Location
Wielandstr. 30
District
Charlottenburg
Stone was laid
03 April 2009
Born
30 May 1872 in Berlin
Murdered
29 November 1938 im KZ Sachsenhausen
Richard Wilde war der Sohn von Julius und Anna Wilde und wurde am 30. Mai 1872 in Berlin geboren. Richard machte das Abitur am Berliner Wilhelm-Gymnasium und studierte anschließend Philosophie und Literaturwissenschaften. Einen Abschluss machte er nicht, er betätigte sich schon früh als Autor und Journalist. 1897 führte das Adressbuch den 25-jährigen erstmals als Schriftsteller mit einer eigenen Wohnung in Lichterfelde, 1902 als Schriftsteller und Redakteur des Berliner Börsen-Couriers, einer linksliberalen Wirtschafts-Tageszeitung mit bedeutsamen Politik- und Kulturteil. Richard Wilde war Redakteur für das Ressort Lokalnachrichten. Diese Stelle bekam er vermutlich 1901 und hatte sie über drei Jahrzehnte. Auch 1901, im April, heiratete er die 1878 als Tochter eines Freiburger Kaufmannes geborene Hermine Pollack. Am 24. Oktober 1903 wurde ihr erster Sohn Joachim Hans geboren. Erst 1911 folgte der zweite Sohn, Wolfgang.
Im Laufe der Jahre machte sich Richard Wilde einen Namen als Theaterkritiker und Bühnenautor. Er verfasste Theaterstücke und Filmdrehbücher und arbeitete als Redakteur neben dem Börsen-Courier auch für das 8-Uhr-Abendblatt und für den Berliner Drei Masken Verlag. Er war Schatzmeister – und somit Vorstandsmitglied – des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, jahrelang war er Herausgeber und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „Der Autor“. Als freiberuflicher Korrespondent schrieb er auch für Hallesche Nachrichten, Münchner Zeitung und für die Schweizer Thurgauer Zeitung.
Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der Fürther Straße in Wilmersdorf. 1905 zogen sie in die Geisbergstraße 23, wo sie viele Jahre bleiben würden. Sohn Joachim-Hans machte 1921 Abitur und wurde nach einer Banklehre ebenfalls Journalist, widmete sich ab 1928 als „Propagandist“ hauptsächlich der Werbung beim Ullstein-Verlag. 1930 heiratete er und machte sich selbständig mit einem „Propagandabüro mit Inseratwerbung“. Als der Deutsche Reklameverband, dessen Mitglied er war, 1934 gleichgeschaltet wurde, wurde er als Jude ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Auch sein Vater konnte ab 1934 in seinen Sparten nicht mehr arbeiten, ein Vorstandskollege des Bühnenschriftsteller-Verbandes ermöglichte ihm noch, unter Pseudonym in „Der Autor“ zu schreiben.
Der zweite Sohn Wolfgang Wilde, geboren am 31. Mai 1911, der noch bei den Eltern in der Geisbergstraße wohnte, war schon 1933 von seiner Stelle als kaufmännischer Angestellter beim Mitteleuropäischen Reisebüro entlassen worden. Erst 1936 fand er wieder Arbeit in dem Französischen Reisebüro. In diesem Jahr zog er zusammen mit seinen Eltern Richard und Hermine in eine sicherlich bescheidenere Wohnung im Hinterhof Parterre der Wielandstraße 30. 1937 verlor sein Bruder Joachim-Hans, der noch Arbeit bei der russischen Werbeagentur Torgprom gefunden hatte, auch diese Stellung, da die Agentur aufgelöst wurde. Daraufhin emigrierte er im Juni 1938 mit Frau und Kind nach Argentinien. Richard Wilde blieb in Berlin und sein Bekanntheitsgrad sollte ihm zum Verhängnis werden. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 wurde er bei der anschließenden Verhaftungswelle in „Schutzhaft“ genommen, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 29. November ermordet. Offizielle Todesursache: „Apoplexie“ – Schlaganfall, sicherlich infolge von Misshandlungen. Er ist auf dem jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.
Zurück in der Wielandstraße blieben Wolfgang und seine Mutter Hermine. Wolfgang wurde mit Kriegsbeginn im Französischen Reisebüro wieder entlassen und zu Zwangsarbeit herangezogen als Transportarbeiter, zuletzt bei der Firma Vogel Draht- und Kabelwerke in Köpenick. Er und vor allem Hermine litten stark an den durch immer mehr antisemitische Verordnungen eingeschränkten Lebensbedingungen für Juden. Juden mussten alle Wertgegenstände abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, sie durften keine kulturellen Einrichtungen, auch keine Hotels und Gasthäuser besuchen. Zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen, überhaupt war ihnen das Verlassen der Stadt ohne Genehmigung untersagt. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel war ihnen verboten. Hinzu kam die Stigmatisierung durch das Tragen des Judensterns, ein Stern war auch an Hermines Wohnungstür angebracht. Ob sie, wie ihr Sohn, auch zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, wissen wir nicht.
Am 7. Juli 1942 wurde Hermine Wilde in der Wielandstraße 30 von der Gestapo abgeholt, in das zum Sammellager umfunktionierte Heim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und anschließend, am 9. Juli, nach Theresienstadt deportiert. Den dortigen inhumanen Lebensumständen zum Trotz überlebte sie bis Anfang 1945 und wurde am 5. Februar einem der SS abgerungenen Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz zugeteilt. Dort starb sie 1953.
Wolfgang Wilde blieb allein zurück: der Vater ermordet, die Mutter deportiert, der Bruder geflüchtet. Er wurde nun angewiesen, zur Untermiete in die Giesebrechtstraße 22 bei Gensler zu ziehen. Dies sollte seine letzte Adresse sein: Ende März 1943 musste er die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, worauf in der Regel unmittelbar der Deportation folgte. Vermögen gab es allerdings nicht mehr, einzige Angabe: „diverse Einzelmöbel“. Aus nicht bekannten Gründen wurde seine Verschleppung noch um einige Monate herausgeschoben. Im Juni 1943 wurde er dann im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und am 28. des gleichen Monats mit weiteren 313 Menschen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wir wissen nicht, ob er zu den 136 sofort in die Gaskammern geschickten Opfer gehörte – sein Todesdatum ist nicht bekannt.
Wolfgang Wildes letzter Vermieter, Julius Gensler, am 12. Oktober 1881 in Posen geboren, war bereits am 12. Januar 1943 zusammen mit Gertrud Stenger, geb. Gensler, vermutlich seine Schwester, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Im Laufe der Jahre machte sich Richard Wilde einen Namen als Theaterkritiker und Bühnenautor. Er verfasste Theaterstücke und Filmdrehbücher und arbeitete als Redakteur neben dem Börsen-Courier auch für das 8-Uhr-Abendblatt und für den Berliner Drei Masken Verlag. Er war Schatzmeister – und somit Vorstandsmitglied – des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, jahrelang war er Herausgeber und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „Der Autor“. Als freiberuflicher Korrespondent schrieb er auch für Hallesche Nachrichten, Münchner Zeitung und für die Schweizer Thurgauer Zeitung.
Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der Fürther Straße in Wilmersdorf. 1905 zogen sie in die Geisbergstraße 23, wo sie viele Jahre bleiben würden. Sohn Joachim-Hans machte 1921 Abitur und wurde nach einer Banklehre ebenfalls Journalist, widmete sich ab 1928 als „Propagandist“ hauptsächlich der Werbung beim Ullstein-Verlag. 1930 heiratete er und machte sich selbständig mit einem „Propagandabüro mit Inseratwerbung“. Als der Deutsche Reklameverband, dessen Mitglied er war, 1934 gleichgeschaltet wurde, wurde er als Jude ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Auch sein Vater konnte ab 1934 in seinen Sparten nicht mehr arbeiten, ein Vorstandskollege des Bühnenschriftsteller-Verbandes ermöglichte ihm noch, unter Pseudonym in „Der Autor“ zu schreiben.
Der zweite Sohn Wolfgang Wilde, geboren am 31. Mai 1911, der noch bei den Eltern in der Geisbergstraße wohnte, war schon 1933 von seiner Stelle als kaufmännischer Angestellter beim Mitteleuropäischen Reisebüro entlassen worden. Erst 1936 fand er wieder Arbeit in dem Französischen Reisebüro. In diesem Jahr zog er zusammen mit seinen Eltern Richard und Hermine in eine sicherlich bescheidenere Wohnung im Hinterhof Parterre der Wielandstraße 30. 1937 verlor sein Bruder Joachim-Hans, der noch Arbeit bei der russischen Werbeagentur Torgprom gefunden hatte, auch diese Stellung, da die Agentur aufgelöst wurde. Daraufhin emigrierte er im Juni 1938 mit Frau und Kind nach Argentinien. Richard Wilde blieb in Berlin und sein Bekanntheitsgrad sollte ihm zum Verhängnis werden. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 wurde er bei der anschließenden Verhaftungswelle in „Schutzhaft“ genommen, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 29. November ermordet. Offizielle Todesursache: „Apoplexie“ – Schlaganfall, sicherlich infolge von Misshandlungen. Er ist auf dem jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.
Zurück in der Wielandstraße blieben Wolfgang und seine Mutter Hermine. Wolfgang wurde mit Kriegsbeginn im Französischen Reisebüro wieder entlassen und zu Zwangsarbeit herangezogen als Transportarbeiter, zuletzt bei der Firma Vogel Draht- und Kabelwerke in Köpenick. Er und vor allem Hermine litten stark an den durch immer mehr antisemitische Verordnungen eingeschränkten Lebensbedingungen für Juden. Juden mussten alle Wertgegenstände abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, sie durften keine kulturellen Einrichtungen, auch keine Hotels und Gasthäuser besuchen. Zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen, überhaupt war ihnen das Verlassen der Stadt ohne Genehmigung untersagt. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel war ihnen verboten. Hinzu kam die Stigmatisierung durch das Tragen des Judensterns, ein Stern war auch an Hermines Wohnungstür angebracht. Ob sie, wie ihr Sohn, auch zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, wissen wir nicht.
Am 7. Juli 1942 wurde Hermine Wilde in der Wielandstraße 30 von der Gestapo abgeholt, in das zum Sammellager umfunktionierte Heim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und anschließend, am 9. Juli, nach Theresienstadt deportiert. Den dortigen inhumanen Lebensumständen zum Trotz überlebte sie bis Anfang 1945 und wurde am 5. Februar einem der SS abgerungenen Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz zugeteilt. Dort starb sie 1953.
Wolfgang Wilde blieb allein zurück: der Vater ermordet, die Mutter deportiert, der Bruder geflüchtet. Er wurde nun angewiesen, zur Untermiete in die Giesebrechtstraße 22 bei Gensler zu ziehen. Dies sollte seine letzte Adresse sein: Ende März 1943 musste er die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, worauf in der Regel unmittelbar der Deportation folgte. Vermögen gab es allerdings nicht mehr, einzige Angabe: „diverse Einzelmöbel“. Aus nicht bekannten Gründen wurde seine Verschleppung noch um einige Monate herausgeschoben. Im Juni 1943 wurde er dann im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und am 28. des gleichen Monats mit weiteren 313 Menschen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wir wissen nicht, ob er zu den 136 sofort in die Gaskammern geschickten Opfer gehörte – sein Todesdatum ist nicht bekannt.
Wolfgang Wildes letzter Vermieter, Julius Gensler, am 12. Oktober 1881 in Posen geboren, war bereits am 12. Januar 1943 zusammen mit Gertrud Stenger, geb. Gensler, vermutlich seine Schwester, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Richard Wilde war der Sohn von Julius und Anna Wilde und wurde am 30. Mai 1872 in Berlin geboren. Richard machte das Abitur am Berliner Wilhelm-Gymnasium und studierte anschließend Philosophie und Literaturwissenschaften. Einen Abschluss machte er nicht, er betätigte sich schon früh als Autor und Journalist. 1897 führte das Adressbuch den 25-jährigen erstmals als Schriftsteller mit einer eigenen Wohnung in Lichterfelde, 1902 als Schriftsteller und Redakteur des Berliner Börsen-Couriers, einer linksliberalen Wirtschafts-Tageszeitung mit bedeutsamen Politik- und Kulturteil. Richard Wilde war Redakteur für das Ressort Lokalnachrichten. Diese Stelle bekam er vermutlich 1901 und hatte sie über drei Jahrzehnte. Auch 1901, im April, heiratete er die 1878 als Tochter eines Freiburger Kaufmannes geborene Hermine Pollack. Am 24. Oktober 1903 wurde ihr erster Sohn Joachim Hans geboren. Erst 1911 folgte der zweite Sohn, Wolfgang.
Im Laufe der Jahre machte sich Richard Wilde einen Namen als Theaterkritiker und Bühnenautor. Er verfasste Theaterstücke und Filmdrehbücher und arbeitete als Redakteur neben dem Börsen-Courier auch für das 8-Uhr-Abendblatt und für den Berliner Drei Masken Verlag. Er war Schatzmeister – und somit Vorstandsmitglied – des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, jahrelang war er Herausgeber und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „Der Autor“. Als freiberuflicher Korrespondent schrieb er auch für Hallesche Nachrichten, Münchner Zeitung und für die Schweizer Thurgauer Zeitung.
Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der Fürther Straße in Wilmersdorf. 1905 zogen sie in die Geisbergstraße 23, wo sie viele Jahre bleiben würden. Sohn Joachim-Hans machte 1921 Abitur und wurde nach einer Banklehre ebenfalls Journalist, widmete sich ab 1928 als „Propagandist“ hauptsächlich der Werbung beim Ullstein-Verlag. 1930 heiratete er und machte sich selbständig mit einem „Propagandabüro mit Inseratwerbung“. Als der Deutsche Reklameverband, dessen Mitglied er war, 1934 gleichgeschaltet wurde, wurde er als Jude ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Auch sein Vater konnte ab 1934 in seinen Sparten nicht mehr arbeiten, ein Vorstandskollege des Bühnenschriftsteller-Verbandes ermöglichte ihm noch, unter Pseudonym in „Der Autor“ zu schreiben.
Der zweite Sohn Wolfgang Wilde, geboren am 31. Mai 1911, der noch bei den Eltern in der Geisbergstraße wohnte, war schon 1933 von seiner Stelle als kaufmännischer Angestellter beim Mitteleuropäischen Reisebüro entlassen worden. Erst 1936 fand er wieder Arbeit in dem Französischen Reisebüro. In diesem Jahr zog er zusammen mit seinen Eltern Richard und Hermine in eine sicherlich bescheidenere Wohnung im Hinterhof Parterre der Wielandstraße 30. 1937 verlor sein Bruder Joachim-Hans, der noch Arbeit bei der russischen Werbeagentur Torgprom gefunden hatte, auch diese Stellung, da die Agentur aufgelöst wurde. Daraufhin emigrierte er im Juni 1938 mit Frau und Kind nach Argentinien. Richard Wilde blieb in Berlin und sein Bekanntheitsgrad sollte ihm zum Verhängnis werden. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 wurde er bei der anschließenden Verhaftungswelle in „Schutzhaft“ genommen, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 29. November ermordet. Offizielle Todesursache: „Apoplexie“ – Schlaganfall, sicherlich infolge von Misshandlungen. Er ist auf dem jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.
Zurück in der Wielandstraße blieben Wolfgang und seine Mutter Hermine. Wolfgang wurde mit Kriegsbeginn im Französischen Reisebüro wieder entlassen und zu Zwangsarbeit herangezogen als Transportarbeiter, zuletzt bei der Firma Vogel Draht- und Kabelwerke in Köpenick. Er und vor allem Hermine litten stark an den durch immer mehr antisemitische Verordnungen eingeschränkten Lebensbedingungen für Juden. Juden mussten alle Wertgegenstände abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, sie durften keine kulturellen Einrichtungen, auch keine Hotels und Gasthäuser besuchen. Zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen, überhaupt war ihnen das Verlassen der Stadt ohne Genehmigung untersagt. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel war ihnen verboten. Hinzu kam die Stigmatisierung durch das Tragen des Judensterns, ein Stern war auch an Hermines Wohnungstür angebracht. Ob sie, wie ihr Sohn, auch zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, wissen wir nicht.
Am 7. Juli 1942 wurde Hermine Wilde in der Wielandstraße 30 von der Gestapo abgeholt, in das zum Sammellager umfunktionierte Heim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und anschließend, am 9. Juli, nach Theresienstadt deportiert. Den dortigen inhumanen Lebensumständen zum Trotz überlebte sie bis Anfang 1945 und wurde am 5. Februar einem der SS abgerungenen Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz zugeteilt. Dort starb sie 1953.
Wolfgang Wilde blieb allein zurück: der Vater ermordet, die Mutter deportiert, der Bruder geflüchtet. Er wurde nun angewiesen, zur Untermiete in die Giesebrechtstraße 22 bei Gensler zu ziehen. Dies sollte seine letzte Adresse sein: Ende März 1943 musste er die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, worauf in der Regel unmittelbar der Deportation folgte. Vermögen gab es allerdings nicht mehr, einzige Angabe: „diverse Einzelmöbel“. Aus nicht bekannten Gründen wurde seine Verschleppung noch um einige Monate herausgeschoben. Im Juni 1943 wurde er dann im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und am 28. des gleichen Monats mit weiteren 313 Menschen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wir wissen nicht, ob er zu den 136 sofort in die Gaskammern geschickten Opfer gehörte – sein Todesdatum ist nicht bekannt.
Wolfgang Wildes letzter Vermieter, Julius Gensler, am 12. Oktober 1881 in Posen geboren, war bereits am 12. Januar 1943 zusammen mit Gertrud Stenger, geb. Gensler, vermutlich seine Schwester, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Im Laufe der Jahre machte sich Richard Wilde einen Namen als Theaterkritiker und Bühnenautor. Er verfasste Theaterstücke und Filmdrehbücher und arbeitete als Redakteur neben dem Börsen-Courier auch für das 8-Uhr-Abendblatt und für den Berliner Drei Masken Verlag. Er war Schatzmeister – und somit Vorstandsmitglied – des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, jahrelang war er Herausgeber und Chefredakteur der Verbandszeitschrift „Der Autor“. Als freiberuflicher Korrespondent schrieb er auch für Hallesche Nachrichten, Münchner Zeitung und für die Schweizer Thurgauer Zeitung.
Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der Fürther Straße in Wilmersdorf. 1905 zogen sie in die Geisbergstraße 23, wo sie viele Jahre bleiben würden. Sohn Joachim-Hans machte 1921 Abitur und wurde nach einer Banklehre ebenfalls Journalist, widmete sich ab 1928 als „Propagandist“ hauptsächlich der Werbung beim Ullstein-Verlag. 1930 heiratete er und machte sich selbständig mit einem „Propagandabüro mit Inseratwerbung“. Als der Deutsche Reklameverband, dessen Mitglied er war, 1934 gleichgeschaltet wurde, wurde er als Jude ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Auch sein Vater konnte ab 1934 in seinen Sparten nicht mehr arbeiten, ein Vorstandskollege des Bühnenschriftsteller-Verbandes ermöglichte ihm noch, unter Pseudonym in „Der Autor“ zu schreiben.
Der zweite Sohn Wolfgang Wilde, geboren am 31. Mai 1911, der noch bei den Eltern in der Geisbergstraße wohnte, war schon 1933 von seiner Stelle als kaufmännischer Angestellter beim Mitteleuropäischen Reisebüro entlassen worden. Erst 1936 fand er wieder Arbeit in dem Französischen Reisebüro. In diesem Jahr zog er zusammen mit seinen Eltern Richard und Hermine in eine sicherlich bescheidenere Wohnung im Hinterhof Parterre der Wielandstraße 30. 1937 verlor sein Bruder Joachim-Hans, der noch Arbeit bei der russischen Werbeagentur Torgprom gefunden hatte, auch diese Stellung, da die Agentur aufgelöst wurde. Daraufhin emigrierte er im Juni 1938 mit Frau und Kind nach Argentinien. Richard Wilde blieb in Berlin und sein Bekanntheitsgrad sollte ihm zum Verhängnis werden. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 wurde er bei der anschließenden Verhaftungswelle in „Schutzhaft“ genommen, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 29. November ermordet. Offizielle Todesursache: „Apoplexie“ – Schlaganfall, sicherlich infolge von Misshandlungen. Er ist auf dem jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.
Zurück in der Wielandstraße blieben Wolfgang und seine Mutter Hermine. Wolfgang wurde mit Kriegsbeginn im Französischen Reisebüro wieder entlassen und zu Zwangsarbeit herangezogen als Transportarbeiter, zuletzt bei der Firma Vogel Draht- und Kabelwerke in Köpenick. Er und vor allem Hermine litten stark an den durch immer mehr antisemitische Verordnungen eingeschränkten Lebensbedingungen für Juden. Juden mussten alle Wertgegenstände abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, sie durften keine kulturellen Einrichtungen, auch keine Hotels und Gasthäuser besuchen. Zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen, überhaupt war ihnen das Verlassen der Stadt ohne Genehmigung untersagt. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel war ihnen verboten. Hinzu kam die Stigmatisierung durch das Tragen des Judensterns, ein Stern war auch an Hermines Wohnungstür angebracht. Ob sie, wie ihr Sohn, auch zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, wissen wir nicht.
Am 7. Juli 1942 wurde Hermine Wilde in der Wielandstraße 30 von der Gestapo abgeholt, in das zum Sammellager umfunktionierte Heim in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht und anschließend, am 9. Juli, nach Theresienstadt deportiert. Den dortigen inhumanen Lebensumständen zum Trotz überlebte sie bis Anfang 1945 und wurde am 5. Februar einem der SS abgerungenen Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz zugeteilt. Dort starb sie 1953.
Wolfgang Wilde blieb allein zurück: der Vater ermordet, die Mutter deportiert, der Bruder geflüchtet. Er wurde nun angewiesen, zur Untermiete in die Giesebrechtstraße 22 bei Gensler zu ziehen. Dies sollte seine letzte Adresse sein: Ende März 1943 musste er die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, worauf in der Regel unmittelbar der Deportation folgte. Vermögen gab es allerdings nicht mehr, einzige Angabe: „diverse Einzelmöbel“. Aus nicht bekannten Gründen wurde seine Verschleppung noch um einige Monate herausgeschoben. Im Juni 1943 wurde er dann im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und am 28. des gleichen Monats mit weiteren 313 Menschen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wir wissen nicht, ob er zu den 136 sofort in die Gaskammern geschickten Opfer gehörte – sein Todesdatum ist nicht bekannt.
Wolfgang Wildes letzter Vermieter, Julius Gensler, am 12. Oktober 1881 in Posen geboren, war bereits am 12. Januar 1943 zusammen mit Gertrud Stenger, geb. Gensler, vermutlich seine Schwester, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.