Salomon Max Charmatz

Location 
Lindenallee 4
District
Westend
Stone was laid
24 March 2023
Born
13 December 1894 in Bereschany (Galizien)
Escape
1935 Holland
Interniert
28 April 1944 in Westerbork
Deportation
on 05 April 1944 to Auschwitz
Murdered
1944 in Auschwitz

Salomon Max Charmatz (auch Mecki genannt) wurde am 13. Dezember 1894 in Brzezany in Galizien, das damals zur österreichisch-ungarischen k.u.k. Monarchie gehörte, geboren. Vorerst unehelich, wurde er am 28. März 1899 jedoch legitimiert. Er war das vierte Kind von Isaak Charmatz und Marjem Reisie Charmatz geborene Karpin. Vor ihm gab es bereits die Kinder Etl, Herzilius (Heinz) und David (Edmund). Etl starb bereits mit 4 Jahren in Brzezany. Etwa 14 Monate nach Salomon wurde sein Bruder Arnold geboren.
Die Familie entschied sich, Brzezany 1899 zu verlassen, und lebte fortan in Berlin. Vater Isaak arbeitete als Kaufmann. Erste Annoncen seiner Firma finden sich im Oktober 1899 im „Berliner Tagblatt und Handelszeitung“.

In Berlin wurde im Mai 1903 die Jüngste der Familie, Grete, geboren. Salomon wuchs also in einer großen Familie auf. Die Eltern bemühten sich, ihren Kindern Bildung zukommen zu lassen. Aus verschiedenen Quellen wie einzelnen Postkarten und Briefen, sowie dem ausführlichen Lebenslauf von Erwin Charmatz (Sohn von Herzilius), erfahren wir, dass mehrere Kinder Instrumente lernten. Arnold spielte Violine, Grete Klavier. Aus schriftlichen Hinweisen erfahren wir, dass Interesse an Literatur und Rezitation derselben bestand. Auch gab es in der Familie hervorragende Schachspieler, Herzilius Charmatz nahm beispielsweise an den Berliner Schachverbandsmeisterschaften teil.

Schon 1915 starb der Vater Isaak 49-jährig in Berlin.
Die Mitglieder der Familie Charmatz blieben auch in Berlin bis 1918 österreichische Staatsbürger der k.u.k. Monarchie. Wir wissen, dass David, Max und Arnold im 1. Weltkrieg in der k.u.k. Armee gedient haben. David war in Krems/Donau, Niederösterreich, beim Sappeur-Bataillon stationiert und traf dort meine Großmutter, eine Klavierlehrerin. Sie heirateten im Oktober 1917. Max lernte meine Oma kennen und schätzen. Einmal schreibt er auf einer Postkarte von der Front am Isonzo (Italien): „Was macht die Musik? Wenn ich nur etwas lauschen könnte.“
Auch Arnold schreibt einmal, dass er bereits verschiedene Stücke auf der Geige übt, um wieder einmal gemeinsam musizieren zu können. 
Max diente als Unteroffizier in einem Infanterieregiment. Dokumente des NIAD-Archivs legen nahe, dass Max 1942 hoffte, von einer Deportation durch die nationalsozialistischen Machthaber ausgenommen zu sein, da er im 1. Weltkrieg an der Seite des Deutschen Reiches an der Front kämpfte. Dies erwies sich leider als Trugschluss.

Wir können Max' Spur wieder gesichert aufnehmen, als er sich am 5. September 1926 mit Ilse Franziska Jacobson verlobte. Am 12. April 1927 fand die Hochzeit in Berlin statt. Nach ihrer Heirat lebte das Paar von 1927 bis 1934 in Finow, etwa 60 km von Berlin entfernt, wo Max in der „Hirsch Finow Messingwerk A.G.“ als kaufmännischer Angestellter arbeitete. 1934 ließen sie sich in Berlin nieder. 1936 flüchteten sie nach Amsterdam. Max arbeitete als Finanzspezialist bei Infinas - International Finance Association in der Spuistraat 198 in Amsterdam. Vorerst hatte Max ein gutes Einkommen. Seine Frau Ilse sandte Pakete zur Unterstützung an Familienmitglieder in Berlin und in Palästina. Solange es möglich war, schickte Max auch Geld für Geburtstage und Feste nach Palästina.
Als Herzilius mit seiner Familie von Amsterdam aus nach Australien emigrierte, wohnten sie bis zur Abfahrt des Schiffes bei Max und Ilse. Max und Ilse hätten damals noch die finanziellen Mittel gehabt zu emigrieren. Sie überlegten auch verschiedene Varianten. 1939 besuchten sie Ilses Mutter, ihre Schwester und Familie in Palästina und entschieden sich zur Rückkehr nach Berlin. Verschiedene Optionen auszuwandern, z.B. Chile, wurden erwogen. Es wurde jedoch immer schwieriger. Im Jahr 1940 nach der Besetzung Hollands durch die Wehrmacht geriet Infinas in finanzielle Schwierigkeiten, konnte keine Dividenden mehr an die Aktionäre auszahlen und musste schließlich Insolvenz anmelden.
Max nahm nun eine Stelle als Möbeleinkäufer und -sortierer an. Da Ilse und Max in einer großen Wohnung wohnten, versuchten sie, einen Teil der Wohnung zu vermieten, was jedoch nicht gelang. Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich. Auch die politische Lage wurde immer gefährlicher. 1941 wurde Juden verboten, sich in Parks aufzuhalten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, Theater oder Kinos zu besuchen. Somit war die Lebensführung von Ilse und Max stark eingeschränkt.

Auf Rot-Kreuz-Postkarten kann man lesen, dass Ilse und Max zusehends in Bedrängnis gerieten und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrer Familie immer mehr schwand. Einmal schreibt Ilse über Max: „... er ist wahrhaft ein Schirm und Schutz in Saus und Braus.“ Sie schreibt auch, dass Mecki sein Schicksal mit Fassung trägt.
Ab 1942 wohnte das Paar in einem Versteck, das einer niederländischen Familie gehörte. Angeblich hatte sie die Frau des Mannes, der das Versteck vermittelt hatte, verraten. Dort wurden sie am 23. März 1944 verhaftet.

Sie wurden nach Den Haag gebracht, wo sie im Gefängnis von Scheveningen landeten. Von dort wurden Salomon am 28. März 1944 und Ilse am 1. April 1944 in das Lager Westerbork gebracht, wo beide in der Baracke 67 mit der Begründung, dass „Untertauchen“ ein „strafbares Vergehen“ sei, inhaftiert wurden. Von Westerbork aus wurden sie am 5. April 1944 mit einem sogenannten „Straftransport“ nach Auschwitz deportiert und trafen wenige Tage später dort ein.

Salomon und Ilse sind sogenannte „vermisste Personen“. Wie sie ihr Leben verloren haben und ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Das offizielle Todesdatum wurde vom niederländischen Roten Kreuz auf der Grundlage folgender Überlegungen festgelegt: Beide waren unter 51 Jahre alt, bestanden daher voraussichtlich die erste Selektion. Danach folgten acht Tage Quarantäne. Die durchschnittliche Überlebensdauer angekommener Häftlinge betrug vier bis fünf Monate. Ilse und Max dürften demnach zwischen dem 15. April und dem 31. August 1944 gestorben sein. Als Todesdatum wurde für beide das letztmögliche Datum, also der 31. August 1944, angenommen.

Alle Geschwister von Salomon Max überlebten den Holocaust. Grete und ihre Mutter emigrierten 1933/34 nach Palästina, Herzilius und Familie flüchteten 1938/39 nach Australien, Edmund 1932/33 nach Frankreich, Arnold und Familie 1934 nach Brasilien.

Schon im Jahr 2016 wurde für Ilse Charmatz ein Stolperstein in der Fontanepromenade in Berlin Kreuzberg verlegt. An dieser Adresse hatte Ilse vor ihrer Verheiratung gemeinsam mit ihrer Mutter Hella gelebt.

Exakt 79 Jahre nach seiner Verhaftung wurde nun der Stolperstein für Max in der Lindenallee 4 als letzte freiwillige Wohnadresse in Berlin Charlottenburg verlegt.

Leider habe ich weder meinen Großvater, der nach der Trennung und Scheidung von meiner Großmutter später in Frankreich lebte, noch irgendjemand aus seiner großen Familie kennengelernt. Schon lange wollte ich Näheres über die Charmatz Familie herausfinden. Mein Mann, Ing. Walter Handschuh, begab sich auf eine intensive Suche, und so haben wir vieles über die Familie und somit auch über Salomon Max erfahren. Große Unterstützung leistete auch Herr Lucas Brujin, der ebenso über die Familie Charmatz recherchierte und uns viele wertvolle Informationen zukommen ließ. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass ein Stolperstein für Max errichtet wurde. Ich freue mich sehr, dass nun ein Stolperstein zur bleibenden Erinnerung an Max verlegt wurde. Eine meiner Schwestern, deren Mann und ich konnten an der Zeremonie teilnehmen.

Da ich 6 Geschwister habe und meine eigene Familie durch 3 Söhne, deren Frauen und Kinder auf 16 Personen angewachsen ist, wird das Wissen über das Leben und Schicksal von Max und Ilse Charmatz in unserer Familie weiterleben.

Seit 4 Jahren bin ich auch mit der Enkelin von Herzilius, die in Australien lebt, in schriftlichem Kontakt regelmäßig verbunden.

Es war mir wichtig, einzelne der wenigen Nachweise, die Hinweise auf die Persönlichkeit von Max Salomon geben, in der Biographie unterzubringen.