Leo Unger wurde am 28. März 1879 im damals preußischen Ostrowo (dem heutigen Ostrów Wielkopolski) geboren. Die südöstlich von Posen (Poznań) gelegene Stadt hatte im 19. Jahrhundert einen Wirtschaftsboom erlebt, der sie zu einem wichtigen Handels- und Industriezentrum insbesondere der Tuchweberei werden ließ, und zog nach dem Bau eines Gymnasiums Mitte des 19. Jahrhunderts eine Bildungsbürgerschicht in die bis dahin von Händlern und Handwerkern dominierte Stadt. Leo Unger war der Sohn des Kaufmanns Salomon Unger und dessen Ehefrau Rosalie, geborene Callomon. Seine Eltern hatten 1863 in Kalisch (Kalisz) geheiratet und dürften nicht viel später nach Ostrowo gezogen sein. Über die Kindheit und Jugend von Leo Unger in der Kreisstadt Ostrowo haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts etwa 1.800 der 12.000 Einwohner umfasste. Um die Jahrhundertwende setzte eine Auswanderungswelle der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt in größere deutsche Metropolen – vor allem Berlin und Breslau (Wrocław) – ein.<br />
<br />
Auch Leo Unger muss um die Jahrhundertwende Ostrowo verlassen und nach Berlin gezogen sein. In der Hauptstadt – er lebte zu dieser Zeit in einer Wohnung in der Auguststraße 40 nahe dem Platz am Rosenthaler Tor (heute: Rosenthaler Platz) im Prenzlauer Berg – fand er eine Anstellung als Buchhalter und lernte die 1880 geborene gebürtige Berlinerin Johanna Friederika Zöllner kennen. Das Paar heiratete am 24. November 1904. Drei Jahre später kam ihr einziges Kind, der im Juni 1907 geborene Sohn Georg, zur Welt. Im Jahr 1916 suchte sich die Familie ein neues Heim und bezog eine 2-Zimmer-Wohnung in der ersten Etage des rechten Seitenflügels der Stargarder Straße 38 unweit des Helmholtzplatzes. Im selben Jahr verstarb Leos Schwiegervater, der Kaufmann Max Zöllner. Der 62-Jährige war zuletzt – soweit es die Kriegsengpässe zuließen – im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Berlins im Wedding gepflegt worden. Neben der nun verwitweten Mutter Johannas, Philippine (genannt Mine) Zöllner, geborene Brahn, gab es noch weitere Mitglieder aus Johannas Familie, die in der Hauptstadt lebten: ihr Onkel väterlicherseits, der kaufmännische Angestellte Julius Zöllner und seine 1888 angetraute Ehefrau Ernestine, geborene Cohn; ihr jüngerer Bruder Georg Zöllner, der mit seiner Ehefrau, der Buchhalterin Fanny, geborene Fichtmann, und ihrem Sohn im Wedding wohnte; sowie ihre jüngere Schwester Margarethe Else, die 1906 mit ihrem Ehemann, dem Handelsschulinhaber Max Steinmetz, und ihrem 1907 geborenen Sohn Valentin Walter Steinmetz im Prenzlauer Berg lebte. Georg Unger wurde nach seinem Schulabschluss Kaufmann und zog Mitte der 1920er-Jahre in eine Wohnung in der Weddinger Hochstraße 22. Leider haben sich keine weiteren Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Ungers im Berlin der Kaiserzeit und der Weimarer Republik bieten könnten.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Unger. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängten die Ungers in die Position von Rechtlosen. Mitte der 1930er-Jahre gab Georg seine Wohnung im Wedding auf und zog zurück in die elterliche Wohnung in der Stargarder Straße. Nach den Pogromen im November 1938 musste zumindest Johanna Unger ab 1939/1940 Zwangsarbeit leisten, zuletzt als Haushaltshilfe in Berlin. Zu Leo und Georg Unger liegen keine Informationen zur Zwangsarbeit vor. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich die Familienmitglieder nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Leo, Johanna und Georg Unger erhielten den Deportationsbescheid im August 1942. Am 31. August 1942 wurden sie mit dem „19. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit nach Riga deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft im Bahnhof Riga-Šķirotava – in den umliegenden Wäldern des Ghettos bei Rumbula erschossen. Leo Unger wurde 63 Jahre alt.<br />
<br />
Es ist keiner ihrer Familienangehörigen bekannt, der die NS-Zeit überlebte. Leos Eltern Salomon und Rosalie Unger waren nach 1904 in Ostrowo verstorben; Johannas Mutter nach 1925 in Berlin. Ihr Onkel und ihre Tante, Julius und Ernestine Zöllner, starben 1935 und 1938 ebenfalls in Berlin. Ihr Bruder Georg Zöllner und seine Ehefrau Fanny wurden getrennt voneinander am 2. und 3. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Über das Schicksal ihres Sohnes ist nichts bekannt. Johannas Schwester Margarethe Else Steinmetz war wenige Tage vor ihr Schwester, am 18. August 1942, nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Deren Mann Max Steinmetz wurde wenige Monate später, am 27. Oktober 1942, ebenfalls in das KZ Sachsenhausen deportiert und dort ermordet. Bereits am 27. Mai 1942 war Valentin Walter Steinmetz, der Sohn von Margarete und Max Steinmetz, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 28. Mai ermordet worden.
Auch Leo Unger muss um die Jahrhundertwende Ostrowo verlassen und nach Berlin gezogen sein. In der Hauptstadt – er lebte zu dieser Zeit in einer Wohnung in der Auguststraße 40 nahe dem Platz am Rosenthaler Tor (heute: Rosenthaler Platz) im Prenzlauer Berg – fand er eine Anstellung als Buchhalter und lernte die 1880 geborene gebürtige Berlinerin Johanna Friederika Zöllner kennen. Das Paar heiratete am 24. November 1904. Drei Jahre später kam ihr einziges Kind, der im Juni 1907 geborene Sohn Georg, zur Welt. Im Jahr 1916 suchte sich die Familie ein neues Heim und bezog eine 2-Zimmer-Wohnung in der ersten Etage des rechten Seitenflügels der Stargarder Straße 38 unweit des Helmholtzplatzes. Im selben Jahr verstarb Leos Schwiegervater, der Kaufmann Max Zöllner. Der 62-Jährige war zuletzt – soweit es die Kriegsengpässe zuließen – im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Berlins im Wedding gepflegt worden. Neben der nun verwitweten Mutter Johannas, Philippine (genannt Mine) Zöllner, geborene Brahn, gab es noch weitere Mitglieder aus Johannas Familie, die in der Hauptstadt lebten: ihr Onkel väterlicherseits, der kaufmännische Angestellte Julius Zöllner und seine 1888 angetraute Ehefrau Ernestine, geborene Cohn; ihr jüngerer Bruder Georg Zöllner, der mit seiner Ehefrau, der Buchhalterin Fanny, geborene Fichtmann, und ihrem Sohn im Wedding wohnte; sowie ihre jüngere Schwester Margarethe Else, die 1906 mit ihrem Ehemann, dem Handelsschulinhaber Max Steinmetz, und ihrem 1907 geborenen Sohn Valentin Walter Steinmetz im Prenzlauer Berg lebte. Georg Unger wurde nach seinem Schulabschluss Kaufmann und zog Mitte der 1920er-Jahre in eine Wohnung in der Weddinger Hochstraße 22. Leider haben sich keine weiteren Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Ungers im Berlin der Kaiserzeit und der Weimarer Republik bieten könnten.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Unger. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Erlasse und Sondergesetze drängten die Ungers in die Position von Rechtlosen. Mitte der 1930er-Jahre gab Georg seine Wohnung im Wedding auf und zog zurück in die elterliche Wohnung in der Stargarder Straße. Nach den Pogromen im November 1938 musste zumindest Johanna Unger ab 1939/1940 Zwangsarbeit leisten, zuletzt als Haushaltshilfe in Berlin. Zu Leo und Georg Unger liegen keine Informationen zur Zwangsarbeit vor. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sich die Familienmitglieder nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlins mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Leo, Johanna und Georg Unger erhielten den Deportationsbescheid im August 1942. Am 31. August 1942 wurden sie mit dem „19. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit nach Riga deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft im Bahnhof Riga-Šķirotava – in den umliegenden Wäldern des Ghettos bei Rumbula erschossen. Leo Unger wurde 63 Jahre alt.
Es ist keiner ihrer Familienangehörigen bekannt, der die NS-Zeit überlebte. Leos Eltern Salomon und Rosalie Unger waren nach 1904 in Ostrowo verstorben; Johannas Mutter nach 1925 in Berlin. Ihr Onkel und ihre Tante, Julius und Ernestine Zöllner, starben 1935 und 1938 ebenfalls in Berlin. Ihr Bruder Georg Zöllner und seine Ehefrau Fanny wurden getrennt voneinander am 2. und 3. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Über das Schicksal ihres Sohnes ist nichts bekannt. Johannas Schwester Margarethe Else Steinmetz war wenige Tage vor ihr Schwester, am 18. August 1942, nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Deren Mann Max Steinmetz wurde wenige Monate später, am 27. Oktober 1942, ebenfalls in das KZ Sachsenhausen deportiert und dort ermordet. Bereits am 27. Mai 1942 war Valentin Walter Steinmetz, der Sohn von Margarete und Max Steinmetz, nach Sachsenhausen verschleppt und dort am 28. Mai ermordet worden.