Franziska Marion Oschitzki

Location 
Winsstr. 9
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
02 June 2021
Born
02 June 1925 in Berlin
Escape
Kindertransport 1939 England
Survived
Datei
Biography

Marion Franziska Oschitzki wurde am 10. August 1925 in Berlin geboren. Im selben Jahr veröffentlichte Adolf Hitler sein Buch „Mein Kampf“. Ihre Mutter Tona war zu dem Zeitpunkt 32 Jahre alt. Über Tona (auch genannt Tana, Tonia, Tania, Tony) ist nicht viel bekannt. Sie wurde am 4. Mai 1893 in Tuchola (ehemals Tuchel in Westpreußen) geboren. Marions Vater, Leo, wurde am 9. März 1892 im heute polnischen Wąbrzeźno (das frühere Briesen in Westpreußen) geboren. Wie viele aus seiner Familie war er Schneider. Ein Cousin von ihm, Alfred Oschitzki, lebte schon länger als Schneidermeister in der Seelower Str. 23 in Berlin. Die Familie wohnte laut Berliner Adressbüchern spätestens ab 1937 in der Winsstraße 9. Es gibt Hinweise, dass Leo einen Kurzwarenladen in der Straße oder im Viertel hatte.

Am 24. Juni 1924 kam Marion Franziskas Bruder Alfred zur Welt. Elf Jahre später erblickte am 12. August 1936 noch eine Nachzüglerin, das Nesthäkchen Judith Paula, das Licht der Welt – genau zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin.

Wir wissen nicht viel über das Leben der Familie. Einige Briefe der Familie sind in der britischen Wiener Library überliefert. Die Eltern haben sie an Marion Franziska geschrieben, die kurz vor ihrem 14. Geburtstag mit einem der letzten Kindertransporte England erreichte. Warum von den Geschwistern nur Marion einen der rettenden Plätze auf dem Transport erhielt, ist unklar.

Sicher ist, dass wenige Jahre nach Marion Franziskas Flucht ihre Familie im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Die Oschitzkis wurden am 3. Februar 1943 mit dem „28. Osttransport“ von Berlin dorthin verschleppt und ermordet. Judith Paula wurde sechs, ihre Mutter 49, ihr Vater 50 und ihr Bruder 18 Jahre alt.

Einige Geschwister von Tona Oschitzki überlebten den Krieg. So ihr ältester Bruder Arthur Bukofzer (1891-1960). In einer sogenannten „Mischehe“ mit seiner Frau Charlotte (1904-1985) war er von der Deportation in die Vernichtung ausgenommen. Es heißt, dass Charlotte sich weigerte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Angeblich war sie eine der Frauen, die im Februar 1943 vor der Rosenstraße 2-4 demonstrierten. Die Gestapo hatte dort im Zuge der „Fabrikaktion“ zahlreiche jüdische Männer aus „Mischehen“ eingesperrt, um sie weiter nach Auschwitz zu deportieren. Die Proteste zeigten Erfolg und die Männer, so auch Arthur, wurden wieder freigelassen. Arthur musste dennoch Zwangsarbeit leisten. Er überlebte die Verfolgungen jedoch dank der ungebrochenen Solidarität seiner Frau.

Viele dieser Informationen stammen von einer Tochter Marion Franziskas. Lange Zeit glaubte sie, ihre Mutter sei die einzige aus der Generation ihrer Familie, die überlebt hat, weil alle anderen Verwandten entweder tot waren oder keine Kinder hatten. Wie sich im Zuge der Nachforschungen für die Stolpersteine herausstellte, gab es jedoch noch weitere überlebende Oschitzkis. So etwa den bereits erwähnten Schneidermeister Alfred Oschitzki. Der Kontakt zu den Verwandten konnte hergestellt werden.

Marion Franziska überlebte dank ihrer Flucht die Shoah und gründete in der Folge eine Familie in Großbritannien. Sie bekam 3 Kinder, 11 Enkelkinder und bis jetzt 27 Urenkel und Urenkelinnen. Jedes dieser Kinder ist ein Sieg über diejenigen, die den Holocaust planten, mordeten oder halfen, Jüdinnen und Juden zu ermorden. Marion Franziska starb 2012 in London. Sie erlebte, wie ihre Familie immer größer wurde.