Edith Samter

Location 
Mühlenstraße 2 a
District
Pankow
Stone was laid
18 September 2020
Born
13 June 1916 in Berlin
Forced Labour
Löterin (AEG Berlin)
Deportation
on 01 March 1943 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Edith Samter wurde am 13. Juni 1916 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Moritz Samter und der Wirtschafterin Frieda Hoffmann aus Tuchel geboren. Moritz Samter war schon einmal verheiratet gewesen, aus dieser Ehe stammte Ludwig, der 26 Jahre ältere Halbbruder. Ludwigs Mutter starb schon bald nach seiner Geburt. <br />
Erst zehn Jahre später heiratete Moritz Samter wieder. Nach mehreren Wohnungswechseln innerhalb von Pankow lebte die Familie seit 1912 dauerhaft in dem kurz zuvor neu gebauten Häuserkomplex Mühlenstraße 2/2a, genau genommen im Hinterhaus der 2a. Nun konnte die Familie größer werden. 1915 wurde Sohn Walter geboren, 1916 dann die Tochter Edith.<br />
Ludwig war in der Zwischenzeit schon längst als Kaufmann in die Fußstapfen seines Vaters getreten; die beiden „Kleinen“ verlebten eine glückliche Kindheit im Innenhof des modernen Häuserkomplexes. Ein Nachbarskind aus dieser Zeit erinnerte sich 20 Jahre später: „Ich hätte auch nie gedacht, wenn ich an unsere rosige Kindheit denke, dass wir mal so getrennt voneinander werden.“ (Elisabeth Nimitzscheck, 1946). <br />
Von 1928 an war Frieda Samter als Witwe im Adressbuch verzeichnet. Ihr Mann Moritz war im Dezember 1926 im Alter von 78 Jahren im Städtischen Krankenhaus Pankow gestorben. Da waren die „Kleinen“ erst zehn und elf Jahre alt. Zum Glück wurden Frieda, Walter und Edith durch ihren Halbbruder Ludwig sehr unterstützt. Er wohnte inzwischen auch wieder in der Mühlenstraße 2a, und gemeinsam konnten sie die Wohnung bis 1934 halten. Dann mussten sie raus. Nun zogen sie in eine einfachere Wohnung in der Schulzestraße 21. Sie bekamen zu spüren, dass sie Juden waren. Aber es gab auch Nachbarn, die sie unterstützten: das Ehepaar Kutzera, das im selben Haus einen Lebensmittelbetrieb hatte, oder die Spielkameradin Nimitzscheck aus der Mühlenstraße, deren Eltern in der Zwischenzeit ein Süßwarengeschäft in der Wollankstraße führten. <br />
Im März 1938 starb Frieda Samter nach einem Oberschenkelhalsbruch im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße. Dass sich ihr Sohn Walter trotzdem nur wenige Monate später, im August 1938, mit Ursula Kastan aus Wilmersdorf verlobte, hatte einen besonderen Grund: Beide waren in jüdischen Pfadfindergruppen um Kurt Julius Riegner und Günter Friedländer aktiv, in denen die Emigration nach Argentinien vorbereitet wurde, und im Oktober 1938 flüchteten sie über Italien nach Argentinien.<br />
Edith Samter und ihr Bruder Ludwig wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Ludwig arbeitete auf dem Bau. 1941 wurde er nach Riga deportiert und dort sofort im Wald von Rumbula erschossen.<br />
Edith Samter arbeitete als Löterin bei der AEG. Wie ihr Bruder Walter hatte auch sie sich verlobt. Aber ihr Verlobter Gerd war ohne sie, weil sie nicht weggehen wollte, nach England emigriert. Erst schrieb er ihr noch Briefe, dann nicht mehr. Edith schrieb an ihren Bruder Walter, der inzwischen in Buenos Aires Ursula Kastan geheiratet hatte, wehmütige Briefe. Am 6. August 1939, also kurz bevor die letzten Fluchtmöglichkeiten verschlossen wurden: „Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ursels Freundin für mich pro Forma das Permit einreichen würde. ... Es dauert alles so schrecklich lange!! Gerd konnte trotz aller Mühe noch nichts für mich tun.“ Und dann noch einmal am 12. April 1942: „Gerd hat seit ca. 5 Wochen nicht geschrieben. ... Ich bin so verzweifelt; da bei mir die Sorgen nicht abreißen; doch das allerschlimmste ist; daß ich so mutterseelen alleine leben muß; und es nicht einen Menschen gibt; der mein zu Hause kannte; und mit dem ich mich mal aussprechen könnte. Ich wohne seit Mitte Januar in Schöneberg; Elssholzstr 17; an der Grunewaldstraße; und habe ein sehr nettes Zimmer; bei sehr feinen Menschen, in einem gepflegten Haushalt. Wenigstens hatte ich in dieser Beziehung mal etwas Glück. Sonst arbeite ich weiter fleißig, abends lese ich mal ein gutes Buch; um ja nicht etwas zum Denken zu kommen; da sonst in einem Heulen bleiben könnte."<br />
Am 27. Februar 1943 wurde Edith Samter im Zuge der „Fabrik-Aktion“ direkt an ihrem Arbeitsplatz bei der AEG abgeholt und zusammen mit 1721 anderen am 1. März in die Gaskammern von Auschwitz transportiert.<br />
In Yad Vashem ist es für Edith – wie für ihren Halbbruder Ludwig – ein Gedenkblatt hinterlegt, ausgestellt in London am 29. Oktober 1979 von ihrem ehemaligen Verlobten Gerhard Lichtstern. <br />
In Buenos Aires lebt Claudia Samter, die Tochter von Bruder Walter, der 2007 mit 92 Jahren gestorben ist. Sie hat die Steine für ihre Tante und ihren Onkel beantragt und wollte unbedingt zur Stolpersteinverlegung nach Pankow kommen; Corona hat es unmöglich gemacht.<br />

Edith Samter wurde am 13. Juni 1916 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Moritz Samter und der Wirtschafterin Frieda Hoffmann aus Tuchel geboren. Moritz Samter war schon einmal verheiratet gewesen, aus dieser Ehe stammte Ludwig, der 26 Jahre ältere Halbbruder. Ludwigs Mutter starb schon bald nach seiner Geburt.
Erst zehn Jahre später heiratete Moritz Samter wieder. Nach mehreren Wohnungswechseln innerhalb von Pankow lebte die Familie seit 1912 dauerhaft in dem kurz zuvor neu gebauten Häuserkomplex Mühlenstraße 2/2a, genau genommen im Hinterhaus der 2a. Nun konnte die Familie größer werden. 1915 wurde Sohn Walter geboren, 1916 dann die Tochter Edith.
Ludwig war in der Zwischenzeit schon längst als Kaufmann in die Fußstapfen seines Vaters getreten; die beiden „Kleinen“ verlebten eine glückliche Kindheit im Innenhof des modernen Häuserkomplexes. Ein Nachbarskind aus dieser Zeit erinnerte sich 20 Jahre später: „Ich hätte auch nie gedacht, wenn ich an unsere rosige Kindheit denke, dass wir mal so getrennt voneinander werden.“ (Elisabeth Nimitzscheck, 1946).
Von 1928 an war Frieda Samter als Witwe im Adressbuch verzeichnet. Ihr Mann Moritz war im Dezember 1926 im Alter von 78 Jahren im Städtischen Krankenhaus Pankow gestorben. Da waren die „Kleinen“ erst zehn und elf Jahre alt. Zum Glück wurden Frieda, Walter und Edith durch ihren Halbbruder Ludwig sehr unterstützt. Er wohnte inzwischen auch wieder in der Mühlenstraße 2a, und gemeinsam konnten sie die Wohnung bis 1934 halten. Dann mussten sie raus. Nun zogen sie in eine einfachere Wohnung in der Schulzestraße 21. Sie bekamen zu spüren, dass sie Juden waren. Aber es gab auch Nachbarn, die sie unterstützten: das Ehepaar Kutzera, das im selben Haus einen Lebensmittelbetrieb hatte, oder die Spielkameradin Nimitzscheck aus der Mühlenstraße, deren Eltern in der Zwischenzeit ein Süßwarengeschäft in der Wollankstraße führten.
Im März 1938 starb Frieda Samter nach einem Oberschenkelhalsbruch im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße. Dass sich ihr Sohn Walter trotzdem nur wenige Monate später, im August 1938, mit Ursula Kastan aus Wilmersdorf verlobte, hatte einen besonderen Grund: Beide waren in jüdischen Pfadfindergruppen um Kurt Julius Riegner und Günter Friedländer aktiv, in denen die Emigration nach Argentinien vorbereitet wurde, und im Oktober 1938 flüchteten sie über Italien nach Argentinien.
Edith Samter und ihr Bruder Ludwig wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Ludwig arbeitete auf dem Bau. 1941 wurde er nach Riga deportiert und dort sofort im Wald von Rumbula erschossen.
Edith Samter arbeitete als Löterin bei der AEG. Wie ihr Bruder Walter hatte auch sie sich verlobt. Aber ihr Verlobter Gerd war ohne sie, weil sie nicht weggehen wollte, nach England emigriert. Erst schrieb er ihr noch Briefe, dann nicht mehr. Edith schrieb an ihren Bruder Walter, der inzwischen in Buenos Aires Ursula Kastan geheiratet hatte, wehmütige Briefe. Am 6. August 1939, also kurz bevor die letzten Fluchtmöglichkeiten verschlossen wurden: „Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ursels Freundin für mich pro Forma das Permit einreichen würde. ... Es dauert alles so schrecklich lange!! Gerd konnte trotz aller Mühe noch nichts für mich tun.“ Und dann noch einmal am 12. April 1942: „Gerd hat seit ca. 5 Wochen nicht geschrieben. ... Ich bin so verzweifelt; da bei mir die Sorgen nicht abreißen; doch das allerschlimmste ist; daß ich so mutterseelen alleine leben muß; und es nicht einen Menschen gibt; der mein zu Hause kannte; und mit dem ich mich mal aussprechen könnte. Ich wohne seit Mitte Januar in Schöneberg; Elssholzstr 17; an der Grunewaldstraße; und habe ein sehr nettes Zimmer; bei sehr feinen Menschen, in einem gepflegten Haushalt. Wenigstens hatte ich in dieser Beziehung mal etwas Glück. Sonst arbeite ich weiter fleißig, abends lese ich mal ein gutes Buch; um ja nicht etwas zum Denken zu kommen; da sonst in einem Heulen bleiben könnte."
Am 27. Februar 1943 wurde Edith Samter im Zuge der „Fabrik-Aktion“ direkt an ihrem Arbeitsplatz bei der AEG abgeholt und zusammen mit 1721 anderen am 1. März in die Gaskammern von Auschwitz transportiert.
In Yad Vashem ist es für Edith – wie für ihren Halbbruder Ludwig – ein Gedenkblatt hinterlegt, ausgestellt in London am 29. Oktober 1979 von ihrem ehemaligen Verlobten Gerhard Lichtstern.
In Buenos Aires lebt Claudia Samter, die Tochter von Bruder Walter, der 2007 mit 92 Jahren gestorben ist. Sie hat die Steine für ihre Tante und ihren Onkel beantragt und wollte unbedingt zur Stolpersteinverlegung nach Pankow kommen; Corona hat es unmöglich gemacht.