Elsbeth Seckelson geb. Arendt

Verlegeort
Thomasiusstraße 3
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
08. August 2014
Geboren
25. September 1900 in Berlin
Zwangsarbeit
Arbeiterin (Striska Theaterschuhe, Tempelhofer Ufer 1a)
Deportation
am 02. Juni 1942 in das Generalgouvernement
Ermordet
in Sobibor oder Majdanek

Elsbeth Arendt wurde am 25. September 1900 in Berlin geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Moritz Arendt (geb. 1865); ihre Mutter Laura Arendt, geborene Guttfeld (1860–1939) stammte aus Borszymmen (dem heutigen Borzymy in Polen). Sie hatte Moritz Arendt 1887 in Liegnitz (Legnica) geheiratet und war mit ihm nach Berlin gezogen, wo 1897 der ältere Bruder von Elsbeth, Alfred Arendt, zur Welt kam. Zum Zeitpunkt von Elsbeths Geburt lebte die Familie in einer Wohnung in der Neuen Königsstraße 23 (heutige Otto-Braun-Straße) nahe dem Alexanderplatz in Mitte. Über die Kindheit und Jugend von Elsbeth und ihrem Bruder im Berlin der Kaiserzeit haben sich leider keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt.

Als die gerade 20 Jahre alt gewordene Elsbeth im September 1920 heiratete, lebte sie noch in der elterlichen Wohnung in der Potsdamer Straße 97 im Ortsteil Tiergarten. Ihr Vater betrieb hier mit ihrem Bruder den Großvertrieb „M. Arendt & Sohn“ für kosmetische und pharmazeutische Präparate und Parfümerien. Nach der Hochzeit mit dem Berliner Kaufmann und Handelsvertreter Hans Seckelson (auch Seckelsohn) nahmen sich die Eheleute eine gemeinsame Wohnung. Die Ehe war nur von kurzer Dauer und wurde im Juni 1923 wieder geschieden. Aus ihr ging aber eine Tochter hervor, die am 15. November 1920 geborene Ruth. Elsbeth Seckelson sollte, anders als ihr geschiedener Ehemann, nicht wieder heirateten. Sie lebte in den kommenden Jahren alleinstehend in Berlin. Ende der 1920er-Jahre wohnte sie in den Kaiserallee 67 in Friedenau, in den 1930er-Jahren an den Adressen Thomasiusstraße 3 und Mauerstraße 89 in Mitte. Leider sind keine Quellen vorhanden, die einen Einblick in ihr Leben im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Elsbeth Seckelson und ihre Familienangehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität und der 12-jährigen Ruth Seckelson wurde mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Chance auf einen höheren Bildungszweig versperrt. Ein Erlass von 1935 sah außerdem eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor, bevor jüdischen Schülern 1938 der Besuch öffentlicher Schulen grundsätzlich verboten wurde. Ruth absolvierte Mitte der 1930er-Jahre eine Ausbildung zur Friseurin und arbeitete in diesem Beruf in Berlin, als sie 1938 den Schneider Fritz Schulim Niedrig (geboren 1910 in Oświęcim) heiratete. Im Oktober 1938 wurde dessen Familie im Zuge der „Polenaktion“ verhaftet, zur polnischen Grenze deportiert und zwangsausgewiesen. Nachdem auch Ruth aufgrund ihrer Ehe die Staatsbürgerschaft entzogen und sie abgeschoben werden sollte, kehrte ihr Ehemann aus Warschau nach Berlin zurück und das Paar floh im Mai 1939 über Flensburg nach Dänemark, wo sie mehrmals von Behörden festgesetzt wurden und in Haft gerieten. Eine erhoffte Ausreise in die USA scheiterte schließlich, als sie im Juli 1940 von den dänischen Behörden zurück nach Deutschland ausgewiesen wurden. Nach weiterer Haft in Flensburg wurden sie im September 1940 als Zwangsarbeiter in das Arbeitslager Schloßhofstraße in Bielefeld deportiert. Dies war die letzte Station ihrer Tochter über die Elsbeth informiert war.

Spätesten Anfang der 1940er-Jahre war auch das Leben von Elsbeth Seckelson in Berlin zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Anfang der 1940er-Jahre wurde sie außerdem zu Zwangsarbeit bei der Theaterschuhmanufaktur „W. Striska“ am Standort Alte Jakobstraße 167 herangezogen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Elsbeth Seckelson erhielt den Deportationsbescheid im Frühling 1942. Sie musste ihre letzte Berliner Wohnung – im April 1942 hatte sie noch als Untermieterin ein möbliertes Zimmer bei Gertrud Levy in der Neanderstraße 7 bezogen – verlassen und wurde in eines der Berliner Sammellager verbracht. Aus der 16-seitigen „Vermögenserklärung“ vom 13. Mai 1942, die sie kurz vor ihrer Deportation ausfüllen musste und die später dazu diente, ihre verbliebenen Habseligkeiten zu beschlagnahmen – mehr als ein paar Kleidungsstücke waren ihr nicht geblieben – geht hervor, dass sie ihre Tochter und ihren Schwiegersohn nach wie vor in Bielefeld vermutete. Sie sollte nicht mehr erfahren, dass sie bereits in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden waren. Die 42-jährige Elsbeth Seckelson wurde am 2. Juni 1942 aus Berlin mit dem „14. Osttransport“ über Lublin nach Majdanek/Sobibor deportiert. Da im Lager Majdanek aus diesem Transport nur 36 Männer als Zwangsarbeiter aufgenommen wurden, ist Elsbeth Seckelson höchstwahrscheinlich direkt in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet worden.

Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn waren am 2. März 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden. Sie wurden beide als Häftlinge in das Lager selektiert und mussten unter unmenschlichen Bedingungen schwerste körperliche Zwangsarbeit leisten („Vernichtung durch Arbeit“). Ruth Niedrig wurde im August 1943 in Auschwitz von Lagerhunden zu Tode gebissen. Elsbeths Schwiegersohn Fritz Schulim Niedrig überlebte die Zwangsarbeit, die er unter anderem für die Buna-Werke in Auschwitz-Monowitz leisten musste: Er wurde im Januar 1945 aus Auschwitz nach Berga/Elster in das KZ-Außenlager Schwalbe V weiterdeportiert und von dort aus im März/April in das KZ Buchenwald, wo er im April 1945 von US-Streitkräften befreit wurde. Das Schicksal von Elsbeths Bruder Alfred Arendt ist nicht geklärt. Er hatte 1928 die nichtjüdische Liesbeth Hartkopf (geb. 1898) geheiratet und mit ihr 1928 und 1933 zwei Söhne bekommen. Möglicherweise überlebte er die NS-Verfolgung in sogenannter „privilegierter Mischehe“.