Juda Julius Mielzynski

Location 
Fehrbelliner Straße 33
District
Mitte
Stone was laid
09 November 2021
Born
22 February 1900 in Peisern (Posen) / Pyzdry
Verhaftet
1942 to 1942 in Sachsenhausen
Murdered
16 March 1942 in Sachsenhausen

Außer den Namen wissen wir wenig über sie. Sie lebten in unserem Haus, bevor Lucie und ihre siebenjährige Tochter Eva im Januar 1943 nach Auschwitz deportiert wurden. Juda Julius wurde 1942 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und musste im berüchtigten Großziegelwerk Oranienburg schwerste Zwangsarbeit verrichten, die er nicht überlebte. Lucie und Juda Julius stammten aus dem heutigen Polen. Irgendwann wählten sie Berlin als ihre Heimat und als Geburtsort für ihre Tochter Eva.

Die Namen der Familie und die Adresse unseres Hauses Fehrbelliner Straße 33 stehen auf der Deportationsliste aus dem Archiv. Allein das Wort Deportationsliste ist ungeheuerlich. Als ob es normal wäre, dass deportiert wird, dass Listen angelegt werden. Erschütternd ist es dann, die Dokumente vor Augen zu haben: Namen, Nummern. Haken, die ein „Erledigt“ andeuten.

Das Verbindende ist unser Haus. Das Verbindende ist unsere Geschichte. Ich stelle mir vor, wie Lucie und Juda Julius in unser Haus zogen. Wie Eva auf die Welt kam und die Nachbarn sie beglückwünschten. Eva spielte mit den Kindern im Hof, so wie heute unsere Kinder im Hof spielen. Sie lachten, weinten, sangen, feierten, schliefen und aßen in den Räumen, in denen wir heute leben.

Ich stelle mir vor, wie der Vater eines Nachts abgeholt wird. Abgeholt, wie verharmlosend. Verschleppt, entführt, geraubt. Waren Mutter und Tochter allein? Gab es tröstende Worte der Nachbarn, der Freunde? Haben sie von seinem Tod erfahren oder hofften sie auf ein Wiedersehen bis zu dem Tag im Januar, an dem sie verschleppt, entführt, geraubt wurden.

Und noch Rose Ausländer:

Geisterweg
Giftige Geister lauern am Weg.
Wir gehen schräg
Um sie nicht zu berühren.

Wir stehen vor versiegelten Türen.

Es war unser Haus. Es war
unser Garten, mit feingekämmtem Haar.
Es war Mutterduft, es war.

Wir kehren um, gehen schräg
den giftigschwarzen Weg
ins Getto.

Rose Ausländer hat mit Ihrer Mutter die Shoah überlebt. Wir gedenken heute all derer, die nicht überlebt haben. Wir stehen heute hier zusammen, Nachbarn, Freunde, Verwandte, Passanten. Wir stehen vor diesem Haus, weil es uns wichtig ist, die Namen der Ermordeten den Listen zu entreißen und hier zu erinnern und zu ehren:

Lucie, Juda Julius und Eva Mielzynski.

 

Außer den Namen wissen wir wenig über Juda JuliusMielzynski und seine Familie. Sie lebten in unserem Haus, bevor seine Ehefrau Lucie und die siebenjährige Tochter Eva im Januar 1943 nach Auschwitz deportiert wurden. Juda Julius wurde bereits 1942 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und musste im berüchtigten Großziegelwerk Oranienburg schwerste Zwangsarbeit verrichten, die er nicht überlebte. Lucie und Juda Julius stammten aus dem heutigen Polen. Irgendwann wählten sie Berlin als ihre Heimat. Es wurde auch der Geburtsort für ihre Tochter Eva.

Die Namen der Familie und die Adresse unseres Hauses, Fehrbelliner Straße 33, stehen auf der Deportationsliste aus dem Archiv. Allein das Wort Deportationsliste ist ungeheuerlich. Als ob es normal wäre, dass deportiert wird, dass Listen angelegt werden. Erschütternd ist es dann, die Dokumente vor Augen zu haben: Namen, Nummern. Haken, die ein „Erledigt“ andeuten.

Das Verbindende ist unser Haus. Das Verbindende ist unsere Geschichte. Ich stelle mir vor, wie Lucie und Juda Julius in unser Haus zogen. Wie Eva auf die Welt kam und die Nachbarn sie beglückwünschten. Eva spielte mit den Kindern im Hof, so wie heute unsere Kinder im Hof spielen. Sie lachten, weinten, sangen, feierten, schliefen und aßen in den Räumen, in denen wir heute leben.

Ich stelle mir vor, wie der Vater eines Nachts abgeholt wird. Waren Mutter und Tochter allein? Gab es tröstende Worte der Nachbarn, der Freunde? Haben sie von seinem Tod erfahren oder hofften sie auf ein Wiedersehen bis zu dem Tag im Januar, an dem sie selbst verschleppt wurden.

Und noch Rose Ausländer:

Geisterweg
Giftige Geister lauern am Weg.
Wir gehen schräg
Um sie nicht zu berühren.

Wir stehen vor versiegelten Türen.

Es war unser Haus. Es war
unser Garten, mit feingekämmtem Haar.
Es war Mutterduft, es war.

Wir kehren um, gehen schräg
den giftigschwarzen Weg
ins Getto.

Rose Ausländer hat mit Ihrer Mutter die Shoah überlebt. Wir gedenken heute all derer, die nicht überlebt haben. Wir stehen heute hier zusammen, Nachbarn, Freunde, Verwandte, Passanten. Wir stehen vor diesem Haus, weil es uns wichtig ist, die Namen der Ermordeten den Listen zu entreißen und hier zu erinnern und zu ehren:

Lucie, Juda Julius und Eva Mielzynski.