Selig Sally Kroner wurde am 20. Januar 1866 in der damals westpreußischen Kleinstadt Zempelburg (dem heutigen Sępólno Krajeńskie in Polen) geboren. Die Ortschaft liegt 63 Kilometer nordwestlich von Bromberg (Bydgoszcz) am Zempelburger See (Jezioro Sępoleńskie) und war im 19. Jahrhundert ein Zentrum der Tuch- und Schuhmacherei. Selig Sally Kroner war der Sohn des Zempelburger Schuhgeschäftsinhabers Hirsch Kroner (*1830) und von dessen Ehefrau Fritzi Freude Kroner, geborene Kroll (*1840). Er wuchs im Kreis von mindestens drei Geschwistern auf: Sein älterer Bruder Adolph war 1860 in Zempelburg zur Welt gekommen, seine Schwester Jenny 1862 und seine jüngste Schwester Rachel im Jahr 1876. Eine weitere Schwester namens Marjem, die 1874 geboren wurde, verstarb im Kleinkindalter. Das Elternhaus von Selig Sally Kroner gehörte zur gutbürgerlichen Mittelschicht Zempelburgs. Seine Eltern gehörten außerdem der jüdischen Gemeinde an, zu der zum Zeitpunkt seiner Geburt etwa 900 der rund 3.500 Einwohner zählten. Hirsch Kroner betrieb neben dem Schuhgeschäft, das der Familie den Lebensunterhalt sicherte, auch noch einen Ledergroßhandel in der Stadt. Die Kinder sollten die bestmögliche Ausbildung erhalten. Selig Sally besuchte die Volksschule und anschließend das Gymnasium. Nach seinem Schulabschluss ging er nach Berlin und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. Er wurde in einer Zigarrenfabrik im Berlin der Kaiserzeit fach- und kaufmännisch ausgebildet. Nach seiner Rückkehr nach Zempelburg gründete er 1889 die „Sally Kroner Zigarrenfabrik“, die sich wirtschaftlich rentabel zeigte und unter seiner Leitung bald ausgebaut werden konnte. In den 1890er-Jahren beschäftigte die Zigarrenfabrik etwa 50 Mitarbeiter, von denen etwa die Hälfte festangestellt in der Fabrik arbeitete und die andere Hälfte in Heimarbeit tätig war. Seine Gewinne investierte Selig Sally in Grundbesitz: Er erwarb mehrere Mietshäuser und Baugrundstücke in Zempelburg.
Im Januar 1901 heiratete der Kaufmann die drei Jahre jüngere Rahel Caminer. Die Tochter von Samuel (1824–1891) und Jeanette Caminer (1823–1908) war 1869 in Zempelburg geboren worden. In den Jahren 1901 bis 1912 bekam das Ehepaar sechs Kinder: Ihr Sohn Siegbert wurde im Oktober 1901 geboren, mit Martha folgte 1903 eine Tochter, in den Jahren 1905, 1908 und 1910 wurden Julius Jakob, Frieda und Jenny geboren und im Jahr 1912 kam schließlich ihr jüngster Sohn Hans zur Welt. Die Familie lebte in Zempelburg in der Wilhelmstraße 15 (heutige ul. Hallera), einem Mietshaus, das Selig Sally Kroner neben Baugrundstücken am Poetensteig (ul. Ogrodowa) und in der Sadowstraße (ul. Sądowa) erworben hatte. In den 1910er-Jahren wurde Selig Sally in den Stadtrat von Zempelburg gewählt und leitete nach Ende des Ersten Weltkriegs die Vergleichsverhandlungen der Stadt mit den dortigen streikenden Arbeitern. 1920 wurde Zempelburg aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags polnisch. Selig Sally Kroner, der für die deutsche Staatszugehörigkeit optiert hatte, musste die Stadt unter Zurücklassung seiner Fabrik und seiner Ländereien verlassen und ließ sich mit seiner Familie im nahegelegenen Schneidemühl (dem heutigen Piła) nieder, das etwa 70 Kilometer südwestlich von Zempelburg liegt.
In Schneidemühl erwarb Selig Sally Kroner ein Doppelhaus an der Durchgangsstraße Albrechtstraße 121 (ul. Okrzei Stefana) / Ecke Friedrichstraße (ul. Spacerowa) mit 15 Mietwohnungen und einem angrenzenden Baugrundstück. Nach seinem Umzug gründete er zunächst ein Zigarrengeschäft in der Alten Bahnhofstraße (ul. 14 Lutego), wo er Zigarren und Zigaretten engros und im Einzelhandel verkaufte. Später übernahm er die Generalvertretungen für die Schlesische Spirituosenfabrik und Weinbrennerei Albert Buchholz und mehrere Zigarrenunternehmen, darunter die „Adam´s Cigarrenfabriken“ in Berlin. Von den Einkünften konnte sich die Familie, wie aus späteren Berichten hervorgeht, einen gehobenen Lebensstil leisten. Selig Sally und Rahel Kroner unternahmen jedes Jahr eine Erholungsreise und bewohnten mit ihren Kindern eine Vierzimmerwohnung in der Albrechtsstraße 121, nebst Nebenräumen und einem Dachzimmer, das von der ältesten Tochter Martha bezogen wurde. Siegbert Kroner absolvierte nach seinem Schulabschluss eine kaufmännische Ausbildung, Martha hatte ein Mädchenpensionat besucht, um danach im Betrieb ihres Vaters als Buchhalterin zu arbeiten. Nach dem Umzug nach Schneidemühl war sie als kaufmännische Angestellte bei der Firma Bauman/Posenerstraße (ul. Śródmiejska) angestellt. Julius Jakob Kroner studierte am städtischen Polytechnikum im hessischen Friedberg Tiefbauingenieurwesen, Jenny Kroner erhielt eine Diplomausbildung zur Krankenschwester, Frieda Kroner war Buchhalterin/Kontoristin und Hans Kroner besuchte das Gymnasium. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie im Schneidemühl der Weimarer Republik geben könnten.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Selig Sally Kroner und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Nach 1933 gingen die Einnahmen aus den Generalvertretungen, die Selig Sally für verschiedene Unternehmen in Schneidemühl übernommen hatte, erheblich zurück und in der Folge wurde ihm diese allmählich entzogen. Er lebte seitdem aus den Einkünften seines Mietshauses in Schneidemühl und einem Betrag, den ihm eine seiner Schwestern aus Zempelburg sandte, welche die dortigen Mieten einzog. In den 1930er-Jahren gelang es mehreren Familienmitgliedern das Land zu verlassen: Selig Sallys Tochter Jenny emigrierte 1935 in das britische Mandatsgebiet Palästina; Siegbert und Julius Jakob konnten ebenfalls nach Palästina ausreisen; Hans flüchtete nach Dänemark und lebte später in Schweden und Selig Sallys Bruder Adolph ging mit seiner Familie in die Niederlande. Frieda Kroner, verheiratete Koritzinski, plante mit ihrem Ehemann Saul (*1893), ebenfalls die Ausreise. Sie lebten zuletzt in Kaunas (Kowno). Auch Selig Sally und Martha Kroner unternahmen Schritte, Deutschland zu verlassen. Martha hatte ein Affidavit einer Verwandten aus England erhalten, Selig Sally wollte zu seinem Bruder in die Niederlande kommen und beide loteten noch 1940 Möglichkeiten aus, über die Fluchtroute Shanghai zu entkommen, um sich von dort nach Palästina durchzuschlagen, aber alle Pläne scheiterten letztlich.
Martha Kroner hatte nach 1933 ihre Anstellung bei der Firma Baumann in Schneidemühl verloren, als diese liquidiert wurde. Sie hatte danach eine Haushaltsschule besucht und von Ende 1934 bis Anfang 1935 eine Stelle in Berlin angenommen, wo sie als Wirtschafterin von Herrn Queller in der Prager Straße in Wilmersdorf arbeitete. Ihre Schwester Jenny war in dieser Zeit im Jüdischen Schwesternheim (ehemals Schwesternheim der B'nai B'rith-Loge) in der Prager Straße 33 tätig, bevor sie im Sommer 1935 nach Palästina ging. Martha Kroner arbeitete bis in den Sommer 1939 als Wirtschafterin in verschiedenen Stellen in Berlin und Luckenwalde, bevor sie im Herbst 1939 wieder zu ihrem Vater nach Schneidemühl zog.
Selig Sally Kroner wurde nach den Pogromen im November 1938 in Schneidemühl von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg verschleppt, wo er bis zum 5. Dezember 1938 als Häftling interniert war. Seine Tochter Jenny berichtete später: „Im Jahre 1938 wurde er [Selig Sally Kroner] nach den Pogromen in Schneidemühl verhaftet und ca. 1 Monat im K.Z. Sachsenhausen gehalten. Bei seiner Entlassung musste er sich verpflichten, seinen Grundbesitz in Schneidemühl zu veräußern, was er auch tat, und Deutschland zu verlassen, was ihm trotz vieler Bemühungen nicht gelang.“ Selig Sally Kroner erhielt nur einen Bruchteil des Immobilienwerts aus den Erlösen des Zwangsverkaufs, blieb aber hoffnungsvoll, dass er sich im Ausland eine neue Existenz aufbauen könne. So schrieb er in einem Brief vom Februar 1939 aus Schneidemühl an seine Kinder in Palästina: „Das Geld vom Hausverkauf habe [ich] noch immer nicht – mit Ausnahme von 1500 Mark, die ich fürs Leben hier gebrauchte. […] Ich glaube, dass wenn ich Geld haben werde, dort [in Palästina, Anm. d. Autors] noch Zigarren machen kann, um Mama und mich zu ernähren. Zigarren werden überall geraucht und verstehen, verstehe ich es doch. Na, erst mit Gottes Hilfe hier raus sein und gut dort anzukommen und Euch alle gesund anzutreffen.“ 1938/1939 erkrankte Selig Sallys Ehefrau Rahel Kroner schwer und bei ihr wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert. Sie wurde Anfang 1939 für einige Zeit im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße in Berlin behandelt. Im Frühjahr/Sommer 1939 waren Martha und Selig Sally Kroner vermutlich deshalb kurzzeitig an der Adresse Thomasiusstraße 19 in Moabit gemeldet; einem Wohnhaus, welches Selig Sallys Schwiegersohn Saul Koritzinski zu dieser Zeit verwaltete und das einem Verwandten von Saul – vermutlich dessen Vater – als Miteigentümer gehörte.
Im August 1939 verstarb Rahel Kroner an den Folgen ihrer Krebserkrankung in Schneidemühl und Martha Kroner zog zu ihrem Vater, um sich um ihn zu kümmern. Am 21. Februar 1940 wurden die im Regierungsbezirk des Ortes wohnhaften Juden in Schneidemühl gesammelt und in provisorischen Sammellagern in der Friedhofs-Leichenhalle, im Gemeindehaus und im Bürgergarten-Restaurant („Straubel's Tivoli“) festgehalten. Es handelte sich um insgesamt 544 Personen, zu denen auch Martha und Selig Sally Kroner gehörten, die mehrere Wochen als Häftlinge im früheren Bürgergarten festgehalten wurden. Jenny Kroner schrieb später zu der Situation: „Im Jahre 1940 wurde er [Selig Sally Kroner] wieder verhaftet und in Schneidemühl in einem Lager im früheren Bürgergarten untergebracht. Einige Monate später sollten die dort Untergebrachten nach Lublin transportiert werden, doch wurde der Transport auf halbem Wege nach Berlin umdirigiert.“ Martha und Selig Sally Kroner befanden sich – laut einem Brief aus dieser Zeit von Frieda an Jenny Kroner – seit Mitte April 1940 in Berlin und, wie es in dem Brief weiter heißt, „leben sie doch wieder ein bisschen auf. Papa war in Schn[eidemühl] erkältet lag auch dort zu Bett. Er ist noch nicht ganz auf den Posten, aber er kann doch G.l. [Gottlob] schon Besuche machen. […] Papa wohnt bei Philippsohns und Martha in einem Heim in Weißensee. Ich bin schon froh, dass sie in Berlin sind.“ Selig Sally Kroner kam als Untermieter bei Philippsohn in einer Wohnung in der Elsässer Straße 54 in Mitte (heutige Torstraße) unter. Zu dieser letzten Zeit in Berlin haben sich nur wenige Quellen erhalten, nach denen Martha wohl kurzzeitig bei Verwandten in der Rombergstraße 20 (heutige Mendelssohnstraße) in Prenzlauer Berg wohnte, bevor auch sie in die Elsässer Straße 54 zog. Zuletzt war sie in Berlin auf dem Gelände der Israelitischen Taubstummenanstalt in Berlin-Weißensee in der Parkstraße 22 untergebracht, ihrer letzten Meldeadresse in Berlin. Aus einem Brief geht hervor, dass sie in den 1940er-Jahren in Berlin Lampenschirme nähte – es ist nicht unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um Zwangsarbeit handelte. Selig Sally Kroner wurde laut Familienangaben als Ehrenmitglied in der Chewra Kadischa in Berlin-Weißensee – einer Jüdische Bestattungsorganisation – beschäftigt. Für ihn und seine Tochter war das Leben Anfang der 1940er-Jahre in Berlin zum Existenzkampf geworden: Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Selig Sally Kroner erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Er wurde am 29. Juli 1942 mit dem „32. Alterstransport“ aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach zwei Monaten im Ghetto wurde der 76-Jährige am 29. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.
Selig Sallys Tochter Martha wurde wenige Wochen nach ihrem Vater aus Berlin deportiert. Am 29. November 1942 wurde die 39-Jährige in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Sie wurde entweder unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet oder als Häftling in das Lager selektiert und zu einem späteren Zeitpunkt ermordet. Jedenfalls gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz. Selig Sallys Kinder Siegbert, Julius Jakob und Jenny Kroner, verheiratete Goldschmidt, überlebten die NS-Verfolgung im Exil in Palästina. Sein Sohn Hans Kroner überlebte ebenfalls im Exil und lebte später in Schweden. Selig Sallys Tochter Frieda wurde mit ihrem Ehemann Saul Koritzinski aus ihrem letzten Wohnort in Kaunas in eines der Vernichtungslager deportiert und ermordet. Seine Schwester Jenny Kroner, verheiratete Riesenburger, starb 1936 in Berlin; sein Bruder Adolph Kroner, laut Familienangaben, 1945 in den Niederlanden. Das Schicksal seiner Schwester Rachel Kroner ist unbekannt.