Bezalel Arthour Hendel

Verlegeort
Rochstraße 1
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
25. Juni 2015
Geboren
14. August 1887 in Lipno
Abgeschoben
29. Oktober 1938 nach Bentschen (Zbaszyn)
Überlebt

Bezalel Hendel wurde am 14.08.1887 in Lipno, Russland (heute Polen), in eine nicht wohlhabende, fromme jüdische Familie hinein geboren. Als junger Mann studierte er, um Hazan (Kantor) und Shochet (koscherer Schlachter) zu werden und besuchte seinen älteren Bruder, der bereits in Zagreb Hazan war, um Erfahrung zu sammeln. Anfang der 1920er Jahre wanderte er nach Berlin aus und war zunächst als Hazan und Shochet tätig.<br />
<br />
Er beschloss, selbständiger Kaufmann für Damenunterwäsche zu werden. Zuerst kaufte er die Ware ein, später gründete er einen eigenen Betrieb, wo er zunächst Strapse (Shellkes) erstellte, dann Strumpfhalter und später Korsette (Gurtle) und Büstenhalter. Das kleine Atelier befand sich in seiner Wohnung in der Rochstraße; zwei Räume für die Produktion, zwei als Wohn- und Schlafzimmer.<br />
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Durch die Vermittlung einer Bekannten lernte er Zosia Schreier kennen, heiratete sie 1928 und überließ ihr die Buchhaltung in seinem Atelier. 1929 wurde die gemeinsame Tochter Hadassa geboren. Äußerlich unscheinbar und nicht groß gewachsenen war Bezalel eine eindrucksvolle Persönlichkeit und in allem, was er tat, Perfektionist. Er brachte sich selbst Deutsch bei und bezeichnete sich lange selbst als deutscher Patriot. Hebräisch beherrschte er fehlerfrei und bestand darauf, dass seine Tochter Hebräisch lernte. Bezalel Hendel war Zionist und unterstützte die Bewegung finanziell. Die Familie besuchte regelmäßig die konservative aber nicht orthodoxe Alte Synagoge in der Heidereutergasse, hielt die Regeln des Koscher ein, arbeitete samstags nicht – aber das Geschäft war geöffnet, um die Marktfrauen, die seine Ware weiterverkauften, zu bedienen.<br />
<br />
In der Nacht vom 28./29. Oktober 1938 wurde Bezalel Hendel in Rahmen der sog. „Polenaktion“ nach Bentschen (Zbaszyn) ausgewiesen. Fest im Glauben, dass ihm als „ordentlicher Steuerzahler“ nichts passieren würde, hatte er es abgelehnt, sich wie viele seiner Freunde zu verstecken. Er schlug sich in Polen durch und im Juni 1939 gelang es ihm mit einem Visum „zur Abwicklung seines Geschäfts“ nach Berlin zurückzukehren. Seine Frau hatte inzwischen das Geschäft verkauft und das Hab und Gut der Familie (einschließlich des Klaviers) zum Hamburger Hafen mit der Zielbestimmung Großbritannien oder Palästina geschickt. 1944 verbrannte alles infolge eines Bombenangriffs der Alliierten auf den Hamburger Freihafen. <br />
<br />
Da das ersehnte Auswanderungszertifikat nicht eintraf, reiste die Familie kurz vor Kriegsbeginn mit sechs Koffern nach Drohobych, dem Wohnort Bezalels Schwiegereltern, um sich von den Verwandten zu verabschieden und auf das Zertifikat zu warten. Dort holte sie der Krieg ein. <br />
<br />
Nach der deutschen Invasion 1941 und noch vor der Abriegelung des Ghettos Drohobych wurde die Familie von Angestellten eines Verwandten gerettet und zwei Jahre versteckt. Am 06. August 1944 befreite sie die russische Armee. Nach der deutschen Kapitulation ließ sich Bezalel als polnischer Staatsbürger registrieren und zog sofort mit seiner Familie in die „freie Welt“ zurück. Im September 1945 reiste die Familie illegal mit einer Tasche voll Speck als einziges Gepäck nach Berlin zurück. Sie überquerten die Oder auf dem Lokführer-Stand eines Zuges nachdem eine halbe Flasche Wodka den Besitzer gewechselt hatte.<br />
<br />
In der zerstörten Stadt war die Wiederaufnahme des Betriebs undenkbar. Die Jüdische Gemeinde in der Oranienburger Straße quartierte die Familie in eine Flüchtlingsunterkunft in der früheren jüdischen Schule in der Rykestraße ein. Später zogen Bezalel und seine Frau in einen Lager für Deportierte in Solstheim, Thüringen, wo Bezalel Hendel zum Schiedsmann gewählt wurde. 1949 wanderte das Ehepaar nach Israel aus. Bezalel Hendel nahm seinen alten Beruf wieder auf. Er starb 1972.

Bezalel Hendel wurde am 14.08.1887 in Lipno, Russland (heute Polen), in eine nicht wohlhabende, fromme jüdische Familie hinein geboren. Als junger Mann studierte er, um Hazan (Kantor) und Shochet (koscherer Schlachter) zu werden und besuchte seinen älteren Bruder, der bereits in Zagreb Hazan war, um Erfahrung zu sammeln. Anfang der 1920er Jahre wanderte er nach Berlin aus und war zunächst als Hazan und Shochet tätig.

Er beschloss, selbständiger Kaufmann für Damenunterwäsche zu werden. Zuerst kaufte er die Ware ein, später gründete er einen eigenen Betrieb, wo er zunächst Strapse (Shellkes) erstellte, dann Strumpfhalter und später Korsette (Gurtle) und Büstenhalter. Das kleine Atelier befand sich in seiner Wohnung in der Rochstraße; zwei Räume für die Produktion, zwei als Wohn- und Schlafzimmer.

Durch die Vermittlung einer Bekannten lernte er Zosia Schreier kennen, heiratete sie 1928 und überließ ihr die Buchhaltung in seinem Atelier. 1929 wurde die gemeinsame Tochter Hadassa geboren. Äußerlich unscheinbar und nicht groß gewachsenen war Bezalel eine eindrucksvolle Persönlichkeit und in allem, was er tat, Perfektionist. Er brachte sich selbst Deutsch bei und bezeichnete sich lange selbst als deutscher Patriot. Hebräisch beherrschte er fehlerfrei und bestand darauf, dass seine Tochter Hebräisch lernte. Bezalel Hendel war Zionist und unterstützte die Bewegung finanziell. Die Familie besuchte regelmäßig die konservative aber nicht orthodoxe Alte Synagoge in der Heidereutergasse, hielt die Regeln des Koscher ein, arbeitete samstags nicht – aber das Geschäft war geöffnet, um die Marktfrauen, die seine Ware weiterverkauften, zu bedienen.

In der Nacht vom 28./29. Oktober 1938 wurde Bezalel Hendel in Rahmen der sog. „Polenaktion“ nach Bentschen (Zbaszyn) ausgewiesen. Fest im Glauben, dass ihm als „ordentlicher Steuerzahler“ nichts passieren würde, hatte er es abgelehnt, sich wie viele seiner Freunde zu verstecken. Er schlug sich in Polen durch und im Juni 1939 gelang es ihm mit einem Visum „zur Abwicklung seines Geschäfts“ nach Berlin zurückzukehren. Seine Frau hatte inzwischen das Geschäft verkauft und das Hab und Gut der Familie (einschließlich des Klaviers) zum Hamburger Hafen mit der Zielbestimmung Großbritannien oder Palästina geschickt. 1944 verbrannte alles infolge eines Bombenangriffs der Alliierten auf den Hamburger Freihafen.

Da das ersehnte Auswanderungszertifikat nicht eintraf, reiste die Familie kurz vor Kriegsbeginn mit sechs Koffern nach Drohobych, dem Wohnort Bezalels Schwiegereltern, um sich von den Verwandten zu verabschieden und auf das Zertifikat zu warten. Dort holte sie der Krieg ein.

Nach der deutschen Invasion 1941 und noch vor der Abriegelung des Ghettos Drohobych wurde die Familie von Angestellten eines Verwandten gerettet und zwei Jahre versteckt. Am 06. August 1944 befreite sie die russische Armee. Nach der deutschen Kapitulation ließ sich Bezalel als polnischer Staatsbürger registrieren und zog sofort mit seiner Familie in die „freie Welt“ zurück. Im September 1945 reiste die Familie illegal mit einer Tasche voll Speck als einziges Gepäck nach Berlin zurück. Sie überquerten die Oder auf dem Lokführer-Stand eines Zuges nachdem eine halbe Flasche Wodka den Besitzer gewechselt hatte.

In der zerstörten Stadt war die Wiederaufnahme des Betriebs undenkbar. Die Jüdische Gemeinde in der Oranienburger Straße quartierte die Familie in eine Flüchtlingsunterkunft in der früheren jüdischen Schule in der Rykestraße ein. Später zogen Bezalel und seine Frau in einen Lager für Deportierte in Solstheim, Thüringen, wo Bezalel Hendel zum Schiedsmann gewählt wurde. 1949 wanderte das Ehepaar nach Israel aus. Bezalel Hendel nahm seinen alten Beruf wieder auf. Er starb 1972.