Herbert Orgler

Location 
Schieritzstr. 38
Historical name
Zeebrüggestr. 38
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
06 April 2022
Born
12 January 1904 in Wodzisław Śląski (Schlesien) / Loslau
Occupation
Bücherrevisor
Deportation
on 06 March 1943 from Berlin to Auschwitz
Later deported
to Sachsenhausen
Later deported
to Flossenbürg
Later deported
to Natzweiler
Survived

Herbert Orgler wurde am 12. Januar 1904 in Loslau in Schlesien als ältestes von drei Kindern des Bücherrevisors Max Orgler und dessen Ehefrau Hermine geborene Wiener geboren.

Die Familie Orgler zog etwa 1912 mit den Kindern Herbert (*1904), Günter (*1905) und Ruth (*1908) nach Berlin. Ab 1915 wohnte die Familie in der Biebrichstr. 4 in Neukölln.

Die Mutter verstarb 1917. Herbert erlernte nach dem Schulabschluss 1918 den Beruf des Elektrikers und arbeitete vermutlich auch als solcher bis 1927 der Vater Max Orgler verstarb. Herbert übernahm danach die Praxis seines Vaters als selbständiger Bücherrevisor.

Im Juli 1930 heiratete der Bücherrevisor Herbert die 1907 in Vandsburg geborene Cella Jacoby (oder auch Jakoby) auf dem Standesamt Weißensee.  Herbert lebte noch immer in der Biebrichstr. 4 in Neukölln.

Herbert und Cella Orgler zogen nach ihrer Hochzeit 1930 in den Prenzlauer Berg – zunächst in den Döblinweg 4 (heute Schieritzstr. 4). Im November 1932 starb ihre im gleichen Jahr geborene erste Tochter im Jüdischen Krankenhaus Wedding.

Vielleicht war dies der Grund ihres Umzugs in die Meyerheimstr. 12 a. Herbert wird als Bücherrevisor unter dieser Adresse mit Telefon im Berliner Adressbuch der Jahre 1933 bis 1935 verzeichnet.

Im November 1933 wurde Sohn Klaus im Jüdischen Krankenhaus Wedding geboren.

Mit der Nazi-Gesetzgebung 1935 wurde den jüdischen Bürgern das Betreiben selbständiger Gewerbe verboten. Davon war auch Herbert Orgler betroffen. Er musste sich nun mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen und verlor damit die wirtschaftliche Grundlage, um die Miete für eine eigene Wohnung aufzubringen. In den Jahren 1936 und 1937 ist Herbert deshalb nicht im Berliner Adressbuch zu finden. Die Familie Orgler zog als Untermieter zu den Schwiegereltern und dem Schwager L. Jacoby in die Schieritzstr. 38. Leopold – Cellas Bruder - betrieb dort eine Pferdehandlung – wie in der Adressbuchausgabe von 1936 zu lesen ist.

In der Ausgabe von 1938 wird der Buchhalter Herbert Orgler als Haushaltsvorstand (anstelle von Leopold Jacoby) mit dieser Anschrift verzeichnet.

Im Februar 1938 bekamen Herbert und Cella Orgler ihr drittes Kind. Tochter Ellen kam im Jüdischen Krankenhaus Wedding zur Welt.

Das Glück der Familie Orgler hätte komplett sein können …… doch die staatlich verordneten antisemitischen Anfeindungen griffen viel zu tief ins tägliche Leben einer jeden jüdischen Familie ein.

Am 1. April 1940 wurde der Sohn Klaus in die Knabenvolksschule d. Jüdischen Gemeinde in Berlin-Mitte, Kaiserstr. 29/30 eingeschult. Er durfte sie nur bis zur 2. Klasse besuchen, denn Ende Juni 1942 wurden alle jüdischen Schulen geschlossen.

Aus etwa dieser Zeit müssen die Erinnerungen der Rita Hinkelmann (* 1935) aus dem Nachbarhaus – Schieritzstr. 34 – an die befreundeten Orgler-Kinder stammen. Auch sie besuchte die Jüdische Schule in der Kaiserstraße. Was bedeutete, dass die Kinder einen täglichen Schulweg vom oberen Ende der Greifswalder Straße diese entlang bis über den Alexanderplatz zu Fuß gehen mussten, da sie öffentliche Verkehrsmittel als „Sternträger“ nicht benutzen durften.

Rita hat ihre Erinnerungen an diese Zeit als Aufzeichnung an ihre Familie weitergegeben und damit auch die Familie Orgler dem allgemeinen Vergessen entrissen und ein Stolperstein-Gedenken erst möglich gemacht.

Cella und Herbert Orgler mussten sicher Zwangsarbeit leisten. Herbert war – lt.  eigener Angabe- ab 1939 bei der Firma Gebr. Hertling Westend als Transportarbeiter „dienstverpflichtet“.  Wo Cella arbeiten musste, ist nicht bekannt.

Anfang August 1942 erhielten die Schwiegereltern Martha und Meyer Jacoby ihre Aufforderung zur „Umsiedlung in den Osten“ – wie die planmäßigen Deportationen verschleiernd von den Nazis bezeichnet wurden.

Am 31.August 1942 wurden Martha und Meyer Jacoby mit dem 53. Alterstransport ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo ihre Sterbedaten mit dem 20. April und 7. Juni 1943 dokumentiert wurden.  

Herbert und Cella blieben mit den Kindern in der Wohnung und mussten weiter ihren „Dienstverpflichtungen“ nachkommen. Wie sie die Kinderbetreuung regelten, ist nicht überliefert.

Am 28. Februar 1943 (6 Monate nach der Deportation ihrer Eltern) wurde Cella im Rahmen der sogenannten „Fabrikaktion“ an ihrem Arbeitsplatz verhaftet und am 1. März 1943 mit dem 31. Osttransport nach Auschwitz deportiert.

Auch Herbert wurde am gleichen Tag inhaftiert und am 6. März 1943 gemeinsam mit seinen Kindern Klaus und Ellen mit dem 35. Osttransport nach Auschwitz deportiert.

Ob Cella ihre Kinder dort noch einmal gesehen hat, ist sehr unwahrscheinlich. Vermutlich mussten die beiden Kinder ohne die Eltern den direkten Weg von der Rampe ins Krematorium gehen – wie nur wenige Tage zuvor auch ihre Mutter Cella.

Der 39-jährige Herbert wurde auf der berüchtigten Rampe als arbeitsfähig selektiert und musste in Auschwitz in verschiedenen Kommandos Zwangsarbeit verrichten. Ab Mai 1944 war er als Leiter der Lohn-Buchhaltung bei den IG Farben in Auschwitz eingesetzt.

Am 17. Januar 1945 zwangen die Nazis dann alle „marschfähigen“ Häftlinge auf den Todesmarsch gen Westen. Herbert Orgler „machte danach folgende Lager durch“ (so seine eigene Formulierung im 1945 gestellten OdF-Antrag):

Sachsenhausen, Dachau, Buchenwald, Flossenburg, Leonberg, Kaufering, Landsberg und Mettenheim bei Mühldorf am Inn (Außenlager von KZ Natzweiler). Am 2. Mai 1945 wurde er dort von den Amerikanern befreit.

Dokumentiert ist sein Krankenhausaufenthalt vom 6. Mai bis 6. August 1945 in Mühldorf am Inn.

Danach kehrte er nach Berlin zurück. Im Berliner Telefonbuch von 1946 wird Herbert Orgler als Bücherrevisor in der Artilleriestr. 2 in Berlin-Mitte genannt.

Ende 1946 zog er von Berlin nach Mühldorf am Inn und heiratete 1947 dort, nachdem er zuvor die Todeserklärung seiner Frau Cella vom Amtsgericht Berlin-Mitte vom Oktober 1946 erhalten hatte.

Er starb kinderlos im Januar 1992 in Mühldorf am Inn.

Ob er je über seine Erlebnisse während der Nazizeit gesprochen hat, wissen wir nicht.