ Schwester Rosa und die Kinder seiner Schwester Ernestine, Meta und Bruno, überlebten, Ernestine war möglicherweise schon früher gestorben, sie ist in keinem Gedenkbuch vermerkt.