Cyrla Steinberg née Solny

Location 
Max Beer Straße 41
Historical name
Dragonerstrtasse 6a
District
Mitte
Stone was laid
06 October 2023
Born
29 October 1899 in Złota (Galizien)
Escape
1933 Polen
Interniert
01 April 1940 to 03 September 1944 in Łódź / Litzmannstadt
Verlegt
03 September 1944 to 08 November 1944 to Stutthof
Deportation
1944 to Auschwitz
Murdered
08 November 1944 in Stutthof

Das Scheunenviertel

Die jüdische Gemeinde in Berlin wuchs als Folge der Migration jüdischer Familien aus Russland (Pogrome 1881/82/1905), Galizien, Ungarn, Polen, … auf 170.000 Mitglieder (Quelle: https://www.oei.fu-berlin. Die Steinbergs sind dann wohl 1924 nach Berlin  emigriert, die Meldeadresse war die Dragonerstr. 6a. Die Dragonerstraße, zusammen mit der parallelen Grenadierstraße (siehe Bild, heute: Almstadtstraße), bildete das Zentrum des “Ghettos mit offenen Toren” der osteuropäischen Juden in Berlin. Das Scheunenviertel war der zentrale Anlaufpunkt und stand dann auch von Beginn der Machtergreifung im Zentrum des antijüdischen Terrors in Berlin, welcher sich nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler noch deutlich verschärfte. Am 9. März marodierte die SA durch das Scheunenviertel, misshandelte mehrere osteuropäische Juden in den Kellern ihrer Stationen. Am 1. April fand der sog. Judenboykott statt. Ebenfalls im April fand eine Razzia der Schutzpolizei und der nationalsozialistischen Hilfspolizei statt. Die ersten jüdischen Bewohner kamen bereits im April 1933 nach dem Judenboykott in wilde Konzentrationslager.

 

Familie Steinberg – Schicksal und Flucht:

 

Moses und Cyrla Steinberg lebten spätestens seit 1925 mit ihren Kindern in Berlin (dem Geburtsjahr Bernhards) und seit 1931 im Berliner Scheunenviertel in der Dragonerstraße 6a (heutige Max-Beer-Straße 35 (41)) an der nordwestlichen Ecke Kreuzung Schendelgasse, heute Schendelpark. Vier zeitgenössische Quellen nennen diese Adresse: “Jüdisches Adressbuch 1931/32”, Bernhards Schülerkarte vom 7.4.1932, “Berliner Adressbuch”, Ausgaben 1932 und 1933. Diese Straße, zusammen mit der parallelen Grenadierstraße (heute: Almstadtstraße), bildete das Zentrum des “Ghettos mit offenen Toren” der osteuropäischen Juden in Berlin – und stand daher auch im Zentrum des Berliner antijüdischen Terrors, der an Schärfe nach der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 unmittelbar zunahm. Familie Steinberg war auch ein Opfer dieser ersten Verfolgungswelle. Moses Steinberg wurde von der SA schwer misshandelt, wahrscheinlich auch weil er als u.a. im Vorstand des Jüdischen Kulturbundes.” (WGA 110/65, Seite 36) präsent gewesen ist.

 

Flucht aus Deutschland (3. September 1933)

 

Kurze Zeit später, im Sommer 1933 verließ die Familie aus Furcht vor weiteren  Misshandlungen durch die Nazis Berlin in  Richtung Polen-Lodz” (WGA 110/65, Seite 33). Bernhards Austritt aus der Schule wurde mit dem 04.09.1933 mit “unbekannt verzogen” auf seiner Schülerkarte datiert. Als letzte Berliner Adresse gab Bernhard Steinberg später die Rykestraße 20 an. Diese Adresse befand sich zwei Blocks von der damaligen Wohnung von Cyrlas Bruder Chaim Solny und seiner Familie in der Franseckystraße 46, heute Sredskistraße 39, und vor allem außerhalb des Scheunenviertels. Die Rykestraße findet sich für die Steinbergs weder in einer der Ausgaben des Berliner Adressbuchs, noch in anderen zeitgenössischen Dokumenten. Wahrscheinlich fungierte diese Adresse als Zwischenstation auf der Flucht – erst raus aus dem Ghetto, wenige Monate später schließlich raus aus Berlin und Deutschland. In dem Fall wäre Dragonerstraße 6a der letzte freiwillige Wohnort der Steinbergs in Berlin. Im Berliner Adressbuch von 1934 ist Moses Steinberg dann auch nicht mehr verzeichnet.

 

 

 

Łódź (1933 – 1940)

 

Auf dem Einlieferungsschein Selis im KZ Stutthof ist Aleja 1 Maja 37 als letzte Adresse angegeben. Dies ist eine Straße im Zentrum von Łódź im Stadtteil Stare Polesie außerhalb des späteren Ghettos – und gleichzeitig die erste vorherige Adresse, welche in den späteren Ghetto-Bewohnerlisten auftaucht. Ob es die einzige oder nur die letzte selbst-bestimmte Adresse in Łódź nach der Flucht aus Deutschland war, ist unbekannt.

 

Nachdem Moses Steinberg bereits 1940 in Lodz eines natürlichen Todes gestorben war, wurden Mutter Cyrla, Sohn Bernhard und Tochter Seli, wahrscheinlich alle 3 zusammen, am 01.April 1940 in Lodz verhaftet und in das dortige Ghetto überstellt. Danach verliert sich die genaue Spur der Steinbergs, wahrscheinlich haben sie bis zur Überstellung nach Auschwitz im August 1944 im Ghetto in Lodz gelebt.

 

KZ Auschwitz, Stutthof, Buchenwald (1944-1945)

 

Im ITS-Antrag auf Inhaftierungsbescheinigung gibt Bernhard das Datum der Überstellung nach Auschwitz mit August 1944 an. Dieses Datum fällt mit der Liquidation des Ghettos Lodz zusammen. Am 03.09.1944 wurden Cyrla und Seli vom KZ Auschwitz in das KZ Stutthof überstellt. Cyrlas (hier: Czirla) Häftlingsnummer lautete 82601. Selis (hier: Selly) 83600. Cyrla ist am 08.11.1944 im KZ Stutthof ermordet worden (Gedenkbuch). Für Seli Steinberg gibt es keine Aufzeichnungen mehr nach der Einlieferung. Am 09.11.1944 wurde Bernhard als Häftling B 9577 im Außenlager Tschechowitz des KZ Auschwitz im Rahmen einer Reihenuntersuchung mit “O.KW” eingestuft. Am 23.01.1945 wurde er ins KZ Buchenwald überstellt. Seine Häftlingsnummer lautete spätestens seitdem 119722. “Grund: Polit. Pole-Jude”. Die Politische Abteilung verzeichnete ihn am gleichen Tag als Neuzugang aus dem KZ Auschwitz. Am 26. 01. 1945 wurde er vom Lagerarzt des KZ Buchenwald als “arbeits- und transportfähig” eingestuft. Am 19.03.1945 ist er auf der Transportliste für das Außenkommando Magdeburg vermerkt. Bernhard hat den Holocaust überlebt!

 

Quellen: Recherche Familie Steinberg, IST Files (Intl. Tracing Files), Jüdisches Adressbuch 1931/32, Berliner Adressbuch,