Location
Giesebrechtstr. 12
District
Charlottenburg
Stone was laid
08 May 2011
Born
09 May 1901 in Berlin
Deportation
on 06 March 1943
to
Auschwitz
Murdered
in Auschwitz
Im Mai 1901 meldete der Handlungsgehilfe Isidor Grünberg beim Berliner Standesamt, dass am 9. des Monats seine Ehefrau Flora Grünberg geb. Blumenthal ein Mädchen zur Welt gebracht hätte, das sie Gertrud nannten. Isidor und Flora waren seit 1 ½ Jahren verheiratet und Gertrud Grünberg war ihr erstes Kind. Das Ehepaar wohnte in der Lothringer Straße 109 (heute Torstraße, östlicher Teil). Als im Februar 1905 die zweite Tochter, Lucie Cäcilie, geboren wurde, lebte die Familie in der Brunsberger Straße 5 (heute Hans-Otto-Straße). Im Juni 1907 kam Charlotte, die dritte Tochter, zur Welt, da waren Grünbergs bereits nach Lichtenberg gezogen, in die Pfarrstraße 73. Und als Gertrud 10 oder 11 Jahre alt war, zogen sie noch einmal um, diesmal nach Karlshorst, Treskowallee 69. Aus uns unbekannten Gründen ließ sich Isidor Grünberg im Adressbuch bis Mitte der 20er Jahre – und vereinzelt auch danach – als „Louis Grünberg“ eintragen, obwohl keines der vorhandenen Dokumente belegt, dass er mehrere Vornamen gehabt hätte.
In der Treskowallee 69 wohnte Gertrud mit ihren Eltern bis sie am 9. November 1921 den fünf Jahre älteren Bruno Schoeler heiratete. Er wohnte in der Treskowallee 65, vermutlich zur Untermiete, denn sein Vater, der Sattlermeisters Emil Schoeler, lebte in Adlershof, Waldstraße 22. Bruno gab als Beruf „Vertreter“ an, Gertrud hatte Putzmacherin gelernt, also Hutmacherin, ein damals beliebter Beruf für Frauen. Vermutlich hat sie ihn nach der Heirat aufgegeben. Die Heiratsurkunde enthält keine Religionsbezeichnung, es scheint aber, dass Bruno Schoeler kein Jude war. Wo das Ehepaar Schoeler zunächst wohnte, ist unbekannt, vielleicht bei einer der Elternfamilien oder anderswo zur Untermiete. Mit einer eigenen Wohnung erscheint Bruno Schoeler im Adressbuch erst 1930, ebenfalls in Karlshorst, Weseler Straße 22. Zwei Jahre später, im Dezember 1932, wurde die Ehe geschieden - wir können nur spekulieren, ob das etwas mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und Gertruds Religionszugehörigkeit zu tun haben könnte. Soweit wir wissen, hatten Gertrud und Bruno keine Kinder.
Bruno blieb in der Weseler Straße, Gertrud zog vielleicht wieder zu ihren Eltern, die noch 1939 in der Treskowallee lebten, als bei der Volkszählung vom 17. Mai Juden extra in einer „Ergänzungskartei“ erfasst wurden. In dieser Kartei finden wir Gertrud allerdings am anderen Ende der Stadt, in Charlottenburg und dort in der Giesebrechtstraße 12, zur Untermiete bei Familie Wechselmann. Wechselmanns hatten aber erst ein Jahr zuvor hier eine Wohnung bezogen.
Die diskriminierende separate Erfassung von Juden war bei Weitem nicht die einzige antisemitische Maßnahme der NS-Regierung. Zahlreiche Verordnungen und Verbote, die meisten davon nach den Pogromen vom November 1938 erlassen, machten Juden das Leben unerträglich. Sie sollten völlig aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt werden. Auch ihr Wohnrecht wurde stark eingeschränkt, Juden hatten Wohnraum für Nichtjuden freizumachen und wurden bei anderen Juden zwangseingewiesen. Auch Gertrud konnte nicht in der Giesebrechtstraße bleiben, ihre letzte Adresse lautete: bei Bernstein, Bischofstraße 9, eine inzwischen verschwundene Straße östlich der Marienkirche in Mitte. Die Verfolgung der Juden gipfelte ab Oktober 1941 in Deportation und direkter Ermordung. Am 18. Oktober fand die erste euphemistisch „Aussiedlung“ genannte Aktion statt, die Verschleppung in das Ghetto Lodz. Gertrud musste erleben, wie ihre Eltern am 24. Oktober mit dem 2. Zug nach Lodz deportiert wurden. Die dortigen unbeschreiblich schlechten Lebensumstände machten ein Überleben höchst unwahrscheinlich. Isidor erlag ihnen am 19. Februar 1942, Flora überlebte ihn um wenige Monate, sie starb am 13. Mai dieses Jahres.
Gertrud war sicherlich, wie die meisten für arbeitsfähig erachteten Juden, zur Zwangsarbeit verpflichtet. Darauf deutet auch hin, dass sie offensichtlich ein Opfer der sogenannten „Fabrikaktion“ wurde, als 1943 die Nationalsozialisten beschlossen, Ende Februar alle noch im Reich verbliebene Juden ohne Vorwarnung am Arbeitsplatz zu verhaften und zu deportieren. In Berlin betraf das über 15 000 Juden. Am 27. Februar riegelte die Gestapo morgens über 100 Betriebe ab und verhaftete die Zwangsarbeiter. Einige konnten noch in letzter Minute flüchten, andere waren gewarnt worden und erschienen nicht zur Arbeit. Anschließend mussten sie versuchen, im Untergrund illegal zu überleben. Rund 8 000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurden in Berlin verhaftet und in Sammellagern interniert. Sie wurden in den folgenden fünf „Transporten“ nach Auschwitz deportiert und dort weitgehend ermordet.
Das Schicksal von Gertrud Schoeler gibt jedoch Rätsel auf. Sie war für die Deportation am 6. März 1943 vorgesehen und ihr Name steht auch auf der Deportationsliste unter der Nr. 139. Dahinter aber befindet sich der Vermerk „fehlt siehe Zettel“. Leider ist der „Zettel“ nicht mehr vorhanden. Nach dem Krieg notierte das American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC): „Freitod oder illegal gelebt“. Überlebt hat sie jedenfalls nicht.
Gertruds Schwester Lucie, verheiratete Schmidt, überlebte laut Bundesarchiv-Residentenliste den Krieg. Das Schicksal ihrer Schwester Charlotte konnte nicht ermittelt werden.
In der Treskowallee 69 wohnte Gertrud mit ihren Eltern bis sie am 9. November 1921 den fünf Jahre älteren Bruno Schoeler heiratete. Er wohnte in der Treskowallee 65, vermutlich zur Untermiete, denn sein Vater, der Sattlermeisters Emil Schoeler, lebte in Adlershof, Waldstraße 22. Bruno gab als Beruf „Vertreter“ an, Gertrud hatte Putzmacherin gelernt, also Hutmacherin, ein damals beliebter Beruf für Frauen. Vermutlich hat sie ihn nach der Heirat aufgegeben. Die Heiratsurkunde enthält keine Religionsbezeichnung, es scheint aber, dass Bruno Schoeler kein Jude war. Wo das Ehepaar Schoeler zunächst wohnte, ist unbekannt, vielleicht bei einer der Elternfamilien oder anderswo zur Untermiete. Mit einer eigenen Wohnung erscheint Bruno Schoeler im Adressbuch erst 1930, ebenfalls in Karlshorst, Weseler Straße 22. Zwei Jahre später, im Dezember 1932, wurde die Ehe geschieden - wir können nur spekulieren, ob das etwas mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und Gertruds Religionszugehörigkeit zu tun haben könnte. Soweit wir wissen, hatten Gertrud und Bruno keine Kinder.
Bruno blieb in der Weseler Straße, Gertrud zog vielleicht wieder zu ihren Eltern, die noch 1939 in der Treskowallee lebten, als bei der Volkszählung vom 17. Mai Juden extra in einer „Ergänzungskartei“ erfasst wurden. In dieser Kartei finden wir Gertrud allerdings am anderen Ende der Stadt, in Charlottenburg und dort in der Giesebrechtstraße 12, zur Untermiete bei Familie Wechselmann. Wechselmanns hatten aber erst ein Jahr zuvor hier eine Wohnung bezogen.
Die diskriminierende separate Erfassung von Juden war bei Weitem nicht die einzige antisemitische Maßnahme der NS-Regierung. Zahlreiche Verordnungen und Verbote, die meisten davon nach den Pogromen vom November 1938 erlassen, machten Juden das Leben unerträglich. Sie sollten völlig aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt werden. Auch ihr Wohnrecht wurde stark eingeschränkt, Juden hatten Wohnraum für Nichtjuden freizumachen und wurden bei anderen Juden zwangseingewiesen. Auch Gertrud konnte nicht in der Giesebrechtstraße bleiben, ihre letzte Adresse lautete: bei Bernstein, Bischofstraße 9, eine inzwischen verschwundene Straße östlich der Marienkirche in Mitte. Die Verfolgung der Juden gipfelte ab Oktober 1941 in Deportation und direkter Ermordung. Am 18. Oktober fand die erste euphemistisch „Aussiedlung“ genannte Aktion statt, die Verschleppung in das Ghetto Lodz. Gertrud musste erleben, wie ihre Eltern am 24. Oktober mit dem 2. Zug nach Lodz deportiert wurden. Die dortigen unbeschreiblich schlechten Lebensumstände machten ein Überleben höchst unwahrscheinlich. Isidor erlag ihnen am 19. Februar 1942, Flora überlebte ihn um wenige Monate, sie starb am 13. Mai dieses Jahres.
Gertrud war sicherlich, wie die meisten für arbeitsfähig erachteten Juden, zur Zwangsarbeit verpflichtet. Darauf deutet auch hin, dass sie offensichtlich ein Opfer der sogenannten „Fabrikaktion“ wurde, als 1943 die Nationalsozialisten beschlossen, Ende Februar alle noch im Reich verbliebene Juden ohne Vorwarnung am Arbeitsplatz zu verhaften und zu deportieren. In Berlin betraf das über 15 000 Juden. Am 27. Februar riegelte die Gestapo morgens über 100 Betriebe ab und verhaftete die Zwangsarbeiter. Einige konnten noch in letzter Minute flüchten, andere waren gewarnt worden und erschienen nicht zur Arbeit. Anschließend mussten sie versuchen, im Untergrund illegal zu überleben. Rund 8 000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurden in Berlin verhaftet und in Sammellagern interniert. Sie wurden in den folgenden fünf „Transporten“ nach Auschwitz deportiert und dort weitgehend ermordet.
Das Schicksal von Gertrud Schoeler gibt jedoch Rätsel auf. Sie war für die Deportation am 6. März 1943 vorgesehen und ihr Name steht auch auf der Deportationsliste unter der Nr. 139. Dahinter aber befindet sich der Vermerk „fehlt siehe Zettel“. Leider ist der „Zettel“ nicht mehr vorhanden. Nach dem Krieg notierte das American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC): „Freitod oder illegal gelebt“. Überlebt hat sie jedenfalls nicht.
Gertruds Schwester Lucie, verheiratete Schmidt, überlebte laut Bundesarchiv-Residentenliste den Krieg. Das Schicksal ihrer Schwester Charlotte konnte nicht ermittelt werden.
Im Mai 1901 meldete der Handlungsgehilfe Isidor Grünberg beim Berliner Standesamt, dass am 9. des Monats seine Ehefrau Flora Grünberg geb. Blumenthal ein Mädchen zur Welt gebracht hätte, das sie Gertrud nannten. Isidor und Flora waren seit 1 ½ Jahren verheiratet und Gertrud Grünberg war ihr erstes Kind. Das Ehepaar wohnte in der Lothringer Straße 109 (heute Torstraße, östlicher Teil). Als im Februar 1905 die zweite Tochter, Lucie Cäcilie, geboren wurde, lebte die Familie in der Brunsberger Straße 5 (heute Hans-Otto-Straße). Im Juni 1907 kam Charlotte, die dritte Tochter, zur Welt, da waren Grünbergs bereits nach Lichtenberg gezogen, in die Pfarrstraße 73. Und als Gertrud 10 oder 11 Jahre alt war, zogen sie noch einmal um, diesmal nach Karlshorst, Treskowallee 69. Aus uns unbekannten Gründen ließ sich Isidor Grünberg im Adressbuch bis Mitte der 20er Jahre – und vereinzelt auch danach – als „Louis Grünberg“ eintragen, obwohl keines der vorhandenen Dokumente belegt, dass er mehrere Vornamen gehabt hätte.
In der Treskowallee 69 wohnte Gertrud mit ihren Eltern bis sie am 9. November 1921 den fünf Jahre älteren Bruno Schoeler heiratete. Er wohnte in der Treskowallee 65, vermutlich zur Untermiete, denn sein Vater, der Sattlermeisters Emil Schoeler, lebte in Adlershof, Waldstraße 22. Bruno gab als Beruf „Vertreter“ an, Gertrud hatte Putzmacherin gelernt, also Hutmacherin, ein damals beliebter Beruf für Frauen. Vermutlich hat sie ihn nach der Heirat aufgegeben. Die Heiratsurkunde enthält keine Religionsbezeichnung, es scheint aber, dass Bruno Schoeler kein Jude war. Wo das Ehepaar Schoeler zunächst wohnte, ist unbekannt, vielleicht bei einer der Elternfamilien oder anderswo zur Untermiete. Mit einer eigenen Wohnung erscheint Bruno Schoeler im Adressbuch erst 1930, ebenfalls in Karlshorst, Weseler Straße 22. Zwei Jahre später, im Dezember 1932, wurde die Ehe geschieden - wir können nur spekulieren, ob das etwas mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und Gertruds Religionszugehörigkeit zu tun haben könnte. Soweit wir wissen, hatten Gertrud und Bruno keine Kinder.
Bruno blieb in der Weseler Straße, Gertrud zog vielleicht wieder zu ihren Eltern, die noch 1939 in der Treskowallee lebten, als bei der Volkszählung vom 17. Mai Juden extra in einer „Ergänzungskartei“ erfasst wurden. In dieser Kartei finden wir Gertrud allerdings am anderen Ende der Stadt, in Charlottenburg und dort in der Giesebrechtstraße 12, zur Untermiete bei Familie Wechselmann. Wechselmanns hatten aber erst ein Jahr zuvor hier eine Wohnung bezogen.
Die diskriminierende separate Erfassung von Juden war bei Weitem nicht die einzige antisemitische Maßnahme der NS-Regierung. Zahlreiche Verordnungen und Verbote, die meisten davon nach den Pogromen vom November 1938 erlassen, machten Juden das Leben unerträglich. Sie sollten völlig aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt werden. Auch ihr Wohnrecht wurde stark eingeschränkt, Juden hatten Wohnraum für Nichtjuden freizumachen und wurden bei anderen Juden zwangseingewiesen. Auch Gertrud konnte nicht in der Giesebrechtstraße bleiben, ihre letzte Adresse lautete: bei Bernstein, Bischofstraße 9, eine inzwischen verschwundene Straße östlich der Marienkirche in Mitte. Die Verfolgung der Juden gipfelte ab Oktober 1941 in Deportation und direkter Ermordung. Am 18. Oktober fand die erste euphemistisch „Aussiedlung“ genannte Aktion statt, die Verschleppung in das Ghetto Lodz. Gertrud musste erleben, wie ihre Eltern am 24. Oktober mit dem 2. Zug nach Lodz deportiert wurden. Die dortigen unbeschreiblich schlechten Lebensumstände machten ein Überleben höchst unwahrscheinlich. Isidor erlag ihnen am 19. Februar 1942, Flora überlebte ihn um wenige Monate, sie starb am 13. Mai dieses Jahres.
Gertrud war sicherlich, wie die meisten für arbeitsfähig erachteten Juden, zur Zwangsarbeit verpflichtet. Darauf deutet auch hin, dass sie offensichtlich ein Opfer der sogenannten „Fabrikaktion“ wurde, als 1943 die Nationalsozialisten beschlossen, Ende Februar alle noch im Reich verbliebene Juden ohne Vorwarnung am Arbeitsplatz zu verhaften und zu deportieren. In Berlin betraf das über 15 000 Juden. Am 27. Februar riegelte die Gestapo morgens über 100 Betriebe ab und verhaftete die Zwangsarbeiter. Einige konnten noch in letzter Minute flüchten, andere waren gewarnt worden und erschienen nicht zur Arbeit. Anschließend mussten sie versuchen, im Untergrund illegal zu überleben. Rund 8 000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurden in Berlin verhaftet und in Sammellagern interniert. Sie wurden in den folgenden fünf „Transporten“ nach Auschwitz deportiert und dort weitgehend ermordet.
Das Schicksal von Gertrud Schoeler gibt jedoch Rätsel auf. Sie war für die Deportation am 6. März 1943 vorgesehen und ihr Name steht auch auf der Deportationsliste unter der Nr. 139. Dahinter aber befindet sich der Vermerk „fehlt siehe Zettel“. Leider ist der „Zettel“ nicht mehr vorhanden. Nach dem Krieg notierte das American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC): „Freitod oder illegal gelebt“. Überlebt hat sie jedenfalls nicht.
Gertruds Schwester Lucie, verheiratete Schmidt, überlebte laut Bundesarchiv-Residentenliste den Krieg. Das Schicksal ihrer Schwester Charlotte konnte nicht ermittelt werden.
In der Treskowallee 69 wohnte Gertrud mit ihren Eltern bis sie am 9. November 1921 den fünf Jahre älteren Bruno Schoeler heiratete. Er wohnte in der Treskowallee 65, vermutlich zur Untermiete, denn sein Vater, der Sattlermeisters Emil Schoeler, lebte in Adlershof, Waldstraße 22. Bruno gab als Beruf „Vertreter“ an, Gertrud hatte Putzmacherin gelernt, also Hutmacherin, ein damals beliebter Beruf für Frauen. Vermutlich hat sie ihn nach der Heirat aufgegeben. Die Heiratsurkunde enthält keine Religionsbezeichnung, es scheint aber, dass Bruno Schoeler kein Jude war. Wo das Ehepaar Schoeler zunächst wohnte, ist unbekannt, vielleicht bei einer der Elternfamilien oder anderswo zur Untermiete. Mit einer eigenen Wohnung erscheint Bruno Schoeler im Adressbuch erst 1930, ebenfalls in Karlshorst, Weseler Straße 22. Zwei Jahre später, im Dezember 1932, wurde die Ehe geschieden - wir können nur spekulieren, ob das etwas mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und Gertruds Religionszugehörigkeit zu tun haben könnte. Soweit wir wissen, hatten Gertrud und Bruno keine Kinder.
Bruno blieb in der Weseler Straße, Gertrud zog vielleicht wieder zu ihren Eltern, die noch 1939 in der Treskowallee lebten, als bei der Volkszählung vom 17. Mai Juden extra in einer „Ergänzungskartei“ erfasst wurden. In dieser Kartei finden wir Gertrud allerdings am anderen Ende der Stadt, in Charlottenburg und dort in der Giesebrechtstraße 12, zur Untermiete bei Familie Wechselmann. Wechselmanns hatten aber erst ein Jahr zuvor hier eine Wohnung bezogen.
Die diskriminierende separate Erfassung von Juden war bei Weitem nicht die einzige antisemitische Maßnahme der NS-Regierung. Zahlreiche Verordnungen und Verbote, die meisten davon nach den Pogromen vom November 1938 erlassen, machten Juden das Leben unerträglich. Sie sollten völlig aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt werden. Auch ihr Wohnrecht wurde stark eingeschränkt, Juden hatten Wohnraum für Nichtjuden freizumachen und wurden bei anderen Juden zwangseingewiesen. Auch Gertrud konnte nicht in der Giesebrechtstraße bleiben, ihre letzte Adresse lautete: bei Bernstein, Bischofstraße 9, eine inzwischen verschwundene Straße östlich der Marienkirche in Mitte. Die Verfolgung der Juden gipfelte ab Oktober 1941 in Deportation und direkter Ermordung. Am 18. Oktober fand die erste euphemistisch „Aussiedlung“ genannte Aktion statt, die Verschleppung in das Ghetto Lodz. Gertrud musste erleben, wie ihre Eltern am 24. Oktober mit dem 2. Zug nach Lodz deportiert wurden. Die dortigen unbeschreiblich schlechten Lebensumstände machten ein Überleben höchst unwahrscheinlich. Isidor erlag ihnen am 19. Februar 1942, Flora überlebte ihn um wenige Monate, sie starb am 13. Mai dieses Jahres.
Gertrud war sicherlich, wie die meisten für arbeitsfähig erachteten Juden, zur Zwangsarbeit verpflichtet. Darauf deutet auch hin, dass sie offensichtlich ein Opfer der sogenannten „Fabrikaktion“ wurde, als 1943 die Nationalsozialisten beschlossen, Ende Februar alle noch im Reich verbliebene Juden ohne Vorwarnung am Arbeitsplatz zu verhaften und zu deportieren. In Berlin betraf das über 15 000 Juden. Am 27. Februar riegelte die Gestapo morgens über 100 Betriebe ab und verhaftete die Zwangsarbeiter. Einige konnten noch in letzter Minute flüchten, andere waren gewarnt worden und erschienen nicht zur Arbeit. Anschließend mussten sie versuchen, im Untergrund illegal zu überleben. Rund 8 000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurden in Berlin verhaftet und in Sammellagern interniert. Sie wurden in den folgenden fünf „Transporten“ nach Auschwitz deportiert und dort weitgehend ermordet.
Das Schicksal von Gertrud Schoeler gibt jedoch Rätsel auf. Sie war für die Deportation am 6. März 1943 vorgesehen und ihr Name steht auch auf der Deportationsliste unter der Nr. 139. Dahinter aber befindet sich der Vermerk „fehlt siehe Zettel“. Leider ist der „Zettel“ nicht mehr vorhanden. Nach dem Krieg notierte das American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC): „Freitod oder illegal gelebt“. Überlebt hat sie jedenfalls nicht.
Gertruds Schwester Lucie, verheiratete Schmidt, überlebte laut Bundesarchiv-Residentenliste den Krieg. Das Schicksal ihrer Schwester Charlotte konnte nicht ermittelt werden.