Bertha Cohn née Blumenthal

Location 
Reichenberger Str. 120
District
Kreuzberg
Stone was laid
07 May 2001
Born
13 May 1884 in Samotschin (Posen) / Szamocin
Deportation
on 17 March 1943 to Theresienstadt
Later deported
on 28 October 1944 to Auschwitz
Murdered
in Auschwitz

Die Deportationen der Juden im Herbst 1941 aus Deutschland nach Osten wurden systematisch und bürokratisch von den nationalsozialistischen Machthabern gesteuert und von der Verwaltung durchgeführt. Das Ziel dieser Deportationen war die Vernichtung des gesamten europäischen Judentums. Eine dieser betroffenen jüdischen Familien hieß Cohn. Die Familie bestand aus Benno Cohn und seiner Ehefrau Bertha (geb. Blumenthal). Sie wohnten in der Reichenberger Str. 120 v. l bei Pannewitz zur Untermiete, Berlin Kreuzberg SO 36. Vor ihrer Deportation musste die Familie zuerst, wie alle anderen Juden, Fragebögen zur Vermögenserklärung ausfüllen. Bevor die Deportation der Juden im großen Stil anlief, wurde ihnen systematisch per Gesetz ihr Besitz Stück für Stück abgenommen. Sie mussten beispielsweise ihre Hörfunkgeräte im Herbst 1939 abgeben und im Sommer 1940 ihre Telefone usw. Sie wurden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Außerdem hatten sie alle Fotoapparate, Fahrräder, Schreib- und Rechenmaschinen etc. herauszugeben.<br />
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Diesen Fragebogen zur Vermögenserklärung hat das Oberhaupt der Familie, also Herr Benno Cohn, ausgefüllt. Zuerst für sich und dann für seine Frau. Die Angaben wurden in einer Akte aufgehoben. Dies geschah alles unmittelbar vor der Deportation. Benno Cohn ist geboren am 16. Oktober 1873 in Flatow/Westpreußen, seine Frau Bertha Cohn (geborene Blumenthal) kam am 13. Mai 1884 in Samotschin/Polen zur Welt. Benno Cohn musste Zwangsarbeit bei der Firma Warenwerk in Böhm/Weißensee lesiten, seine Frau war Hausfrau. Nach weiteren Angaben ist zu erkennen, dass sie drei außerhalb lebende Kinder namens Hannelore Cohn in Grünau, Elsebeth Cohn in den USA und Grangolf Cohn in England hatten. Es sollten nur Benno und seine Frau „evakuiert“ werden. In den Akten wird nie der Begriff Deportation verwendet, im NS-Beamtendeutsch wird zur Verharmlosung von „Evakuierung“ gesprochen.<br />
<br />
„Israel“ und „Sara“ waren Zwangsnamen, die alle Juden ab dem 1. Januar 1939 als offiziellen Namensteil annehmen, der Ortspolizei melden und beim Standesamt auf eigene Kosten beurkunden lassen mussten. Diese Namen waren und sind bestimmt immer noch diskriminierend für die Juden. Eine andere Diskriminierung war der Judenstern, dies war ein handtellergroßer schwarz ausgezogener Sechsstern aus gelbem Stoff mit der Aufschrift „Jude“. Diesen musste jeder Jude nach seinem sechsten Lebensjahr auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks tragen. Man raubte ihnen gleichsam neben ihrem Besitz auch ihre Persönlichkeit sowie ihre bürgerliche Existenz.<br />
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Die Wohnung, in der die Cohns lebten, in der Reichenberger Str. 120, war eine 1-Zimmer Wohnung mit einem WC und einem Badezimmer. Die Miete in Höhe von 25 RM wurde von ihnen bis 28. Februar 1943 an die Hauptmieterin Frau Käte Pannewitz vorbezahlt. Sie mussten auch ein Besitzverzeichnis ausfüllen. Daraus sieht man, dass sie nicht mehr viele Sachen besaßen.<br />
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Im Schlafzimmer: ein Kleiderschrank, eine Bettstelle, ein Nachttisch, fünf Stühle, ein Sessel, ein Bettvorleger, eine Gardine, Stores, zwei Federbetten, zwei Kopfkissen, zwei Unterbetten, eine Matratze, ein Ess-Schrank, ein Wäscheschrank. Verschiedenes: eine Nähmaschine, einen Reisekoffer, drei Straßenanzüge und einen Wintermantel. Dieses gesamte Vermögen von der Familie Cohn wurde zugunsten des deutschen Reiches eingezogen. Die Wohnungsschlüssel wurden am 20. Februar 1943 an den Hauswart Jacoby abgegeben. Am gleichen Tag haben sie auch die Vermögenserklärung unterschrieben. In dem Formular steht: „Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und dabei insbesondere keinerlei Vermögenswerte verschwiegen habe.“ <br />
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Ich frage mich, warum die Cohns nicht wie viele andere Juden geflohen oder „untergetaucht“ sind, da sie wahrscheinlich wussten, dass sie sterben würden. Natürlich wird diese Frage für immer offen bleiben, man kann nur „mögliche“ Antworten geben. Für die richtige Antwort müsste man schon in dieser schrecklichen Zeit gelebt haben. Eine unserer möglichen Antworten war, dass sie eine alte oder auch arme Familie waren. Sie hatten bestimmt schon viel Grausames erlebt oder gehört, sodass sie Angst davor hatten, zu fliehen und sahen deswegen keinen weiteren Ausweg. Wenn es viele Jüngere nicht einmal schafften, wie sollten es diese älteren Menschen schaffen?<br />
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Die Cohns wurden am 17. März 1943 mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt gebracht. Theresienstadt war ein spezielles Altenghetto, wohin ältere Menschen und solche mit Kriegsauszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg deportiert wurden. Theresienstadt war für die meisten nur eine Durchgangssituation auf dem Wege in die Vernichtungslager. Die Ankunft in Theresienstadt war bestimmt ein Schock. Die Verschleppten fanden grauenvolle hygienische Verhältnisse, überfüllte Massenunterkünfte in maroden Kasernen und Nahrungsmittelmangel vor. Dies tötete viele jüdische Menschen, besonders ältere. Benno und Bertha Cohn wurden am 28. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Es gab Tausende, Millionen solcher Familien, die umkamen.<br />
<br />
Wir haben auch erfahren, dass ein Jahr bevor die Familie Cohn evakuiert wurde, also am 28. März 1942, zwei Jüdinnen namens Käthe Sässmann, geboren am 16. März 1884, und Gertrud Timmendorfer, geboren am 2. Juni 1880, aus der gleichen Wohnung deportiert wurden und nach Trawiniki gebracht wurden, wo sie ermordet wurden. Einen Monat nach der Deportation der Familie Cohn schickte die Vermieterin ein Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten Berlin/Brandenburg. Sie forderte von ihm die Miete der Familie Cohn vom März und April in Höhe von 50 RM, die die Familie nicht bezahlt hatte.<br />
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Nach dem Krieg wurde die Akte der Familie Cohn 1995 vom Wiedergutmachungsamt angefordert.

Die Deportationen der Juden im Herbst 1941 aus Deutschland nach Osten wurden systematisch und bürokratisch von den nationalsozialistischen Machthabern gesteuert und von der Verwaltung durchgeführt. Das Ziel dieser Deportationen war die Vernichtung des gesamten europäischen Judentums. Eine dieser betroffenen jüdischen Familien hieß Cohn. Die Familie bestand aus Benno Cohn und seiner Ehefrau Bertha (geb. Blumenthal). Sie wohnten in der Reichenberger Str. 120 v. l bei Pannewitz zur Untermiete, Berlin Kreuzberg SO 36. Vor ihrer Deportation musste die Familie zuerst, wie alle anderen Juden, Fragebögen zur Vermögenserklärung ausfüllen. Bevor die Deportation der Juden im großen Stil anlief, wurde ihnen systematisch per Gesetz ihr Besitz Stück für Stück abgenommen. Sie mussten beispielsweise ihre Hörfunkgeräte im Herbst 1939 abgeben und im Sommer 1940 ihre Telefone usw. Sie wurden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Außerdem hatten sie alle Fotoapparate, Fahrräder, Schreib- und Rechenmaschinen etc. herauszugeben.

Diesen Fragebogen zur Vermögenserklärung hat das Oberhaupt der Familie, also Herr Benno Cohn, ausgefüllt. Zuerst für sich und dann für seine Frau. Die Angaben wurden in einer Akte aufgehoben. Dies geschah alles unmittelbar vor der Deportation. Benno Cohn ist geboren am 16. Oktober 1873 in Flatow/Westpreußen, seine Frau Bertha Cohn (geborene Blumenthal) kam am 13. Mai 1884 in Samotschin/Polen zur Welt. Benno Cohn musste Zwangsarbeit bei der Firma Warenwerk in Böhm/Weißensee lesiten, seine Frau war Hausfrau. Nach weiteren Angaben ist zu erkennen, dass sie drei außerhalb lebende Kinder namens Hannelore Cohn in Grünau, Elsebeth Cohn in den USA und Grangolf Cohn in England hatten. Es sollten nur Benno und seine Frau „evakuiert“ werden. In den Akten wird nie der Begriff Deportation verwendet, im NS-Beamtendeutsch wird zur Verharmlosung von „Evakuierung“ gesprochen.

„Israel“ und „Sara“ waren Zwangsnamen, die alle Juden ab dem 1. Januar 1939 als offiziellen Namensteil annehmen, der Ortspolizei melden und beim Standesamt auf eigene Kosten beurkunden lassen mussten. Diese Namen waren und sind bestimmt immer noch diskriminierend für die Juden. Eine andere Diskriminierung war der Judenstern, dies war ein handtellergroßer schwarz ausgezogener Sechsstern aus gelbem Stoff mit der Aufschrift „Jude“. Diesen musste jeder Jude nach seinem sechsten Lebensjahr auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks tragen. Man raubte ihnen gleichsam neben ihrem Besitz auch ihre Persönlichkeit sowie ihre bürgerliche Existenz.

Die Wohnung, in der die Cohns lebten, in der Reichenberger Str. 120, war eine 1-Zimmer Wohnung mit einem WC und einem Badezimmer. Die Miete in Höhe von 25 RM wurde von ihnen bis 28. Februar 1943 an die Hauptmieterin Frau Käte Pannewitz vorbezahlt. Sie mussten auch ein Besitzverzeichnis ausfüllen. Daraus sieht man, dass sie nicht mehr viele Sachen besaßen.

Im Schlafzimmer: ein Kleiderschrank, eine Bettstelle, ein Nachttisch, fünf Stühle, ein Sessel, ein Bettvorleger, eine Gardine, Stores, zwei Federbetten, zwei Kopfkissen, zwei Unterbetten, eine Matratze, ein Ess-Schrank, ein Wäscheschrank. Verschiedenes: eine Nähmaschine, einen Reisekoffer, drei Straßenanzüge und einen Wintermantel. Dieses gesamte Vermögen von der Familie Cohn wurde zugunsten des deutschen Reiches eingezogen. Die Wohnungsschlüssel wurden am 20. Februar 1943 an den Hauswart Jacoby abgegeben. Am gleichen Tag haben sie auch die Vermögenserklärung unterschrieben. In dem Formular steht: „Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und dabei insbesondere keinerlei Vermögenswerte verschwiegen habe.“

Ich frage mich, warum die Cohns nicht wie viele andere Juden geflohen oder „untergetaucht“ sind, da sie wahrscheinlich wussten, dass sie sterben würden. Natürlich wird diese Frage für immer offen bleiben, man kann nur „mögliche“ Antworten geben. Für die richtige Antwort müsste man schon in dieser schrecklichen Zeit gelebt haben. Eine unserer möglichen Antworten war, dass sie eine alte oder auch arme Familie waren. Sie hatten bestimmt schon viel Grausames erlebt oder gehört, sodass sie Angst davor hatten, zu fliehen und sahen deswegen keinen weiteren Ausweg. Wenn es viele Jüngere nicht einmal schafften, wie sollten es diese älteren Menschen schaffen?

Die Cohns wurden am 17. März 1943 mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt gebracht. Theresienstadt war ein spezielles Altenghetto, wohin ältere Menschen und solche mit Kriegsauszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg deportiert wurden. Theresienstadt war für die meisten nur eine Durchgangssituation auf dem Wege in die Vernichtungslager. Die Ankunft in Theresienstadt war bestimmt ein Schock. Die Verschleppten fanden grauenvolle hygienische Verhältnisse, überfüllte Massenunterkünfte in maroden Kasernen und Nahrungsmittelmangel vor. Dies tötete viele jüdische Menschen, besonders ältere. Benno und Bertha Cohn wurden am 28. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Es gab Tausende, Millionen solcher Familien, die umkamen.

Wir haben auch erfahren, dass ein Jahr bevor die Familie Cohn evakuiert wurde, also am 28. März 1942, zwei Jüdinnen namens Käthe Sässmann, geboren am 16. März 1884, und Gertrud Timmendorfer, geboren am 2. Juni 1880, aus der gleichen Wohnung deportiert wurden und nach Trawiniki gebracht wurden, wo sie ermordet wurden. Einen Monat nach der Deportation der Familie Cohn schickte die Vermieterin ein Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten Berlin/Brandenburg. Sie forderte von ihm die Miete der Familie Cohn vom März und April in Höhe von 50 RM, die die Familie nicht bezahlt hatte.

Nach dem Krieg wurde die Akte der Familie Cohn 1995 vom Wiedergutmachungsamt angefordert.