Selma Rosengarten, verw. Hecht geb. Halbeck

Verlegeort
Schützenstr. 4
Historischer Name
Schützenstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
18. Februar 2022
Geboren
17. Juni 1896 in Velten (Osthavelland)
Beruf
Verkäuferin
Flucht
1933 Niederlande
Überlebt

Selma Halbeck wurde am 21. Juni 1896 in Velten, Osthavelland, in der Nähe von Berlin geboren. Sie stammte aus einer nichtjüdischen Familie. <br />
<br />
In erster Ehe war sie mit Siegfried Hecht verheiratet, der in Berlin einen Wäschesalon in der Tauentzienstraße 4 betrieb. Am 18. Oktober 1920 wurde die gemeinsame Tochter Hannelore, genannt Hanne, geboren. Aber schon 1922 verstarb Simon Hecht. Die junge Witwe Selma Hecht führte das Geschäft bis 1923 zunächst weiter.<br />
<br />
Am 5. Mai 1923 heiratete sie erneut, ihr zweiter Ehemann war der Kaufmann Hermann Rosengarten. Selma zog mit ihrer zweijährigen Tochter Hanne zu ihm nach Steglitz in die Schützenstraße 4. Auch für Hermann Rosengarten war es die zweite Ehe, von seiner ersten Frau Selma Joske war er 1921 geschieden worden. Aus dieser Ehe stammte seine Tochter Alice, geboren am 9. Mai 1918, die nach der Scheidung vermutlich bei der Mutter lebte. Selma Joske hat nach der Scheidung 1922 den Weingroßhändler Ernst Theodor Wachenheimer geheiratet. Die gemeinsame Tochter Ingeburg kam am 18. November 1923 zur Welt.<br />
<br />
Hermann Rosengarten führte bereits seit 1910 gemeinsam mit seinem Vater Marcus eine Mützenfabrik in der Jüdenstraße 53. In der Schützenstraße 4 in Steglitz wohnte er seit 1914. Vermutlich 1920 wurde die Mützenfabrik aufgegeben. Hermann Rosengarten ist ab 1921 im Berliner Adressbuch in der Schützenstraße 3–4 mit einem Schuhwarenhandel ausgewiesen, sein Vater Marcus unter der Wohnadresse Schicklerstraße 13 mit einem Briefmarkenhandel. <br />
Marcus Rosengarten starb am 6. März 1929. Im folgenden Jahr zog Selmas verwitwete Schwiegermutter Salomea in den Haushalt ihres Sohnes in die Schützenstraße. <br />
<br />
Offenbar Anfang der 1930er-Jahre veränderte sich Hermann Rosengarten beruflich erneut und eröffnete ein Radio- und Musikapparate-Geschäft in der Müllerstraße 182/183 im Wedding. Aus den Entschädigungsakten geht hervor, dass Selma Rosengarten dort nicht nur ganztags als Verkäuferin beschäftigt war, sondern auch wesentlichen Anteil an der Geschäftsführung hatte. Eine größere Wohnung in Charlottenburg in der Wielandstraße 41 war ebenfalls angemietet worden.<br />
Das Glück währte jedoch nur kurz, denn von dem am 1. April 1933 staatlich angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte waren auch das Geschäft in der Müllerstraße und Hermann Rosengarten direkt betroffen.<br />
<br />
So zogen Selma und Hermann Rosengarten sofort die Konsequenz und bereiteten die Emigration vor: Hermann Rosengarten verließ unmittelbar nach den Übergriffen am 5. April 1933 Berlin und emigrierte in die Niederlande. Selma wickelte noch das Geschäft in der Müllerstraße ab und folgte mit ihrer Tochter Hanne und der Schwiegermutter Salomea am 3. Juni 1933 nach Amsterdam. Dort wurde die Familie in der Beethovenstraat 148 ansässig. <br />
<br />
1935 floh auch Hermanns Tochter Alice von Berlin nach Amsterdam. Vielleicht war es Alice selbst wichtig, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, vielleicht war es ihrer Mutter Selma Wachenheimer, geschiedene Rosengarten, zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht möglich, eine gemeinsame Emigration mit ihrem zweiten Ehemann und beiden Töchtern aus erster und zweiter Ehe vorzubereiten. <br />
<br />
Alice lebte in Amsterdam zunächst vermutlich bei der Familie ihres Vaters in der Beethovenstraat, bis sie am 17. Mai 1939 Kurt Essinger (*16. März 1904 in München) heiratete. Am 1. Januar 1941 wurde ihr Sohn Robert geboren. Hermann Rosengarten freute sich sehr über seinen Enkel. Er schrieb im Juni 1941 an seine Schwester Jenny Rozen: „Pumperls Junge, ein halbes Jahr alt, ist ein Prachtkerl! Jaja, so werden wir alle Großväter und -mütter!“ <br />
Im selben Brief kündigte Hermann seiner Schwester an, dass auch seine 21-jährige Stieftochter „Hannelen in 6 Wochen heiraten“ wird. <br />
<br />
Selmas Schwiegervater Marcus Rosengarten hatte seiner Witwe Salomea und seinen Kindern Hermann und Jenny ein Mietshaus in Berlin in der Posener Straße 29 hinterlassen. Die Mieteinnahmen sicherten in den ersten Jahren in Amsterdam die finanzielle Lage der Familie Rosengarten ab. <br />
<br />
1940 wurden Selma Rosengarten, ihr Ehemann Hermann, ihre Tochter Hanne sowie ihre Schwiegermutter Salomea aus Deutschland ausgebürgert und damit staatenlos. Das gesamte „Vermögen der Reichsfeinde“ wurde vom Deutschen Reich vereinnahmt. Die Überweisungen der Mieteinnahmen aus der Posener Straße 29 gingen ab sofort in die Staatskasse.<br />
<br />
In den Briefen von Hermann an seine Schwester Jenny ist zu lesen, dass die finanzielle Lage der Familie immer bedrückender wurde. In ihrer Not boten die Rosengartens in ihrer Wohnung in der Beethovenstraat ein Zimmer zur Vermietung mit Verköstigung an.<br />
<br />
Nachdem 1940 die Deutsche Wehrmacht die Benelux-Länder besetzt hatte, begann auch hier die systematische Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. <br />
Am 7. November wurden Selmas Ehemann Hermann und ihre Schwiegermutter Salomea verhaftet.<br />
Am 10. November 1942 wurden sie vom KZ Westerbork nach Auschwitz deportiert und ermordet.<br />
Ihre Stieftochter Alice wurde mit ihrem Ehemann Kurt Essinger schon im August 1942 bei dem Versuch, gemeinsam mit Kurts Bruder Julius und seiner Familie in die Schweiz zu fliehen, aufgegriffen und verhaftet. Am 29. August 1942 wurden sie vom KZ Mechelen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.<br />
Alices Sohn Robert wurde von Freunden versteckt und später von seiner Großmutter Selma Wachenheimer, geschiedene Rosengarten, in die USA geholt.<br />
Auch der wenige Monate alte Sohn René von Julius Essinger überlebte die Shoa, weil eine befreundete holländische Familie ihn aufnahm.<br />
<br />
Selma und Hanne wurden nicht deportiert, weil sie keine Jüdinnen waren. Selma Rosengarten hielt sich finanziell einige Jahre mit der kleinen Pension in der Beethovenstraat 148 über Wasser. Später erhielt sie von der Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigungszahlung.<br />
Weder sie noch ihre Tochter Hanne, später verheiratete Frank, sind nach Deutschland zurückgekehrt.

Selma Halbeck wurde am 21. Juni 1896 in Velten, Osthavelland, in der Nähe von Berlin geboren. Sie stammte aus einer nichtjüdischen Familie.

In erster Ehe war sie mit Siegfried Hecht verheiratet, der in Berlin einen Wäschesalon in der Tauentzienstraße 4 betrieb. Am 18. Oktober 1920 wurde die gemeinsame Tochter Hannelore, genannt Hanne, geboren. Aber schon 1922 verstarb Simon Hecht. Die junge Witwe Selma Hecht führte das Geschäft bis 1923 zunächst weiter.

Am 5. Mai 1923 heiratete sie erneut, ihr zweiter Ehemann war der Kaufmann Hermann Rosengarten. Selma zog mit ihrer zweijährigen Tochter Hanne zu ihm nach Steglitz in die Schützenstraße 4. Auch für Hermann Rosengarten war es die zweite Ehe, von seiner ersten Frau Selma Joske war er 1921 geschieden worden. Aus dieser Ehe stammte seine Tochter Alice, geboren am 9. Mai 1918, die nach der Scheidung vermutlich bei der Mutter lebte. Selma Joske hat nach der Scheidung 1922 den Weingroßhändler Ernst Theodor Wachenheimer geheiratet. Die gemeinsame Tochter Ingeburg kam am 18. November 1923 zur Welt.

Hermann Rosengarten führte bereits seit 1910 gemeinsam mit seinem Vater Marcus eine Mützenfabrik in der Jüdenstraße 53. In der Schützenstraße 4 in Steglitz wohnte er seit 1914. Vermutlich 1920 wurde die Mützenfabrik aufgegeben. Hermann Rosengarten ist ab 1921 im Berliner Adressbuch in der Schützenstraße 3–4 mit einem Schuhwarenhandel ausgewiesen, sein Vater Marcus unter der Wohnadresse Schicklerstraße 13 mit einem Briefmarkenhandel.
Marcus Rosengarten starb am 6. März 1929. Im folgenden Jahr zog Selmas verwitwete Schwiegermutter Salomea in den Haushalt ihres Sohnes in die Schützenstraße.

Offenbar Anfang der 1930er-Jahre veränderte sich Hermann Rosengarten beruflich erneut und eröffnete ein Radio- und Musikapparate-Geschäft in der Müllerstraße 182/183 im Wedding. Aus den Entschädigungsakten geht hervor, dass Selma Rosengarten dort nicht nur ganztags als Verkäuferin beschäftigt war, sondern auch wesentlichen Anteil an der Geschäftsführung hatte. Eine größere Wohnung in Charlottenburg in der Wielandstraße 41 war ebenfalls angemietet worden.
Das Glück währte jedoch nur kurz, denn von dem am 1. April 1933 staatlich angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte waren auch das Geschäft in der Müllerstraße und Hermann Rosengarten direkt betroffen.

So zogen Selma und Hermann Rosengarten sofort die Konsequenz und bereiteten die Emigration vor: Hermann Rosengarten verließ unmittelbar nach den Übergriffen am 5. April 1933 Berlin und emigrierte in die Niederlande. Selma wickelte noch das Geschäft in der Müllerstraße ab und folgte mit ihrer Tochter Hanne und der Schwiegermutter Salomea am 3. Juni 1933 nach Amsterdam. Dort wurde die Familie in der Beethovenstraat 148 ansässig.

1935 floh auch Hermanns Tochter Alice von Berlin nach Amsterdam. Vielleicht war es Alice selbst wichtig, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, vielleicht war es ihrer Mutter Selma Wachenheimer, geschiedene Rosengarten, zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht möglich, eine gemeinsame Emigration mit ihrem zweiten Ehemann und beiden Töchtern aus erster und zweiter Ehe vorzubereiten.

Alice lebte in Amsterdam zunächst vermutlich bei der Familie ihres Vaters in der Beethovenstraat, bis sie am 17. Mai 1939 Kurt Essinger (*16. März 1904 in München) heiratete. Am 1. Januar 1941 wurde ihr Sohn Robert geboren. Hermann Rosengarten freute sich sehr über seinen Enkel. Er schrieb im Juni 1941 an seine Schwester Jenny Rozen: „Pumperls Junge, ein halbes Jahr alt, ist ein Prachtkerl! Jaja, so werden wir alle Großväter und -mütter!“
Im selben Brief kündigte Hermann seiner Schwester an, dass auch seine 21-jährige Stieftochter „Hannelen in 6 Wochen heiraten“ wird.

Selmas Schwiegervater Marcus Rosengarten hatte seiner Witwe Salomea und seinen Kindern Hermann und Jenny ein Mietshaus in Berlin in der Posener Straße 29 hinterlassen. Die Mieteinnahmen sicherten in den ersten Jahren in Amsterdam die finanzielle Lage der Familie Rosengarten ab.

1940 wurden Selma Rosengarten, ihr Ehemann Hermann, ihre Tochter Hanne sowie ihre Schwiegermutter Salomea aus Deutschland ausgebürgert und damit staatenlos. Das gesamte „Vermögen der Reichsfeinde“ wurde vom Deutschen Reich vereinnahmt. Die Überweisungen der Mieteinnahmen aus der Posener Straße 29 gingen ab sofort in die Staatskasse.

In den Briefen von Hermann an seine Schwester Jenny ist zu lesen, dass die finanzielle Lage der Familie immer bedrückender wurde. In ihrer Not boten die Rosengartens in ihrer Wohnung in der Beethovenstraat ein Zimmer zur Vermietung mit Verköstigung an.

Nachdem 1940 die Deutsche Wehrmacht die Benelux-Länder besetzt hatte, begann auch hier die systematische Verfolgung der jüdischen Bevölkerung.
Am 7. November wurden Selmas Ehemann Hermann und ihre Schwiegermutter Salomea verhaftet.
Am 10. November 1942 wurden sie vom KZ Westerbork nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Ihre Stieftochter Alice wurde mit ihrem Ehemann Kurt Essinger schon im August 1942 bei dem Versuch, gemeinsam mit Kurts Bruder Julius und seiner Familie in die Schweiz zu fliehen, aufgegriffen und verhaftet. Am 29. August 1942 wurden sie vom KZ Mechelen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Alices Sohn Robert wurde von Freunden versteckt und später von seiner Großmutter Selma Wachenheimer, geschiedene Rosengarten, in die USA geholt.
Auch der wenige Monate alte Sohn René von Julius Essinger überlebte die Shoa, weil eine befreundete holländische Familie ihn aufnahm.

Selma und Hanne wurden nicht deportiert, weil sie keine Jüdinnen waren. Selma Rosengarten hielt sich finanziell einige Jahre mit der kleinen Pension in der Beethovenstraat 148 über Wasser. Später erhielt sie von der Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigungszahlung.
Weder sie noch ihre Tochter Hanne, später verheiratete Frank, sind nach Deutschland zurückgekehrt.