Judis Nehlhans’ kurzes Leben hatte kaum begonnen, als es gewaltsam in Auschwitz endete. Sie wurde am 31. Oktober 1941 in Berlin geboren. Am 29. November 1942 wurde das einjährige Kleinkind zusammen mit seiner Mutter, dem Vater und der siebenjährigen Schwester Adele in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Judis Nehlhans war die Tochter des Kaufmanns Arthur Nehlhans (*1899) und der Gertrud Nehlhans, geborene Hirschfeld (*1905). Ihre Mutter stammte aus Gießen und war die Tochter des dortigen Rabbiners und Philosophen Dr. Leo Jehuda Hirschfeld und der Adele Hirschfeld, geborene Schwab. Ihr Vater war der Sohn des Berliner Kaufmanns und Gemeindevorstehers der Alten Synagoge in der Heidereutergasse 4, Max Markus Nehlhans und der Bertha Nehlhans, geborene Seide. Judis hatte noch eine ältere Schwester namens Adele, die 1934 in Berlin zur Welt gekommen war.
Judis Nehlhans wurde 1941 in eine Gesellschaft hineingeboren, in der sie aufgrund ihrer Geburt als Tochter jüdischer Eltern als „Volksfeindin“ galt und antsiemitischer Verfolgung ausgesetzt war. Es kann für ihre Eltern nicht leicht gewesen sein, den Säugling Anfang der 1940er-Jahre zu versorgen. Für die Mittel des täglichen Bedarfs reichten die diskriminierenden Lebensmittelkarten für Jüdinnen und Juden kaum aus, die nur in bestimmten Geschäften und zu beschränkten Zeiten zum Bezug von Nahrung berechtigten. 1942 wurden auch diese Mittel noch einmal drastisch eingeschränkt. Sie erhielten beispielsweise kein Fleisch, keine Eier und keine Milch mehr, außerdem keine Weizenerzeugnisse wie Mehl und Weißbrot.
Ihr Vater hatte ein Ladengeschäft in Berlin gehabt, musste aber das Geschäft für Luxuspapierwaren und Postkarten, das er zuletzt in der Artilleriestraße 31 geführt hatte, nach den Pogromen im Juni und November 1938 zwangsweise aufgeben. Ende 1939 oder Anfang 1940 war die Familie von der Artilleriestraße in eine neue Wohnung in der Elsässer Straße 54 (heutige Torstraße 210) in Mitte gezogen. Spätestens jetzt war das Leben für alle Angehörigen der Familie in Berlin zum reinen Existenzkampf geworden. So konnten sich Judis’ Eltern und ihre Schwester Adele mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ vom 19. des Monats an nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass Judis’ Vater und ihre Mutter zu dieser Zeit zu Zwangsarbeit in Berliner Betrieben herangezogen worden waren.
Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Jüdinnen und Juden beginnen würde. Arthur Nehlhans und seine Ehefrau erhielten den Deportationsbescheid im Herbst 1942. Sie mussten ihre Wohnung in der Elsässer Straße 54 räumen und wurden mit ihren Töchtern in einem der Berliner Sammellager interniert. Am 29. November 1942 wurden die vier mit dem „23. Osttransport“ aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Arthur war zum Zeitpunkt der Deportation 43 Jahre alt, Gertrud 37 und Adele Nehlhans sieben Jahre alt. Judis war gerade ein Jahr alt geworden.