Walter Silberstein

Location 
Freiligrathstraße 4
District
Kreuzberg
Stone was laid
28 August 2021
Born
06 August 1910 in Berlin
Occupation
Kaufmann
Survived

Markus Max Walter Silberstein kam am 6. August 1910 in Berlin als Sohn von Max Silberstein und dessen Ehefrau Karoline, geb. Gaida, zur Welt. Der Vater gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an, die Mutter war katholisch. Walter hatte eine jüngere Schwester, Bertha (*1912), sowie zwei ältere Halbgeschwister, die seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte: Anna (*1895) und Erwin Paul (*1902). Der Vater verdiente den Lebensunterhalt der Familie mit verschiedenen Tätigkeiten: als Bäcker, Bauarbeiter, Gasanstaltsarbeiter oder Fuhrwerksbesitzer. Sie zogen häufig um und wohnten an verschiedenen Adressen im östlichen Kreuzberg und im südlichen Friedrichshain.

Walter Silberstein besuchte die 129. Volksschule in der Wassertorstraße und begann 1925 eine kaufmännische Lehre bei der Firma „Dago Toilettenartikel“ in der Alexandrinenstraße 95-96. Anfang der 1930er Jahre machte er sich mit einem Obst- und Gemüsehandel, den er auf Märkten betrieb, selbständig.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Silberstein. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Aufgrund des zunehmenden Boykotts jüdischer Geschäftsleute florierte Walter Silbersteins Geschäft ab 1936 nicht mehr so recht, so dass er sich nebenher als Kraftfahrer betätigte. 1938 musste er den Markt- und Straßenhandel endgültig aufgeben und war nur noch als Kraftfahrer beschäftigt. Von September 1940 bis Februar 1943 arbeitete Walter Silberstein als Verkaufsfahrer bei der in der Rungestraße 19 ansässigen Tabak-Firma Landfried, Landfried & Co.

Aus einer Beziehung mit der Nicht-Jüdin Hertha Ebel entstammte der am 14. Juli 1934 geborene Sohn Lothar Ebel. Das Paar trennte sich bald und da Hertha Ebel kein „jüdisches“ Kind großziehen wollte, brachte sie Lothar in die Obhut seines Vaters. Walter Silberstein verlobte sich Ende 1936 mit der Nicht-Jüdin Hildegard Hayard, geb. am 28. März 1918 in Berlin.

In den späten 1930er Jahren wohnte er mit seinem Sohn, seinem Vater Max – seine Mutter war 1935 gestorben – und der Schwester Bertha in der Freiligrathstraße 4.

Da er nur väterlicherseits jüdische Großeltern hatte, galt Walter Silberstein für die Nationalsozialisten als „Mischling 1. Grades“. Und obwohl er der jüdischen Religionsgemeinschaft nie angehört hatte – er war evangelisch getauft –, war er vor Anfeindungen nicht gefeit. In den Entschädigungsakten schildert Bertha Silberstein: „Weil mein Vater und damit auch die Kinder, nämlich mein Bruder Walter und ich, immer stärker bedrängt und belästigt wurden, zog ich etwa 1939 von zu Hause weg. Mein Bruder zog ebenfalls weg. 1941 wurde mein Elternhaus Freiligrathstraße 4 mit Parolen beschmiert, u.a. mit der Parole: Jude Silberstein raus.“

Walter Silberstein zog 1939 in die Kreuzberger Ritterstraße 4-5, in der auch seine Verlobte mit ihren Eltern wohnte. Da seine Verlobte „Arierin“ war, wurden sowohl Hildegard und ihre Mutter als auch Walter Silberstein mehrmals zur Gestapo bestellt und ihnen mit Verhaftung gedroht, wenn sie weiterhin miteinander verkehrten. Sie hielten sich zwar nicht an das Verbot, nahmen sich jedoch bei gemeinsamen Zusammenkünften sehr in Acht.

Die Familie Hayard nahm auch Walters Sohn Lothar zunächst bei sich auf. Sein „arischer“ Nachname schützte ihn und die Hayards hatten ohnehin sechs Kinder, da fiel einer mehr nicht auf. Lothar war zu klein, um das alles zu verstehen. Sein Vater war für ihn sicherheitshalber der „Onkel Walter“. Später nahm Walters ältere Halbschwester Anna, die mit ihrem Mann Emil Bauer in Rudow wohnte, den Jungen bei sich auf. Dort blieb Lothar Ebel bis Kriegsende.

Walters Vater Max Silberstein wurde am 27. Februar 1943 im Rahmen der „Fabrikaktion“ verhaftet. Als Walter dies erfuhr, machte er in Gegenwart des Blockwarts des Hauses Ritterstraße 4-5 dem damaligen Sinne nach staatsfeindliche Äußerungen. Da Walter Silberstein klar war, dass dieser ihn bei der Gestapo anzeigen würde, entschloss er sich, in die Illegalität zu gehen. Walter Silberstein versteckte sich bis Kriegsende bei verschiedenen Bekannten in Berlin. Seine Verlobte stand während der gesamten Zeit mit ihm in Verbindung, unterstützte ihn öfters mit Lebensmitteln und kümmerte sich um seine Wäsche.

Seine Schwester Bertha überlebte die Shoah ebenfalls versteckt in Berlin. Sein Vater wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Walter Silberstein heiratete am 9. Juni 1945 seine Verlobte Hildegard Hayard. Im November 1946 kam die gemeinsame Tochter Doris zur Welt. Die Familie lebte in Berlin-Neukölln.

Nach dem Krieg betrieb er die Speditionsfirma Walter Silberstein & Co., bis er diese 1951 aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben musste. Anschließend handelte er mit gebrauchten Kraftfahrzeugen, doch aufgrund einer längeren Krankheit musste er auch diese Tätigkeit beenden. Danach war Walter Silberstein als Fahrer bei einer Reinigungsfirma beschäftigt.

Seine Gesundheit war durch die Erlebnisse während der Verfolgungszeit beeinträchtigt. Seine Familie beschreibt ihn als Lebenskünstler, der gern feierte, gesellig und hilfsbereit war und dessen große Leidenschaft dem Karneval galt.

Walter Silberstein starb am 31. Mai 1979 in Berlin.