Louis Mendelsohn

Location 
Neue Grünstraße 28
District
Mitte
Stone was laid
20 September 2013
Born
27 August 1860 in Hohensalza/ Inowrazlaw
Deportation
on 07 August 1942 to Theresienstadt
Later deported
on 26 September 1942 to Treblinka
Murdered
in Treblinka

Louis Mendelsohn wurde am 27. August 1860 in Inowrazlaw (dem heutigen Inowrocław in Polen) geboren. Die Stadt liegt an der Netze (polnisch: Noteć) rund 40 Kilometer südöstlich von Bromberg (dem heutigen Bydgoszcz) und gehörte damals zur preußischen Provinz Posen. Louis Mendelsohn war der Sohn von Joseph und Anna Mendelsohn. Sein Vater war Inhaber einer Fleischerei und auch Louis sollte später in das Familiengeschäft eintreten und Fleischer werden. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Louis Mendelsohn in Inowrazlaw haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur bedeutenden jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Louis etwa 2300 der rund 6700 Einwohner zählten.

Auch wenn die vorliegenden Quellen nicht direkt darüber Auskunft geben, so ist anzunehmen, dass es sich bei Abraham und Jacob Mendelsohn sowie Sally Mendelsohn um Verwandte von Louis, möglicherweise um dessen Geschwister, handelte. Im 1903 erschienenen Adressbuch für Hohensalza – den Namen erhielt die Stadt Inowrazlaw zwischen 1903 und 1920 und zwischen 1939 und 1945 – wird Jacob Mendelsohn als Fleischermeister an der Adresse Synagogenstraße 13 (heutige ul. Wałowa) geführt. An derselben Adresse war Joseph Mendelsohn als Leibgedinger (Rentner) eingetragen, der offenbar sein Ladengeschäft in der Innenstadt an Jacob übergeben hatte. Abraham Mendelsohn wurde als Fleischermeister in der Fleischerstraße 6 (heute ul. Rzeźnicka) geführt; Sally als Kaufmann in der Kirchenstraße 11 (heutige ul. Kościelna) und Louis Mendelsohn als Fleischermeister in der Synagogenstraße 41. Am 6. Mai 1891 heiratete Louis Mendelsohn die zwei Jahre jüngere Pauline (auch Paula genannt) Haase. Die Tochter von Abraham und Dora Haase war 1862 in der damals preußischen Ortschaft Budsin (dem heutigen Budzyń), die rund 100 Kilometer westlich von Inowrazlaw liegt, geboren worden. Nach der Eheschließung hatten sich die Eheleute eine gemeinsame Wohnung in Inowrazlaw genommen, wo 1893 ihr erstes Kind, Sohn Leopold, zur Welt kam. In den Jahren 1895, 1896 und 1899 folgten Dorothea, Alma und Adolf Mendelsohn. Die Familie dürfte im Inowrazlaw/Hohensalza der Kaiserzeit zur gutbürgerlichen Mittelschicht gehört haben.

Wenigstens bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bestritt Louis Mendelsohn das Familieneinkommen mit seiner Fleischerei, die Kinder besuchten die Volksschule, Leopold und Adolf Mendelsohn absolvierten kaufmännische Ausbildungen im Textilwesen, Dorothea Mendelsohn erhielt eine Ausbildung zur Buchhalterin und Alma Mendelsohn trat als Lehrling in ein Modewarengeschäft ein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hohensalza gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages polnisch. Die Mendelsohns entschlossen sich, die Stadt zu verlassen und siedelten sich Anfang der 1920er-Jahre in Bad Polzin (heute Połczyn-Zdrój) an. Die pommersche Kleinstadt liegt etwa 130 Kilometer nordöstlich von Stettin (dem heutigen Szczecin) und war bis ins 20. Jahrhundert ein bedeutender Badekurort mit viel Fremdenverkehr. Es ist anzunehmen, dass Louis Mendelsohn auch in Bad Polzin noch eine Zeitlang eine Fleischerei führte. In den Adressbüchern, die für die Stadt erst wieder für 1933 vorliegen, wird er bereits als Rentner an der Wohnadresse Brunnenstraße 31 (heute ul. 5 Marca) geführt. Seine Tochter Alma wohnte unweit entfernt davon in der Brunnenstraße 21.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Louis Mendelsohn und seine Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Die Söhne von Louis lebten mit ihren Familien in Berlin. Leopold Mendelsohn hatte dort 1921 Rita Wolfsfeld (*1899) geheiratet, 1925 eine Tochter namens Marion bekommen, und war bis Ende der 1930er-Jahre der Inhaber einer Herrenkleiderfabrik in der Spandauer Straße 11 in Mitte. Adolf Mendelsohn hatte Erna Schwersenz (*1905) geheiratet, 1930 einen Sohn namens Manfred Claus bekommen, und arbeitete als Textilunternehmer in der Hauptstadt. Auch Dorothea hatte 1920 in Berlin geheiratet und lebte mit ihrem Ehemann Stefan (Sally) Finkelstein und ihren zwei Kindern in Berlin, bevor das Ehepaar und ihre Kinder Ende der 1930er-Jahre aus Deutschland nach Südamerika entkommen konnten. Sie lebten später in Kolumbien. Der minderjährigen Tochter von Leopold, Marion Mendelsohn, gelang es noch 1939 in das britische Mandatsgebiet Palästina zu entkommen. Ob auch Louis und Pauline Mendelsohn den Versuch unternahmen, Deutschland zu verlassen, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese.

1936/1937 verließen Louis und Pauline Mendelsohn gemeinsam mit ihrer Tochter Alma die Kleinstadt Bad Polzin und zogen nach Berlin –– vermutlich, weil sie hofften, in der Anonymität der Großstadt einen besseren Schutz finden zu können und näher bei ihren Kindern und Enkelkindern zu sein. Sie kamen in einer Wohnung in der Seydelstraße 25a in Berlin-Mitte nahe des Spittelmarktes unter. Unterdessen drängten immer mehr Gesetze und Sondererlasse die Familienmitglieder in die Position von Rechtlosen im eigenen Land. Leopold Mendelsohn wurde 1939 – nach den Pogromen im Juni und November 1938 – im Rahmen der Zwangsveräußerung jüdischer Gewerbebetriebe („Arisierung“) gezwungen, die „Leopold Mendelsohn & Co. GmbH“ Herrenkleiderfabrik zu liquidieren. Er konnte daraufhin, genauso wie sein Bruder Adolf, nicht mehr unternehmerisch oder anderweitig berufstätig sein. Adolf Mendelsohn war im März 1938 von der Gestapo aufgegriffen worden, als er noch versucht hatte, auf einem Potsdamer Markt Gewerbehandel zu treiben. 1939 zogen Louis, Pauline und Alma Mendelsohn in eine Wohnung in der Dresdener Straße 79 in Kreuzberg. Die Wohnung wurde von Alma gemietet; Louis und Pauline bewohnten ein Zimmer zur Untermiete bei ihrer Tochter.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Jüdinnen und Juden beginnen würde. Die Eltern von Alma Mendelsohn erhielten den Deportationsbescheid im Spätsommer 1942. Sie mussten ihr Zimmer in der Dresdener Straße räumen und wurden im August 1942 im Sammellager an der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurden die beiden Ehepartner am 7. August 1942 mit dem „39. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert und wenige Wochen später, am 26. September 1942, weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie beide ermordet wurden. Louis Mendelsohn war zu diesem Zeitpunkt 82 Jahre alt, seine Ehefrau 80 Jahre alt.

Nur wenige ihrer Verwandten überlebten die NS-Verfolgung: Louis’ Tochter Alma wurde im Februar 1943 aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Leopold und Rita Mendelsohn waren im Dezember 1942 nach Theresienstadt und im Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert worden, wo sie ermordet wurden. Ihre Tochter Marion überlebte im Exil in Palästina. Dorothea Mendelsohn, verheiratete Finkelstein, ihr Ehemann Stefan (Sally) Finkelstein und ihre Kinder überlebten im Exil in Südamerika. Adolf Mendelsohn, seine Ehefrau Erna und sein Sohn Manfred Claus waren im November 1941 aus Berlin in das Ghetto Minsk deportiert worden. Keiner der drei Familienmitglieder gehörte zu den wenigen Überlebenden des Minsker Ghettos.