Minna Seeliger

Location 
Marienstraße 25
District
Mitte
Stone was laid
20 October 2014
Born
18 May 1889 in Hohensalza / Inowrocław
Deportation
on 01 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Leider haben sich nur sehr wenige Informationen zum Leben von Minna Seeliger erhalten. Sie wurde als Minna Brzezinski am 18. Mai 1889 in Inowrazlaw – das 1904 in Hohensalza umbenannte, heute polnische Inowrocław – in der damals preußischen Provinz Posen geboren. Über ihr Elternhaus, ihre Kindheit und Jugend in Inowrazlaw gibt es keine Zeugnisse. Weder die Namen ihrer Eltern, noch deren Lebensdaten sind überliefert. Es ist auch nicht bekannt, ob sie das einzige Kind ihrer Eltern blieb oder ob sie im Kreis von Geschwistern aufwuchs, welche Schule sie besuchte und ob sie eine Berufsausbildung erhielt. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde von Inowrazlaw, zu der im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts etwa 1.600 der gut 20.000 Einwohner zählten.

1913 heiratete die 24-jährige Minna Brzezinski den ein Jahr älteren Glasermeister Norbert Nachmann Seeliger. Norbert war im Mai 1888 in Stuhm (dem heutigen Sztum im Polen) geboren worden. 1914 kam das erste Kind des Ehepaares zur Welt, ihr Sohn Siegbert wurde in Hohensalza geboren. Im Juni 1916 folgte ihr zweiter Sohn Bodo, der im pommerschen Belgard (Białogard) zur Welt kam, wohin die Familie gezogen war und wo sie damals in der Jägerstraße 6 (heute ul. Kopernika) wohnte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Ehe zwischen Norbert und Minna Seeliger 1920 geschieden. Die Söhne blieben zunächst bei Verwandten in Mannheim, bis Norbert Seeliger sie 1924 zu sich holte. Er hatte wieder geheiratet und sich in Danzig (Gdańsk) als Glasermeister niedergelassen.

Wo Minna Seeliger in der Zeit der Weimarer Republik lebte, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Erst für 1936 sind wieder Informationen bekannt, als sie sich eine kleine Wohnung, die aus nicht mehr als einer Wohnküche bestand, in der dritten Etage der Marienstraße 25 in Berlin-Mitte nahm. Minna sollte nicht wieder heirateten. Sie lebte alleinstehend in Berlin und hatte zumindest zu ihrem Sohn Bodo, vermutlich aber auch zu Siegbert, seit ihrer Trennung keinen Kontakt mehr. Eine Bekannte von ihr berichtete später, dass sie in Berlin für Lohn und Kost als Hausschneiderin arbeitete und mit wenigen Unterbrechungen das ganze Jahr über tätig war. Kunden hätten bereits Monate im Voraus reservieren müssen, da sie sehr gefragt gewesen sei.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – hatten auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Minna Seeliger und ihre Angehörigen begonnen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Minna Seeliger zunehmend in die Position einer Rechtlosen im eigenen Land. Spätestens in den 1940er-Jahren wurde das Leben für sie in Berlin zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Spätestens seit den 1940er-Jahren war sie außerdem zu Zwangsarbeit herangezogen worden, zuletzt als Arbeiterin in den Pertrix-Werken in Niederschöneweide in der Sedanstraße 53a (dem heutigen Bruno-Bürgel-Weg). In der als kriegswichtig eingestuften Batteriefabrik wurden unter anderem Zünderbatterien für die Luftwaffe produziert.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Minna Seeliger wurde im Februar 1943 im Zuge der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurde sie am 1. März 1943 mit dem „31. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach der Ankunft des Transports – ermordet. Minna Seeliger war zum Zeitpunkt der Deportation 53 Jahre alt.

Auch ihr Sohn Siegbert überlebte die NS-Verfolgung nicht. Nach den Berichten eines Bekannten wurde er 1941 in Schabatz (Šabac) im damaligen Jugoslawien erschossen. Zusammen waren sie demnach zuvor unter den 50 Danzigern gewesen, die im Rahmen des insgesamt etwa 1000 Personen umfassenden Kladovo-Transports 1939 versuchten, das britische Mandatsgebiet Palästina zu erreichen, aber in Jugoslawien festgesetzt wurden. Nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien im April 1941 wurde die überwiegende Mehrzahl der in Šabac internierten Männer am 12./13. Oktober 1941 nahe Zasavica erschossen. Minnas Sohn Bodo Seeliger, der zuvor in Danzig gelebt hatte, gelang 1938 die Flucht nach Südamerika, wo er im Exil in Argentinien überlebte. Sein Vater Norbert Seeliger hatte sich ebenfalls 1938 über Bulgarien nach Palästina retten können.