Otto Iwan Driesen

Location 
Waitzstr. 7
District
Charlottenburg
Stone was laid
12 May 2023
Born
01 March 1875 in Segnitz (Unterfranken)
Occupation
Lehrer
Escape
1939 Frankreich
Interniert
in Drancy
Deportation
on 25 March 1943 to Sobibor
Murdered
1943 in Sobibor

Otto Iwan Driesen kam am 1. März 1875 in Segnitz/Unterfranken als erstes Kind des Lehrers Jakob Driesen und seiner Ehefrau Henriette, geb Herzstein, zur Welt. Zwei Jahre später wurde sein Bruder Wilhelm geboren. Die Familie zog nach Tauberbischofsheim, wo Otto Driesen das Großherzogliche Badische Gymnasium besuchte.

Ab 1893 studierte er in Berlin, Paris und Heidelberg zunächst Rechts- und Staatswissenschaften, wechselte 1895 das Studienfach zu Geschichte und Neueren Sprachen und und legte 1900 in Straßburg das Staatsexamen für die Lehrbefähigung in den Fächern Geschichte, Französisch, Englisch, Latein, Deutsch und Erdkunde ab. Danach absolvierte er ein Probejahr am Großherzoglichen Gymnasium in Karlsruhe, wohin seine Eltern inzwischen gezogen waren, und betrieb weitere Studien. 1901 wurde er in Straßburg in romanischer Philologie mit seiner Dissertation „Der Ursprung des Harlekins" promoviert.

Otto Driesen heiratete 1901 die am 24.6.1876 in Paris geborene Henriette Rosenbaum und lebte mit ihr und den Kindern Martha (geb 1902) und Reinhold (geb. 1906) in der damals noch unabhängigen Stadt Charlottenburg. Bis 1907 verdiente er den Lebensunterhalt als Privatgelehrter und veröffentlichte Aufsätze in Zeitschriften und Lexika. 1908 wurde er zunächst als Oberlehrer an einer Realschule in Charlottenburg angestellt, ab 1910 als stellv. Schulleiter der Charlottenburger Waldschule, die kränkelnden Großstadtkindern Erholung am Rande der Stadt mit gleichzeitigem Schulbesuch ermöglichte. Zu dieser Zeit entwickelte er Vorstellungen, wie man moderne Medien - damals Kinematograph und Grammophon - in Wissenschaft und Unterricht nutzen könnte.

Nach dem  Ausbruch des Ersten Weltkrieges engagierte Otto Driesen sich zudem mit ziemlichem Erfolg bei der Sammlung von Gold für die Kriegskasse. Im März 1916 wurde er zunächst als „ungedienter Landsturmmann" einberufen, wechselte aber schon bald in das Kriegspresseamt in Berlin und setzte seine Karriere nach Stationen im Presseamt beim Reichskanzler und in der Waffenstillstandskommission in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes fort. Ende 1919 schied er aus dem preußischen Staatsdienst aus.

Im April 1921 trat er auf Empfehlung des Rabbiners Julius Galliner die Stelle als Direktor des Philanthropins, einer Schule der Israelitischen Gemeinde, in Frankfurt/Main an, und Familie Driesen zog nach Frankfurt. Die zahlreichen Reformprojekte, mit denen Otto Driesen das Philanthropin in der Schullandschaft konkurrenzfähiger machen wollte, führten 1922 zur Gründung einer angegliederten Frauenschule und mündeten 1925 in der Anerkennung als Realgymnasium. Ab 1928 war es ein „Schulwerk" vom Kindergarten bis zum Abitur, bzw. zum Abschluss der damals einzigen Schule für jüdische Frauen in Deutschland. Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 verhinderte die weitere positive Entwicklung der Schule unter Leitung von Otto Driesen. Das Philanthropin wurde von den Nazis 1941/1942 geschlossen.

In diesen Frankfurter Jahren musste Familie Driesen schwere Schicksalsschläge erleben. Der Sohn Reinhold verunglückte im April 1921 tödlich. Die Tochter Martha, die als Schriftstellerin in Berlin lebte, wurde 1926 dort in einer Nervenheilanstalt untergebracht. Nach einem halben Jahr wurde sie wieder entlassen und zog zu ihren Eltern nach Frankfurt. Sie erkrankte aber erneut und lebte seit März 1937 in der Israelitischen Jacoby'schen Heil-und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn in der Nähe von Koblenz. Von dort wurde sie 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Otto Driesen ging zum 1. April 1937 im Alter von 62 Jahren in den Ruhestand und zog im September 1937 mit seiner Frau nach Berlin. 

Dort wohnte das Ehepaar Driesen in der Pension Stadthagen in der Konstanzer Straße 7 in Wilmersdorf bis es die Wohnung in der Waitzstraße 7 beziehen konnte. Die zunehmend bedrohlicher werdenden Verfolgungsmaßnamen der Nationalsozialisten veranlassten Otto und Henriette Driesen am 27. April 1939 nach Paris, der Geburtsstadt von Henriette, zu fliehen. Sie lebten in der Rue Gart No. 9 in St. Mandé, einer östlichen Vorstadt von Paris. 

Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht im Juni 1940 wurden Otto und Henriette Driesen verhaftet und im berüchtigten „Sammel- und Durchgangslager" Drançy bei Paris interniert, wo heute auf der „Mauer der Namen" an sie erinnert wird. Von dort wurden sie am 25. März 1943 mit dem Transport Nr. 53 zusammen mit weiteren 1006 Inhaftierten in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 27./28. März 1943 ermordet.

Seit 2004 liegt für Otto Driesen ein Stolperstein vor seinem Geburtshaus in Segnitz.