Philipp Braunhart

Location 
Eisenbahnstr. 36
District
Kreuzberg
Stone was laid
07 October 2020
Born
19 December 1891 in Schubin (Posen) / Szubin
Occupation
Schneider
Verhaftet
May 1942 in Sachsenhausen
Murdered
06 July 1942 in Sachsenhausen

Bernhard Philipp Braunhart kam am 19. Dezember 1891 in Schubin (heute Szubin / Polen) in der preußischen Provinz Posen als Sohn des jüdischen Kürschnermeisters Alexander Benedikt Braunhart und seiner Frau Helene, geb. Baszynska, zur Welt. Schubin liegt etwa 95 km nordöstlich der Stadt Posen. Philipp war das achte von elf Kindern, die zwischen circa 1880 und 1902 geboren wurden. Vier seiner Geschwister wanderten bereits als junge Erwachsene in die USA aus.<br />
Philipp Braunhart erlernte den Beruf des Schneiders. Er übersiedelte mit seiner Familie nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin, nachdem seine Heimatstadt Schubin mit dem Friedensvertrag von Versailles polnisch geworden war. Die Familie lebte zunächst in der Holzmarktstraße 50a in Mitte.<br />
Der Schneidermeister Philipp Braunhart heiratete am 17. Januar 1925 die Putzfacharbeiterin Else Marie Schmalenbach, geboren am 24. April 1902 in Berlin. Das Paar bekam drei Kinder: Horst (*1925), Gisela (*1930) und Bernhard (*1931). Die Kinder wurden wie ihre Mutter evangelisch getauft.<br />
Die Familie lebte ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre im südöstlichen Friedrichshain: in der Scharnweber- und der Blumenthalstraße (heute Kinzigstraße). 1932 zogen sie nach Kreuzberg in die Eisenbahnstraße 33, ein Jahr später in das Nebenhaus Nr. 34. Dort betrieb Philipp Braunhart eine Maßschneiderei für Herren und Damen.<br />
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten änderte sich das Leben für die Familie Braunhart schlagartig. Sohn Horst erinnert sich: „Es begann damit, dass sich gute Freunde und Kunden plötzlich zurückzogen […] Ich werde es nie vergessen, wie ich als 7-Jähriger aus der Schule kam und vor unserem Geschäft ein SA-Posten mit einem Schild ‚Kauft nicht beim Juden‘ sah. Fenster und Wände waren mit den damals üblichen Beschimpfungen beschmiert. Im Laufe der nächsten Jahre zog sich die Kundschaft immer mehr zurück und zuletzt kamen nur noch einige sehr beherzte Kunden durch den Hintereingang. Kunden, von denen bekannt wurde, dass sie bei meinem Vater arbeiten ließen, wurden von der NSDAP vorgeladen und bedroht. Später wurde das Geschäft mit großen Buchstaben „ISRAEL BRAUNHART“ als jüdisch gekennzeichnet. 1940 wurde es geschlossen und meine Eltern zum Verlassen der Wohnung gezwungen. Mein Vater durfte seinen Beruf nicht mehr ausüben […]“ <br />
Philipp Braunhart wurde als Lagerarbeiter im Inventarhaus des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ zwangsverpflichtet. Seine Kinder wurden als sogenannte jüdische Mischlinge durch verschiedene Gesetze an dem Besuch einer höheren Schule gehindert oder dazu gezwungen, die Schule abzubrechen.<br />
Da die Braunharts von den Behörden keinen Wohnraum zugewiesen bekamen, nahm Else Braunhart die Portiersstelle im Haus Eisenbahnstraße 32 an. Dadurch bekam die fünfköpfige Familie im selben Haus eine Ein-Zimmer-Wohnung und Else Braunhart konnte zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Doch einige der Bewohner der Eisenbahnstraße 32 lehnten es offenbar ab, mit einem Juden im selben Haus zu wohnen. Als sie darauf bestanden, dass dieser die Wohnung verlassen müsse, sahen sich Else und Philipp Braunhart gezwungen, die Scheidung einzureichen. Sie wollten dadurch auch ihre Kinder davor schützen, als „Volljuden“ behandelt und deportiert zu werden. Else Braunhart muss bewusst gewesen sein, dass die Scheidung für ihren Mann das Todesurteil bedeutete, und hat sich dies, laut ihrer Enkelin, ihr Leben lang nicht verzeihen können. Die Familie versuchte weiterhin zusammenzuhalten, der Sohn schildert nach dem Krieg gegenüber dem Entschädigungsamt: „Am 25. März 1942 wurde die Scheidung meiner Eltern ausgesprochen und mein Vater blieb noch bis zum 30. April 1942 bei uns wohnen. Die Scheidung war auch in der Nachbarschaft bekannt geworden und da mein Vater nun nicht aus der Gegend verschwand, setzte erneut Druck von allen Seiten ein […] Durch eine ultimative Drohung des Blockwarts im Auftrag der Ortsgruppe der NSDAP, dass – sofern mein Vater zum 1. Mai 1942 nicht die Wohnung verlässt – die ganze Familie diese am gleichen Tag räumen müsse, sah mein Vater keine andere Möglichkeit, als eine andere Unterkunft für sich zu suchen.“<br />
Philipp Braunhart wohnte zuletzt als Untermieter in der Holzmarktstraße 37. Er wurde Ende Mai 1942 festgenommen – die genauen Umstände seiner Verhaftung sind nicht bekannt – und nach Sachsenhausen verschleppt. In den Unterlagen des Entschädigungsamtes befindet sich eine Postkarte, die Philipp Braunhart von dort wenige Tage vor seinem Tod an seine Schwägerin Lucie Braunhardt schrieb; sie trägt den Poststempel vom 4. Juli 1942: „Meine sehr lieben Kinder, Mutti und alle Verwandten, ich bin gesund und hoffe von Euch allen dasselbe. Will hoffen, dass Ihr meinen Lohn bekommen habt. Wenn es möglich ist, seid doch so gut und schickt mir Wollstrümpfe. Bleibt alle gesund und lasst bald etwas von Euch hören. Seid herzlichst gegrüßt von Eurem liebenden Vater“.<br />
Philipp Braunhart wurde am 6. Juli 1942 in Sachsenhausen ermordet. Auf der Sterbeurkunde ist als Todesursache „Herz- und Kreislaufschwäche“ angegeben. Seiner Frau schickte man die Urne mit der Asche. Er wurde am 9. August 1942 auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee bestattet.<br />
Philipp Braunharts älterer Bruder Julius, geboren 1885, wurde am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 23. März 1943 ums Leben kam.<br />
Eine Schwester war noch Ende der 1930er-Jahre nach England ausgewandert, ein Bruder 1939 nach New York emigriert, ein anderer Bruder nach Shanghai. Eine Schwester überlebte die Shoah in Deutschland, weil sie durch ihre Ehe mit einem „Arier“ geschützt war. <br />
Philipp Braunharts Witwe verdiente nach dem Krieg ihren Lebensunterhalt als Schneiderin und heiratete 1948 erneut. Sie starb 1983 in Berlin-Kreuzberg.<br />

Bernhard Philipp Braunhart kam am 19. Dezember 1891 in Schubin (heute Szubin / Polen) in der preußischen Provinz Posen als Sohn des jüdischen Kürschnermeisters Alexander Benedikt Braunhart und seiner Frau Helene, geb. Baszynska, zur Welt. Schubin liegt etwa 95 km nordöstlich der Stadt Posen. Philipp war das achte von elf Kindern, die zwischen circa 1880 und 1902 geboren wurden. Vier seiner Geschwister wanderten bereits als junge Erwachsene in die USA aus.
Philipp Braunhart erlernte den Beruf des Schneiders. Er übersiedelte mit seiner Familie nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin, nachdem seine Heimatstadt Schubin mit dem Friedensvertrag von Versailles polnisch geworden war. Die Familie lebte zunächst in der Holzmarktstraße 50a in Mitte.
Der Schneidermeister Philipp Braunhart heiratete am 17. Januar 1925 die Putzfacharbeiterin Else Marie Schmalenbach, geboren am 24. April 1902 in Berlin. Das Paar bekam drei Kinder: Horst (*1925), Gisela (*1930) und Bernhard (*1931). Die Kinder wurden wie ihre Mutter evangelisch getauft.
Die Familie lebte ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre im südöstlichen Friedrichshain: in der Scharnweber- und der Blumenthalstraße (heute Kinzigstraße). 1932 zogen sie nach Kreuzberg in die Eisenbahnstraße 33, ein Jahr später in das Nebenhaus Nr. 34. Dort betrieb Philipp Braunhart eine Maßschneiderei für Herren und Damen.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten änderte sich das Leben für die Familie Braunhart schlagartig. Sohn Horst erinnert sich: „Es begann damit, dass sich gute Freunde und Kunden plötzlich zurückzogen […] Ich werde es nie vergessen, wie ich als 7-Jähriger aus der Schule kam und vor unserem Geschäft ein SA-Posten mit einem Schild ‚Kauft nicht beim Juden‘ sah. Fenster und Wände waren mit den damals üblichen Beschimpfungen beschmiert. Im Laufe der nächsten Jahre zog sich die Kundschaft immer mehr zurück und zuletzt kamen nur noch einige sehr beherzte Kunden durch den Hintereingang. Kunden, von denen bekannt wurde, dass sie bei meinem Vater arbeiten ließen, wurden von der NSDAP vorgeladen und bedroht. Später wurde das Geschäft mit großen Buchstaben „ISRAEL BRAUNHART“ als jüdisch gekennzeichnet. 1940 wurde es geschlossen und meine Eltern zum Verlassen der Wohnung gezwungen. Mein Vater durfte seinen Beruf nicht mehr ausüben […]“
Philipp Braunhart wurde als Lagerarbeiter im Inventarhaus des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ zwangsverpflichtet. Seine Kinder wurden als sogenannte jüdische Mischlinge durch verschiedene Gesetze an dem Besuch einer höheren Schule gehindert oder dazu gezwungen, die Schule abzubrechen.
Da die Braunharts von den Behörden keinen Wohnraum zugewiesen bekamen, nahm Else Braunhart die Portiersstelle im Haus Eisenbahnstraße 32 an. Dadurch bekam die fünfköpfige Familie im selben Haus eine Ein-Zimmer-Wohnung und Else Braunhart konnte zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Doch einige der Bewohner der Eisenbahnstraße 32 lehnten es offenbar ab, mit einem Juden im selben Haus zu wohnen. Als sie darauf bestanden, dass dieser die Wohnung verlassen müsse, sahen sich Else und Philipp Braunhart gezwungen, die Scheidung einzureichen. Sie wollten dadurch auch ihre Kinder davor schützen, als „Volljuden“ behandelt und deportiert zu werden. Else Braunhart muss bewusst gewesen sein, dass die Scheidung für ihren Mann das Todesurteil bedeutete, und hat sich dies, laut ihrer Enkelin, ihr Leben lang nicht verzeihen können. Die Familie versuchte weiterhin zusammenzuhalten, der Sohn schildert nach dem Krieg gegenüber dem Entschädigungsamt: „Am 25. März 1942 wurde die Scheidung meiner Eltern ausgesprochen und mein Vater blieb noch bis zum 30. April 1942 bei uns wohnen. Die Scheidung war auch in der Nachbarschaft bekannt geworden und da mein Vater nun nicht aus der Gegend verschwand, setzte erneut Druck von allen Seiten ein […] Durch eine ultimative Drohung des Blockwarts im Auftrag der Ortsgruppe der NSDAP, dass – sofern mein Vater zum 1. Mai 1942 nicht die Wohnung verlässt – die ganze Familie diese am gleichen Tag räumen müsse, sah mein Vater keine andere Möglichkeit, als eine andere Unterkunft für sich zu suchen.“
Philipp Braunhart wohnte zuletzt als Untermieter in der Holzmarktstraße 37. Er wurde Ende Mai 1942 festgenommen – die genauen Umstände seiner Verhaftung sind nicht bekannt – und nach Sachsenhausen verschleppt. In den Unterlagen des Entschädigungsamtes befindet sich eine Postkarte, die Philipp Braunhart von dort wenige Tage vor seinem Tod an seine Schwägerin Lucie Braunhardt schrieb; sie trägt den Poststempel vom 4. Juli 1942: „Meine sehr lieben Kinder, Mutti und alle Verwandten, ich bin gesund und hoffe von Euch allen dasselbe. Will hoffen, dass Ihr meinen Lohn bekommen habt. Wenn es möglich ist, seid doch so gut und schickt mir Wollstrümpfe. Bleibt alle gesund und lasst bald etwas von Euch hören. Seid herzlichst gegrüßt von Eurem liebenden Vater“.
Philipp Braunhart wurde am 6. Juli 1942 in Sachsenhausen ermordet. Auf der Sterbeurkunde ist als Todesursache „Herz- und Kreislaufschwäche“ angegeben. Seiner Frau schickte man die Urne mit der Asche. Er wurde am 9. August 1942 auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee bestattet.
Philipp Braunharts älterer Bruder Julius, geboren 1885, wurde am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 23. März 1943 ums Leben kam.
Eine Schwester war noch Ende der 1930er-Jahre nach England ausgewandert, ein Bruder 1939 nach New York emigriert, ein anderer Bruder nach Shanghai. Eine Schwester überlebte die Shoah in Deutschland, weil sie durch ihre Ehe mit einem „Arier“ geschützt war.
Philipp Braunharts Witwe verdiente nach dem Krieg ihren Lebensunterhalt als Schneiderin und heiratete 1948 erneut. Sie starb 1983 in Berlin-Kreuzberg.