Frieda Lewin née Heymann

Location 
Stierstr. 21
District
Friedenau
Stone was laid
21 September 2009
Born
19 February 1903 in Berlin
Deportation
on 02 April 1942 to the Warschauer Ghetto
Murdered
in unbekannt

Frieda und Salomon Lewin lebten mit ihren beiden Söhnen in Baruth/Mark. Während des Pogroms am 10. November 1938 hatte sich ein Pöbelhaufen, angeführt von Nazis, vor dem Haus der Lewins versammelt. Sie brachen in das Haus ein und nahmen den Vater mit; er wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Die beiden Brüder Friedas, Kurt und Siegbert, die in Berlin lebten, wurden in der gleichen Nacht verhaftet.<br />
Kurz darauf zog Frieda mit den beiden Söhnen nach Berlin, zunächst in die Wohnung ihres verhafteten Bruders Kurt, die über dessen Kurzwarengeschäft gelegen war. Frieda Lewin konnte ihre beiden Söhne Joachim und Martin, neun und acht Jahre alt, mit Hilfe des Œuvre de Secours aux Enfants im März 1939 nach Frankreich in Sicherheit bringen lassen. Martin und Joachim lebten zweieinhalb Jahre in verschiedenen Waisenhäusern in Frankreich; zunächst im Norden von Paris in Montmoracy, Maison de Régimes, und dann – nach der deutschen Invasion – im Château de Chaumont in Mainsat, Creuse in Vichy-Frankreich. Im August 1941 erhielten die Brüder auf Initiative des Amerikanischen Komitees zum Schutz europäischer Kinder die Zusicherung, in die USA auswandern zu dürfen. So konnten sieben Kinder von Château de Chaumont nach Marseille gebracht werden. Wegen einer Infektionskrankheit, an der eines der Kinder starb, verzögerte sich die Abreise von Marseille um mehrere Wochen. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Häfen von den Deutschen besetzt. Da es nicht möglich war, von Marseille aus mit dem Schiff nach den USA zu gelangen, mussten die Kinder auf dem Landweg über Toulouse, die Pyrenäen und Madrid nach Lissabon gebracht werden. Schließlich erreichten sie mit dem Schiff Serpa Pinto am 21. September 1941 die USA.<br />
Der Vater, Salomon Lewin, wurde nach seiner Freilassung aus Sachsenhausen des Landes verwiesen, ohne seine Frau mitnehmen zu können. Seine beiden Schwäger, die ebenfalls entlassen worden waren und mit ihm nach England gingen, waren jung genug, um in die englische Armee zu gehen. Nachdem Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt hatte, wurde Salomon als unerwünschter Ausländer ausgewiesen und in ein Camp in Australien deportiert. Nach dem Krieg wurde er wieder nach England gebracht. Schließlich, 1951, konnte er zu seinen Söhnen in die USA reisen; da war er 55 Jahre alt und hatte seine Söhne, inzwischen 20 und 21 Jahre alt, dreizehn Jahre lang nicht gesehen. <br />
Frieda Lewin zog Mitte Januar 1940 in die Wohnung von Richard Adam in ein Zimmer zur Untermiete und arbeitete als Fabrikarbeiterin. Sie hatte zu dieser Zeit keinerlei Nachrichten über den Aufenthaltsort ihres Mannes und ihrer beiden Söhne. Mit Schreiben vom 5. März 1941 wendet sich das Far Eastern Jewish Central Information Bureau for Emigrants in Shanghai (!) an das Comité Istraélite pur les enfants venant d’Allemagne et de l’Europe centrale in La Bourboule, Frankreich, mit der Bitte um Auskunft darüber, ob sie Informationen zum Aufenthaltsort von Martin und Joachim hätten. Die Initiative für dieses Schreiben ging von einer Frau „H. Less“ aus, die sich hilfesuchend an das Informationsbüro in Shanghai gewendet hatte. Es handelt sich hier offensichtlich um die Tochter von Klara Sabbath, der Schwester von Richard Adam, in dessen Wohnung Frieda Lewin ein Zimmer bewohnte. Hattie Less, geborene Sabbath, gesch. Feilchenfeld war nach Shanghai geflohen. <br />
Das angeschriebene Komitee antwortet am 21. April 1941 nach Shanghai, dass sich die beiden Kinder im Heim Château de Chaumont befänden, dass sie zur Schule gingen und gesund seien. Die Kinder hätten der Mutter auch nach Deutschland geschrieben, doch habe sie diese Briefe anscheinend nicht erhalten. Die Direktorin solle beauftragt werden, dafür Sorge zu tragen, dass die Mutter informiert werde.<br />
Frieda Lewin war die Erste, die aus der Wohnung Adam deportiert wurde – insgesamt waren es weitere sechs Menschen, die zwischen Juni 1942 und März 1943 aus der Wohnung Adam deportiert wurden. Anfang April 1942 wurde Frieda Lewin im Alter von 39 Jahren zusammen mit 1000 Menschen nach Trawniki (Arbeitsvernichtungslager) deportiert. Der Zug kam jedoch letztlich in Warschau an. Das Todesdatum ist unbekannt; auch der Ort, denn viele Menschen wurden vom Warschauer Ghetto nach Treblinka gebracht und dort ermordet. <br />
Martin Lewin besitzt heute drei Briefe seiner Mutter: Den ersten schreibt sie an ihren Mann, den „lieben Salli“, der sich im Eastern Command Camp Nr.7 in Australien befindet. Sie weiß nicht, wie es den Jungen geht und wo sie sich aufhalten. Der zweite Brief ist an Verwandte gerichtet, und Frieda befindet sich bereits im Warschauer Ghetto. Sie bedankt sich für ein Paket. Der dritte und letzte Brief ist wieder an ihren Mann gerichtet. Ihren Absender gibt sie mit Warschau, Gartenstraße 27 an, das ist das Sammellager im Warschauer Ghetto. „…Nur die Sorgen um die Kinder machen mir manchmal zu schaffen“ und: “Die letzte Nachricht von den Kindern war sehr gut.“<br />
In der sogenannten Vermögenserklärung, die sie am 31. März, zwei Tage vor der Deportation ausfüllt, gibt sie an, dass ihr Ehemann in Australien und die Kinder in Amerika seien. Sie wusste also, dass ihre Familie gerettet war.<br />
Martin Lewin: „Meine Mutter war die heldenhafteste Frau. Sie rettete meinem Bruder und mir das Leben.“ <br />
Im Februar 1955 stellt Salomon Lewin einen Antrag auf Schäden an Freiheit und beruflichem Fortkommen beim Entschädigungsamt Berlin. Ihm wird Entschädigung für die fünf Monate in Sachsenhausen (750 DM) zugebilligt, nicht jedoch für die Jahre der Internierung in England und Australien: <br />
„Der Antragsteller ist am 12.5.1940 – nach dem Beginn des Westfeldzuges am 10.5.1940 – als Staatenloser von den englischen Behörden interniert worden. Die Internierung eines Staatenlosen oder feindlichen Ausländers im Kriegsfalle widerspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Sie wurde auch nicht dadurch ermöglicht, dass der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit oder den Schutz des deutschen Reiches verloren hatte, da er nicht deutscher Staatsangehöriger war. Daß die Internierung auch nicht auf Veranlassung der nat.soz. deutschen Regierung erfolgt ist, bedarf keiner weiteren Begründung.“<br />
Eine Kapitalentschädigung für entgangenes berufliches Fortkommen beziehungsweise für entgangene Entlohnung während der Haft- und Internierungszeit wird in Höhe von 11.000 DM gewährt.<br />
<br />
<br />
Martin und Jack (Joachim) Lewin hatten keine Anträge beim Entschädigungsamt Berlin gestellt, doch erhielt Martin Lewin im Jahr 1995 aufgrund des Abkommens mit der Claims Conference einen einmaligen Betrag in Höhe von ca. 2.500 Euro aus dem sogenannten Article 2 Fund.<br />
74 Jahre nach seiner Flucht kam Martin Lewin im Mai 2012 nach Berlin, um am Stolperstein seiner Mutter Kaddisch zu beten. Ohne die Existenz des Stolpersteins hätte er niemals Deutschland besucht. Auch die drei Briefe seiner Mutter, die sie 1941 und 1942 geschrieben hatte, ließ er sich hier zum ersten Mal übersetzen. Er selbst kann kein Deutsch mehr und wollte bis dahin auch nicht, dass jemand anderes von diesen Briefen Kenntnis erlangt.<br />

Frieda und Salomon Lewin lebten mit ihren beiden Söhnen in Baruth/Mark. Während des Pogroms am 10. November 1938 hatte sich ein Pöbelhaufen, angeführt von Nazis, vor dem Haus der Lewins versammelt. Sie brachen in das Haus ein und nahmen den Vater mit; er wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Die beiden Brüder Friedas, Kurt und Siegbert, die in Berlin lebten, wurden in der gleichen Nacht verhaftet.
Kurz darauf zog Frieda mit den beiden Söhnen nach Berlin, zunächst in die Wohnung ihres verhafteten Bruders Kurt, die über dessen Kurzwarengeschäft gelegen war. Frieda Lewin konnte ihre beiden Söhne Joachim und Martin, neun und acht Jahre alt, mit Hilfe des Œuvre de Secours aux Enfants im März 1939 nach Frankreich in Sicherheit bringen lassen. Martin und Joachim lebten zweieinhalb Jahre in verschiedenen Waisenhäusern in Frankreich; zunächst im Norden von Paris in Montmoracy, Maison de Régimes, und dann – nach der deutschen Invasion – im Château de Chaumont in Mainsat, Creuse in Vichy-Frankreich. Im August 1941 erhielten die Brüder auf Initiative des Amerikanischen Komitees zum Schutz europäischer Kinder die Zusicherung, in die USA auswandern zu dürfen. So konnten sieben Kinder von Château de Chaumont nach Marseille gebracht werden. Wegen einer Infektionskrankheit, an der eines der Kinder starb, verzögerte sich die Abreise von Marseille um mehrere Wochen. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Häfen von den Deutschen besetzt. Da es nicht möglich war, von Marseille aus mit dem Schiff nach den USA zu gelangen, mussten die Kinder auf dem Landweg über Toulouse, die Pyrenäen und Madrid nach Lissabon gebracht werden. Schließlich erreichten sie mit dem Schiff Serpa Pinto am 21. September 1941 die USA.
Der Vater, Salomon Lewin, wurde nach seiner Freilassung aus Sachsenhausen des Landes verwiesen, ohne seine Frau mitnehmen zu können. Seine beiden Schwäger, die ebenfalls entlassen worden waren und mit ihm nach England gingen, waren jung genug, um in die englische Armee zu gehen. Nachdem Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt hatte, wurde Salomon als unerwünschter Ausländer ausgewiesen und in ein Camp in Australien deportiert. Nach dem Krieg wurde er wieder nach England gebracht. Schließlich, 1951, konnte er zu seinen Söhnen in die USA reisen; da war er 55 Jahre alt und hatte seine Söhne, inzwischen 20 und 21 Jahre alt, dreizehn Jahre lang nicht gesehen.
Frieda Lewin zog Mitte Januar 1940 in die Wohnung von Richard Adam in ein Zimmer zur Untermiete und arbeitete als Fabrikarbeiterin. Sie hatte zu dieser Zeit keinerlei Nachrichten über den Aufenthaltsort ihres Mannes und ihrer beiden Söhne. Mit Schreiben vom 5. März 1941 wendet sich das Far Eastern Jewish Central Information Bureau for Emigrants in Shanghai (!) an das Comité Istraélite pur les enfants venant d’Allemagne et de l’Europe centrale in La Bourboule, Frankreich, mit der Bitte um Auskunft darüber, ob sie Informationen zum Aufenthaltsort von Martin und Joachim hätten. Die Initiative für dieses Schreiben ging von einer Frau „H. Less“ aus, die sich hilfesuchend an das Informationsbüro in Shanghai gewendet hatte. Es handelt sich hier offensichtlich um die Tochter von Klara Sabbath, der Schwester von Richard Adam, in dessen Wohnung Frieda Lewin ein Zimmer bewohnte. Hattie Less, geborene Sabbath, gesch. Feilchenfeld war nach Shanghai geflohen.
Das angeschriebene Komitee antwortet am 21. April 1941 nach Shanghai, dass sich die beiden Kinder im Heim Château de Chaumont befänden, dass sie zur Schule gingen und gesund seien. Die Kinder hätten der Mutter auch nach Deutschland geschrieben, doch habe sie diese Briefe anscheinend nicht erhalten. Die Direktorin solle beauftragt werden, dafür Sorge zu tragen, dass die Mutter informiert werde.
Frieda Lewin war die Erste, die aus der Wohnung Adam deportiert wurde – insgesamt waren es weitere sechs Menschen, die zwischen Juni 1942 und März 1943 aus der Wohnung Adam deportiert wurden. Anfang April 1942 wurde Frieda Lewin im Alter von 39 Jahren zusammen mit 1000 Menschen nach Trawniki (Arbeitsvernichtungslager) deportiert. Der Zug kam jedoch letztlich in Warschau an. Das Todesdatum ist unbekannt; auch der Ort, denn viele Menschen wurden vom Warschauer Ghetto nach Treblinka gebracht und dort ermordet.
Martin Lewin besitzt heute drei Briefe seiner Mutter: Den ersten schreibt sie an ihren Mann, den „lieben Salli“, der sich im Eastern Command Camp Nr.7 in Australien befindet. Sie weiß nicht, wie es den Jungen geht und wo sie sich aufhalten. Der zweite Brief ist an Verwandte gerichtet, und Frieda befindet sich bereits im Warschauer Ghetto. Sie bedankt sich für ein Paket. Der dritte und letzte Brief ist wieder an ihren Mann gerichtet. Ihren Absender gibt sie mit Warschau, Gartenstraße 27 an, das ist das Sammellager im Warschauer Ghetto. „…Nur die Sorgen um die Kinder machen mir manchmal zu schaffen“ und: “Die letzte Nachricht von den Kindern war sehr gut.“
In der sogenannten Vermögenserklärung, die sie am 31. März, zwei Tage vor der Deportation ausfüllt, gibt sie an, dass ihr Ehemann in Australien und die Kinder in Amerika seien. Sie wusste also, dass ihre Familie gerettet war.
Martin Lewin: „Meine Mutter war die heldenhafteste Frau. Sie rettete meinem Bruder und mir das Leben.“
Im Februar 1955 stellt Salomon Lewin einen Antrag auf Schäden an Freiheit und beruflichem Fortkommen beim Entschädigungsamt Berlin. Ihm wird Entschädigung für die fünf Monate in Sachsenhausen (750 DM) zugebilligt, nicht jedoch für die Jahre der Internierung in England und Australien:
„Der Antragsteller ist am 12.5.1940 – nach dem Beginn des Westfeldzuges am 10.5.1940 – als Staatenloser von den englischen Behörden interniert worden. Die Internierung eines Staatenlosen oder feindlichen Ausländers im Kriegsfalle widerspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Sie wurde auch nicht dadurch ermöglicht, dass der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit oder den Schutz des deutschen Reiches verloren hatte, da er nicht deutscher Staatsangehöriger war. Daß die Internierung auch nicht auf Veranlassung der nat.soz. deutschen Regierung erfolgt ist, bedarf keiner weiteren Begründung.“
Eine Kapitalentschädigung für entgangenes berufliches Fortkommen beziehungsweise für entgangene Entlohnung während der Haft- und Internierungszeit wird in Höhe von 11.000 DM gewährt.


Martin und Jack (Joachim) Lewin hatten keine Anträge beim Entschädigungsamt Berlin gestellt, doch erhielt Martin Lewin im Jahr 1995 aufgrund des Abkommens mit der Claims Conference einen einmaligen Betrag in Höhe von ca. 2.500 Euro aus dem sogenannten Article 2 Fund.
74 Jahre nach seiner Flucht kam Martin Lewin im Mai 2012 nach Berlin, um am Stolperstein seiner Mutter Kaddisch zu beten. Ohne die Existenz des Stolpersteins hätte er niemals Deutschland besucht. Auch die drei Briefe seiner Mutter, die sie 1941 und 1942 geschrieben hatte, ließ er sich hier zum ersten Mal übersetzen. Er selbst kann kein Deutsch mehr und wollte bis dahin auch nicht, dass jemand anderes von diesen Briefen Kenntnis erlangt.