Michael Scharff

Location 
Barnimstraße 18
Historical name
Barnimstr. 20
District
Friedrichshain
Stone was laid
08 May 2023
Born
01 April 1938 in Berlin
Deportation
on 26 February 1943 to Auschwitz
Murdered
February 1943 in Auschwitz

Michael Scharff wurde am 1. April 1938 im Jüdischen Krankenhaus Berlin geboren. Er war der zweite Sohn von Ottilie Reich geb. Scharff und kam unehelich zur Welt. Michaels Mutter, die seit 1936 von ihrem ersten Ehemann geschieden war, lebte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Vater Bernhard Behrendt, der verwitwet war, und dessen Sohn, Günther (Gideon) Behrendt, in der Elsässer Straße 34 zusammen. Mit Bernhard Behrendt hatte Ottilie Reich zuvor schon eine uneheliche Tochter Gina Scharff, die im Oktober 1928 in Berlin zur Welt gekommen war und die nun im Reichenheim'schen Waisenhaus am Weinbergsweg 13 in Berlin lebte. Die beiden Kinder von Ottilie Reich und Bernhard Behrendt, Gina und Michael Scharff, standen unter der Vormundschaft des Jugendamtes.

Michaels Halbbruder, Günther (Gideon) Behrendt, erinnerte sich 2001 in seinem Buch »Mit dem Kindertransport in die Freiheit«, dass es in der kleinen Wohnung bald noch enger wurde, denn Tante Ottilie, wie er sie nannte, brauchte mehr Platz, da sie schwanger war. So zog die Familie wieder um – es blieb nichts, als in einem langen, schmalen und düsteren Lagerraum hinter einem Laden in der Elsässer Straße unterzukommen. Günther (Gideon) erinnerte sich an den Kinderwagen, der vor dem schmalen, hohen Fenster abgestellt war. Das Geschrei seines kleinen Halbbruders Michael konnte er nicht vergessen.  

Kurz nach Michaels Geburt wurde sein Vater im Juni 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Für Michaels Mutter verschlechterte sich die ohnehin schwierige Lebenslage zunehmend, denn der Vater ihrer Kinder konnte nun seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Noch im Juni 1938 organisierte Ottilie Reich wohl kurzfristig die Unterbringung von Günther (Gideon) Behrendt im jüdischen Kinderheim in der Fehrbelliner Straße 92.

Ottilie Reich versuchte, ihre finanzielle Situation zu verbessern; sie sprach beim Wohlfahrtsamt Berlin-Mitte vor und suchte auch um Unterstützung bei der Jüdischen Gemeinde in Berlin.

Im Oktober 1938 bewohnten Ottilie Reich und ihr Sohn Michael Scharff eine Kochstube in der Barnimstraße 20 v. II. Diese Wohnung gehörte dem städtischen Wohlfahrtsamt.

Nach fast sieben Monaten Haft wurde Michaels Vater, Bernhard Behrendt, am 10. Januar 1939 aus dem KZ Buchenwald entlassen. Er entschloss sich zur Flucht aus Deutschland und sollte viele Jahre in Shanghai/China leben. Bis zu seiner Ausreise weilte er noch in Berlin bei Ottilie Reich und seinem Sohn Michael. 

Michaels Schwester Gina Scharff konnte am 20. Juni 1939 mit einem Kindertransport nach England gelangen und so gerettet werden. Sie wurde später von einer Familie in Schottland adoptiert. Günther (Gideon) Behrendt, der schon im Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach England gelangen konnte, besuchte 1943 als Angehöriger der Britischen Armee seine Halbschwester in Schottland. 

Im Oktober 1941 begannen die systematischen Deportationen der jüdischen Bevölkerung auch von Berlin aus. Etwa ein Jahr später wohnten Ottilie Reich und ihr Sohn Michael wahrscheinlich in einer sog. Judenwohnung in der Friedenstraße 4 zur Untermiete bei Markus. In einem Pflegebericht vom 12. August 1942 wurde Michael Scharff eine normale und gute körperliche Entwicklung attestiert. Er ist ein »aufgeweckter, intelligenter Junge«, heißt es im Bericht. Michael wurde tagsüber im Kindergarten in der Friedenstraße 3 betreut, während seine Mutter Zwangsarbeit leisten musste.

Ein halbes Jahr später, am 26. Februar 1943, fuhr der 30. Osttransport von Berlin nach Auschwitz. Mit diesem Transport wurden Ottilie Reich und ihr jüngster Sohn Michael Scharff deportiert. Michael Scharff war 4 Jahre und 10 Monate, seine Mutter Ottilie Reich 35 Jahre alt. Es ist davon auszugehen, dass Mutter und Sohn direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurden.