Martha Friedländer née Henning

Location 
Gleimstr. 16
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
05 April 2022
Born
31 October 1883 in Marienthal (Pommern) / Pomiłowo
Occupation
Näherin
Survived
in Berlin

Martha Henning wurde am 31. Oktober 1883 in Marienthal in Pommern geboren geworden.

Um die Jahrhundertwende ging sie – wie viele ihrer Generation- als Näherin in die Großstadt Berlin. Sie heiratete 1904 in Weißensee (damals noch bei Berlin) den Drechsler Otto Gudat, mit dem sie in den folgenden Jahren drei Kinder bekam.

Im Januar 1925 wurde diese Ehe geschieden. Die Kinder waren 20, 18 und 16 Jahre alt.

Schon im Juni 1925 heiratete Martha geb. Henning geschiedene Gudat den 6 Jahre jüngeren jüdischen (sie war evangelisch) Kaufmann Bruno Friedländer. Zum Zeitpunkt der Eheschließung wohnten beide in der Rastenburgerstraße 22. Martha war also zu Bruno gezogen. Ob sie ihre Kinder mitnahm oder diese beim Vater blieben, ist nicht bekannt. Denkbar aber ist, dass die Familie deshalb 1928 in eine größere Wohnung in die Gleimstraße 16 zog.

Ab der Ausgabe 1929 des Berliner Adressbuches wird der Haushaltsvorstand Bruno Friedländer als Kaufmann mit Telefon unter dieser Adresse geführt. Spätestens 1935 mit der Einführung der NS-Nürnberger Rassegesetze wurde dem jüdischen Kaufmann Bruno das Betreiben seines selbständigen Gewerbes verboten. Ab der Adressbuchausgabe 1935 bis 1938 erscheint deshalb dann im Adressbuch als Berufsangabe:  Magnetiseur (Heilpraktiker).  

Diese Praxis führte aber nicht Bruno, sondern seine Ehefrau Martha – wie aus deren Angaben in ihrem OdF-Antrag von 1945 bekannt ist. Im Mai 1939 wurde auch Martha das weitere Betreiben ihres Gewerbebetriebes verboten.

Im Adressbuch von 1939 werden sie nicht mehr als Hauptmieter genannt.  Vermutlich mussten die Friedländer`s infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der NS-Gesetzgebung ihre Wohnung aufgeben und als Untermieter leben. Sie blieben aber in der Gleimstraße 16.

Am 17.05.1939 wurde im Deutschen Reich eine Volkszählung durchgeführt, in deren Rahmen alle Bürger Auskunft über ihre „rassische Abstammung“ zu geben hatten. Dafür mussten sie auf einem separaten Erfassungsblatt die Frage nach der „jüdischen Rasse“ ihrer vier Großeltern beantworten. Diese Erfassungsblätter dienten der Vorbereitung der von langer Hand geplanten Vernichtung der als jüdisch deklarierten Menschen. Diese „Beamten-Arbeitsunterlagen“ haben die NS-Zeit und den Krieg überlebt und werden noch heute im Bundesarchiv verwahrt.

Aus diesen Unterlagen wissen wir, dass Bruno und Martha Friedländer im Mai 1939 unter dieser Wohnanschrift erfasst wurden. Leider ist nicht vermerkt bei welchem Hauptmieter sie wohnten.

Bei Bruno wurde die Frage nach den Großeltern mit 4 * JA beantwortet während Marthas Antwort 4* Nein lautete. Damit wurde die Ehe von Bruno und Martha entsprechend den Nürnberger-Gesetzen als „Mischehe“ klassifiziert.

Sicher wurde auf Martha nicht unerheblicher Druck ausgeübt, damit sie einer Scheidung zustimmt. Martha hat diesem Druck aber offensichtlich widerstanden. Dies bewahrte ihren Bruno vor der Deportation nicht aber vor dem “Sterntragen“, der Zwangsarbeit sowie den unzähligen alltäglichen Schikanen.

So waren ihrer beider Lebensmittelkarten gekennzeichnet und sie bekamen deutlich geringere Rationen als die „nicht-jüdische“ Bevölkerung. Auch durften jüdische Menschen nicht in den bei Bombenangriffen lebensrettenden Bunkern und Kellern Schutz suchen und nur zu bestimmten Zeiten einkaufen gehen.

Im Oktober 1941 begannen die Nazis mit den planmäßigen Deportationen und der Vernichtung der jüdischen Mitbürger. Diese – vor aller Augen und Ohren durchgeführten - Transporte wurden offiziell mit dem beschönigenden Begriff “ Umsiedlung nach dem Osten“ kaschiert.

Ob es die Gerüchte um diese Deportationen und / oder die alltäglichen Schikanen waren, die Bruno offensichtlich so zermürbt hatten, dass er sich im März 1942 mit Hilfe von Schlaftabletten das Leben nahm, ist nicht zu ermitteln. Im Jüdischen Krankenhaus Wedding wurde am 19.03.1942 sein Tod festgestellt.

Brunos Witwe, Martha Friedländer, überlebte das NS-Regime, die Kriegs- und die ersten Jahre der Nachkriegszeit. Sie stellte im Dezember 1945 einen Antrag auf Anerkennung als Opfer des Faschismus (OdF).

Am 5. November 1950 starb sie 67-jährig in ihrer Wohnung in der Gleimstraße 16.