Charlotte Lilly Koltun

Location 
Markgraf-Albrecht-Str. 4
District
Halensee
Stone was laid
08 May 2012
Born
20 September 1914 in Berlin
Deportation
on 24 August 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Charlotte – genannt Lilly – Koltun wurde am 20. September 1914 in Berlin geboren. Über Herkunft und Leben der jungen Frau ist kaum etwas bekannt. Bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939 wurde sie als ledig und staatenlos registriert. Zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in Wilmersdorf in der Markgraf-Albrecht-Straße 4 als Untermieterin bei Prager. Da der Eintrag „Prager, W., Schauspiel.“ in den Berliner Adressbüchern bis 1941 auftaucht, nicht aber in den Deportationslisten, ist anzunehmen, dass die Vermieter keine Juden waren oder aus Deutschland flüchten konnten.<br />
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Einige Zeit vor der Volkszählung hatte Lilly Koltun in Schöneberg in der Innsbrucker Straße 54 bei Krebs gewohnt. Dorthin zog sie auch wieder am 3. März 1941, wahrscheinlich, weil Pragers Wohnung ihr nicht mehr als Unterschlupf zur Verfügung stand. Am 6. August 1943, als sie wie alle zur Deportation vorgesehenen Jüdinnen und Juden eine Vermögenserklärung abgeben musste, wohnte sie wieder woanders: in Charlottenburg in der Leibnizstraße 55 bei Frau von Bosse, die ausdrücklich als „Arierin“ gekennzeichnet war – in einem möblierten Zimmer für den stolzen Preis von „100 Reichsmark incl. Frühstück“. Von wem diese Auskunft stammt, ist nicht erkennbar.<br />
<br />
Woher sie das Geld für die Miete genommen haben soll, ist unerklärlich, denn nach eigenen Angaben war sie „ohne Beschäftigung“. Ihre Vermögenserklärung hat sie, was an der Schrift erkennbar ist, nicht selbst ausgefüllt – wahrscheinlich tat es ein von der SS dafür eingesetzter jüdischer Helfer. Jedenfalls befand sie sich im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26, einem ehemaligen Jüdischen Altersheim, wo die Listen für die Todeszüge zusammengestellt wurden.<br />
<br />
Am 24. August 1943 wurde Lilly Koltun in einem Waggon mit 50 Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. 23 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet, 9 Männer und 18 Frauen wurden nach der Selektion in Birkenau ins Lager eingewiesen.<br />
<br />
Obwohl bei ihr nichts zu holen war, suchte der Gerichtsvollzieher Hartmann am 31. August 1943 die Wohnung in der Leibnizstraße, musste aber erkennen: „Das Haus ist durch Bombenschaden vollkommen ausgebrannt.“ Am 23. Oktober 1943 notierte dann der Obergerichtsvollzieher Otto Becker: „Koltun hat möbliert gewohnt und eigene Sachen nicht besessen.“ Beide berechneten für ihre unergiebigen Dienstgänge je 2,50 Reichsmark an Schätzkosten, Fahrtauslagen und Schreibgebühren.<br />
<br />
Auf der Innenseite des kargen Aktendeckels, den die Finanzbehörden über Lilly Koltun anlegten, ist der Vermerk angebracht: „Kein Vermögensanfall“. Der Beamte Krabel vom Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin fasste die sinnlose Aktion zusammen: „Schätzung erfolglos, somit keine Räumung“.<br />
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Dieses Schicksal ist ein krasses Beispiel dafür, wie viele Menschen und Kräfte des Nazi-Staates daran beteiligt waren, eine einzige junge, arme und schutzlose Jüdin aus purem Rassenhass ums Leben zu bringen. Im Februar 1960 gingen noch Anfragen beim Entschädigungsamt Berlin ein, ob Akten über Charlotte Koltun vorhanden seien, sie blieben unbeantwortet.

Charlotte – genannt Lilly – Koltun wurde am 20. September 1914 in Berlin geboren. Über Herkunft und Leben der jungen Frau ist kaum etwas bekannt. Bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939 wurde sie als ledig und staatenlos registriert. Zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in Wilmersdorf in der Markgraf-Albrecht-Straße 4 als Untermieterin bei Prager. Da der Eintrag „Prager, W., Schauspiel.“ in den Berliner Adressbüchern bis 1941 auftaucht, nicht aber in den Deportationslisten, ist anzunehmen, dass die Vermieter keine Juden waren oder aus Deutschland flüchten konnten.

Einige Zeit vor der Volkszählung hatte Lilly Koltun in Schöneberg in der Innsbrucker Straße 54 bei Krebs gewohnt. Dorthin zog sie auch wieder am 3. März 1941, wahrscheinlich, weil Pragers Wohnung ihr nicht mehr als Unterschlupf zur Verfügung stand. Am 6. August 1943, als sie wie alle zur Deportation vorgesehenen Jüdinnen und Juden eine Vermögenserklärung abgeben musste, wohnte sie wieder woanders: in Charlottenburg in der Leibnizstraße 55 bei Frau von Bosse, die ausdrücklich als „Arierin“ gekennzeichnet war – in einem möblierten Zimmer für den stolzen Preis von „100 Reichsmark incl. Frühstück“. Von wem diese Auskunft stammt, ist nicht erkennbar.

Woher sie das Geld für die Miete genommen haben soll, ist unerklärlich, denn nach eigenen Angaben war sie „ohne Beschäftigung“. Ihre Vermögenserklärung hat sie, was an der Schrift erkennbar ist, nicht selbst ausgefüllt – wahrscheinlich tat es ein von der SS dafür eingesetzter jüdischer Helfer. Jedenfalls befand sie sich im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26, einem ehemaligen Jüdischen Altersheim, wo die Listen für die Todeszüge zusammengestellt wurden.

Am 24. August 1943 wurde Lilly Koltun in einem Waggon mit 50 Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. 23 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet, 9 Männer und 18 Frauen wurden nach der Selektion in Birkenau ins Lager eingewiesen.

Obwohl bei ihr nichts zu holen war, suchte der Gerichtsvollzieher Hartmann am 31. August 1943 die Wohnung in der Leibnizstraße, musste aber erkennen: „Das Haus ist durch Bombenschaden vollkommen ausgebrannt.“ Am 23. Oktober 1943 notierte dann der Obergerichtsvollzieher Otto Becker: „Koltun hat möbliert gewohnt und eigene Sachen nicht besessen.“ Beide berechneten für ihre unergiebigen Dienstgänge je 2,50 Reichsmark an Schätzkosten, Fahrtauslagen und Schreibgebühren.

Auf der Innenseite des kargen Aktendeckels, den die Finanzbehörden über Lilly Koltun anlegten, ist der Vermerk angebracht: „Kein Vermögensanfall“. Der Beamte Krabel vom Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin fasste die sinnlose Aktion zusammen: „Schätzung erfolglos, somit keine Räumung“.

Dieses Schicksal ist ein krasses Beispiel dafür, wie viele Menschen und Kräfte des Nazi-Staates daran beteiligt waren, eine einzige junge, arme und schutzlose Jüdin aus purem Rassenhass ums Leben zu bringen. Im Februar 1960 gingen noch Anfragen beim Entschädigungsamt Berlin ein, ob Akten über Charlotte Koltun vorhanden seien, sie blieben unbeantwortet.