Friedrich Bodo Schlösinger

Verlegeort
Sebastianstraße 42
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
01. September 2018
Geboren
1908 in Berlin
Beruf
Dolmetscher
Flucht in den Tod
23. Februar 1943 in Bolchow

Bodo Schlösinger, Jahrgang 1908, war in Berlin-Mitte aufgewachsen, die Familie wohnte in der Stallschreiberstraße. <br />
Der Vater von Bodo hatte eine Schneiderwerkstatt gleich um die Ecke in der Alten Jakobstraße. <br />
Im 1. Weltkrieg war er von Anfang an eingezogen; die Mutter arbeitete sich - zuletzt in der Rüstungsindustrie – buchstäblich zu Tode. Sie starb, als Bodo 15 Jahre alt war. Der Vater heiratete wieder; aber mit der neuen Frau kamen Bodo und sein vier Jahre jüngerer Bruder Willi nicht zurecht. Sie zogen bei den Eltern aus, in ein eigenes Zimmer in der Adalbertstraße.<br />
Während Willi wie sein Vater zielstrebig Schneider wurde, versuchte Bodo alles Mögliche. Mit seinen eigenen Worten aus einem Zeitungsbeitrag:<br />
„Erst mal Werkzeugmacher ... auch Schneider ... und was nun? ... mal so, mal anders, mal Bude, mal Fahrrad, alles ohne Beruf ... warum nicht auch mal Sprachen ... Stenotypist ... Abendgymnasium ... Geschichten.“<br />
Das Berliner Abendgymnasium veränderte sein Leben. Er schaffte das Abitur. In seinem Roman „18 Stunden hat der Tag“ beschreibt er, wie schwierig das war. <br />
Noch wichtiger aber wurden für Bodo seine neuen Kontakte. Über die Englischlehrerin Mildred Harnack-Fish, lernte er wichtige Freunde wie Karl Behrens und Wilhelm Utech kennen, kam in die Diskussionszirkel über marxistische Theorie und Politökonomie, die von Arvid Harnack geleitet wurden. Sie gehörten zum Netzwerk der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe, die später von den Nazis als „Rote Kapelle“ verfolgt und letztendlich ausgelöscht wurde.<br />
Bodo und Rose lernten sich in Chemnitz kennen, als er seine Tante Sophie Ennenbach, die Mutter von Rose, besuchte. Um für den Unterhalt der Familie sorgen zu können, war Rose 1934 nach Chemnitz gegangen, wo sie eine Stelle als Schreibkraft bei den Wanderer-Werken bekam. Im Juni 1939 heiratete Rose ihren Vetter Bodo Schlösinger, dem sie bald nach Berlin folgte. Sie fanden eine Wohnung in der Sebastianstraße 42 in Berlin-Mitte.<br />
Bodo besuchte die Dolmetscher-Schule, um neben Englisch und Französisch auch noch Russisch zu lernen; außerdem war er journalistisch und schriftstellerisch tätig. Rose arbeitete als Chefsekretärin in der Zentrale der Wanderer-Werke.<br />
Schließlich bekam er eine Anstellung als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Auswärtigen Amt in der Abteilung deutsch-russischer Schriftenaustausch. Dort hatte er Zugang zu sowjetischen Zeitungen und anderen Veröffentlichungen. <br />
1940 wurde Bodo Schlösinger als Dolmetscher an die Front versetzt, zuerst nach Polen, dann an die Ostfront, wo er die grauenvollen Übergriffe der deutschen Wehrmacht auf die russische Zivilbevölkerung miterlebte.<br />
Im September 1942 war Rose in Berlin verhaftet und ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz eingewiesen worden, im Januar 1943 wurde ihr vor dem Reichskriegsgericht der Prozess gemacht. Als Bodo Schlösinger von Roses Todesurteil in Russland erfuhr, nahm er sich am 22. Februar 1943 das Leben. Rose erhielt diese Nachricht erst Wochen später.<br />
Sie war in der Zwischenzeit ins Gerichtsgefängnis Charlottenburg in der Kantstraße verlegt worden und konnte es nicht fassen, weil Bodo ihr noch am 14. Februar geschrieben hatte, er wolle gerade jetzt aus Pflichtgefühl – auch für Roses Tochter Marianne – ganz besonders auf sich aufpassen. „Für mich ist mein eigenes Schicksal nun fast sinnlos geworden“, schrieb Rose an Ihre Mutter und Bodos Vater, „Ich möchte wenigstens wissen, was Bodo sich in den letzten Tagen seines Lebens gedacht hat, ob er einfach nur die Nerven verloren hat und glaubte, ich sei nicht mehr am Leben oder ob er dachte, er könne mir durch diese Tat helfen.“ Sie sollte es nie erfahren. <br />

Bodo Schlösinger, Jahrgang 1908, war in Berlin-Mitte aufgewachsen, die Familie wohnte in der Stallschreiberstraße.
Der Vater von Bodo hatte eine Schneiderwerkstatt gleich um die Ecke in der Alten Jakobstraße.
Im 1. Weltkrieg war er von Anfang an eingezogen; die Mutter arbeitete sich - zuletzt in der Rüstungsindustrie – buchstäblich zu Tode. Sie starb, als Bodo 15 Jahre alt war. Der Vater heiratete wieder; aber mit der neuen Frau kamen Bodo und sein vier Jahre jüngerer Bruder Willi nicht zurecht. Sie zogen bei den Eltern aus, in ein eigenes Zimmer in der Adalbertstraße.
Während Willi wie sein Vater zielstrebig Schneider wurde, versuchte Bodo alles Mögliche. Mit seinen eigenen Worten aus einem Zeitungsbeitrag:
„Erst mal Werkzeugmacher ... auch Schneider ... und was nun? ... mal so, mal anders, mal Bude, mal Fahrrad, alles ohne Beruf ... warum nicht auch mal Sprachen ... Stenotypist ... Abendgymnasium ... Geschichten.“
Das Berliner Abendgymnasium veränderte sein Leben. Er schaffte das Abitur. In seinem Roman „18 Stunden hat der Tag“ beschreibt er, wie schwierig das war.
Noch wichtiger aber wurden für Bodo seine neuen Kontakte. Über die Englischlehrerin Mildred Harnack-Fish, lernte er wichtige Freunde wie Karl Behrens und Wilhelm Utech kennen, kam in die Diskussionszirkel über marxistische Theorie und Politökonomie, die von Arvid Harnack geleitet wurden. Sie gehörten zum Netzwerk der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe, die später von den Nazis als „Rote Kapelle“ verfolgt und letztendlich ausgelöscht wurde.
Bodo und Rose lernten sich in Chemnitz kennen, als er seine Tante Sophie Ennenbach, die Mutter von Rose, besuchte. Um für den Unterhalt der Familie sorgen zu können, war Rose 1934 nach Chemnitz gegangen, wo sie eine Stelle als Schreibkraft bei den Wanderer-Werken bekam. Im Juni 1939 heiratete Rose ihren Vetter Bodo Schlösinger, dem sie bald nach Berlin folgte. Sie fanden eine Wohnung in der Sebastianstraße 42 in Berlin-Mitte.
Bodo besuchte die Dolmetscher-Schule, um neben Englisch und Französisch auch noch Russisch zu lernen; außerdem war er journalistisch und schriftstellerisch tätig. Rose arbeitete als Chefsekretärin in der Zentrale der Wanderer-Werke.
Schließlich bekam er eine Anstellung als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Auswärtigen Amt in der Abteilung deutsch-russischer Schriftenaustausch. Dort hatte er Zugang zu sowjetischen Zeitungen und anderen Veröffentlichungen.
1940 wurde Bodo Schlösinger als Dolmetscher an die Front versetzt, zuerst nach Polen, dann an die Ostfront, wo er die grauenvollen Übergriffe der deutschen Wehrmacht auf die russische Zivilbevölkerung miterlebte.
Im September 1942 war Rose in Berlin verhaftet und ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz eingewiesen worden, im Januar 1943 wurde ihr vor dem Reichskriegsgericht der Prozess gemacht. Als Bodo Schlösinger von Roses Todesurteil in Russland erfuhr, nahm er sich am 22. Februar 1943 das Leben. Rose erhielt diese Nachricht erst Wochen später.
Sie war in der Zwischenzeit ins Gerichtsgefängnis Charlottenburg in der Kantstraße verlegt worden und konnte es nicht fassen, weil Bodo ihr noch am 14. Februar geschrieben hatte, er wolle gerade jetzt aus Pflichtgefühl – auch für Roses Tochter Marianne – ganz besonders auf sich aufpassen. „Für mich ist mein eigenes Schicksal nun fast sinnlos geworden“, schrieb Rose an Ihre Mutter und Bodos Vater, „Ich möchte wenigstens wissen, was Bodo sich in den letzten Tagen seines Lebens gedacht hat, ob er einfach nur die Nerven verloren hat und glaubte, ich sei nicht mehr am Leben oder ob er dachte, er könne mir durch diese Tat helfen.“ Sie sollte es nie erfahren.