Dr. Emanuel Hiller

Location 
Dortmunder Straße 13
District
Moabit
Stone was laid
20 May 2014
Born
23 December 1895 in Kolberg (Pommern) / Kołobrzeg
Verhaftet
September 1942 to October 1942 in Sachsenhausen
Deportation
in October 1942 to Auschwitz
Later deported
to Auschwitz
Murdered
05 November 1942 in Auschwitz

Emanuel Hiller wurde am 23. Dezember 1895 in der Küstenstadt Kolberg (heute Kołobrzeg, Polen) geboren. Die Stadt liegt an der Mündung der Persante (Parsęta) in die Ostsee, etwa 150 Kilometer nordöstlich von Stettin (Szczecin). Emanuel war der Sohn des Kaufmanns Emil und dessen Ehefrau Karoline Hiller, geb. Bernhard. Sein Vater stammte aus Falkenburg (Złocieniec) am Rande der Pommerschen Schweiz, wo er 1860 geboren worden war; seine Mutter aus dem österreichisch-ungarischen Draßburg im Burgenland, wo sie 1869 zur Welt kam. Emanuels Eltern hatten 1894 in Berlin geheiratet und sich dann in Kolberg niedergelassen, wo Emil Hiller als Kaufmann tätig war. Emanuel wuchs im Kreis von vier Geschwistern auf: Er hatte drei jüngere Schwestern namens Helene (*1897), Irma (*1900) und Gertrud (*1902) sowie einen Bruder namens Wolfgang, der 1906 in Kolberg zur Welt kam. Zum Zeitpunkt der Geburt von Emanuel wohnte die Familie in einer Wohnung in der Wendenstraße 3 (heute Ratuszowa) am Preußenplatz (Plac płk. Anatola Przybylskiego). Die Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur relativ kleinen jüdischen Gemeinde der Stadt, die damals etwa 350 der rund 20.000 Einwohner zählte.

Nach seinem Schulabschluss begann Emanuel ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald, das durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde. Nach Kriegsbeginn wurde der Student rekrutiert – oder er meldete sich freiwillig zum Dienst – und als Soldat an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Nach dem Ende des Krieges nahm er sein juristisches Studium wieder auf und promovierte 1920 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald mit einer Arbeit mit dem Titel „Zur Frage der Wahrheitspflicht im Zivilprozeß“. In den 1920er-Jahren zog Emanuel nach Berlin, wo er sich eine Wohnung in der Ringstraße 2 in Friedenau (heute Dickhardtstraße) nahm. Laut Eintrag in seiner Berliner Meldekarte erklärte er am 23. Oktober 1926 den Austritt aus der jüdischen Gemeinschaft und wurde behördlich fortan als konfessionslos geführt. In beruflicher Hinsicht wandte sich Emmanuel dem Finanzsektor zu und war zuletzt als Bankbeamter in Berlin tätig. Er blieb ledig und kinderlos. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben des Finanzbeamten im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüd*innen ab 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Emanuel Hiller und seine Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden, Anfang der 1930er-Jahre nahm die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zu. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Emanuel zunehmend in die Position eines Rechtlosen. Im November 1933 zog er um und lebte in den nächsten Jahren zur Untermiete bei der Witwe B. Weber in der Essener Straße 19 in Moabit. 1935 wurde dem Bankbeamten Dr. Emanuel Hiller in Berlin das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen. Im Oktober 1937 zog er erneut um, dieses Mal zur Untermiete in eine Wohnung in der Dortmunder Straße 13. Ob Emmanuel in den 1930er-Jahren Pläne verfolgte, Deutschland zu verlassen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollte er konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für ihn in Berlin zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte er sich gemäß der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Im März 1941 erfolgte der letzte Umzug, in eine Wohnung in der Cuxhavener Straße 13 zur Untermiete bei dem Kaufmann I. Oppenheim.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 informierte die Gestapo die jüdische Gemeinde Berlins, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Dr. Emanuel Hiller wurde im. September 1942 im Rahmen einer „Sonderaktion“ verhaftet, die eventuell mit der damaligen Verhaftungswelle gegen mehr als 100 Mitglieder der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ in Verbindung stand. Er wurde zunächst in das KZ Sachsenhausen interniert. Von dort aus wurde der 46-Jährige im Oktober 1942 weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er laut den Lageraufzeichnungen der „Sterbebücher“ am 5. November 1942 ermordet wurde.

Die Geschwister von Emanuel Hiller überlebten die NS-Verfolgung: Wolfgang Hiller im Exil im britischen Mandatsgebiet Palästina; Irma Hiller, verh. Zander, gelang es in den 1930er-Jahren, nach Südamerika zu entkommen, wo sie in Montevideo in Uruguay lebte. Gertrud Hiller, verh. Geschke, die 1939 in Kolberg nach rassistischen NS-Kategorien in „Mischehe“ lebte, überlebte mit ihrem nichtjüdischen Ehemann Kurt und ihren beiden Kindern Klaus (*1930) und Käthe (*1933) Krieg und Verfolgung. Helene Hiller, verh. Jacobi, hatte sich mit ihrem Ehemann nach Südamerika retten können, wo sie mit ihren Kindern später in Buenos Aires in Argentinien lebten.