Judith Paula Oschitzki

Location 
Winsstr. 9
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
02 June 2021
Born
12 August 1936 in Berlin
Deportation
on 03 February 1943 from Berlin to Auschwitz
Murdered
04 February 1943 in Auschwitz
Datei
Biography

Judith Paula Oschitzki kam am 12. August 1936 zur Welt – genau zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin. Da war ihre Mutter Tona Oschitzki, geb. Bukofzer, bereits 43 Jahre alt. Über Tona (auch genannt Tana, Tonia, Tania, Tony) ist wenig bekannt. Sie wurde am 4. Mai 1893 in Tuchola (ehemals Tuchel in Westpreußen) geboren.

Leo Oschitzki, Judiths Vater, wurde am 9. März 1892 im heute polnischen Wąbrzeźno (das frühere Briesen in Westpreußen) geboren. Wie viele aus seiner Familie war er Schneider. Einer seiner Cousins, Alfred Oschitzki, lebte schon länger als Schneidermeister in der Seelower Str. 23 in Berlin. Leo wohnte laut den Berliner Adressbüchern spätestens ab 1937 in der Berliner Winsstraße. Es gibt Hinweise, dass er einen Kurzwarenladen dort oder im Viertel besaß.

Judith Paula war das Nesthäkchen der Familie. Alfred, ihr ältester Bruder, wurde am 24. Juni 1924 in Berlin geboren. Ein Jahr später kam die Schwester Marion Franziska am 10. August 1925 zur Welt.

Wir wissen nicht viel über das Leben der Familie. Einige Briefe, die die Eltern an Marion Franziska schrieben, die kurz vor ihrem 14. Geburtstag mit einem der letzten Kindertransporte England erreichte, sind in der britischen Wiener Library überliefert. Warum von den Geschwistern nur Marion Franziska einen der rettenden Plätze auf dem Transport erhielt, ist unklar.

Sicher ist, dass wenige Jahre nach Marion Franziskas Flucht ihre Familie im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Die Oschitzkis wurden am 3. Februar 1943 mit dem „28. Osttransport“ von Berlin nach Auschwitz verschleppt und vermutlich am folgenden Tag, direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Judith Paula wurde sechs, ihre Mutter 49, ihr Vater 50 und ihr Bruder 18 Jahre alt.

Einige Geschwister von Tona Oschitzki überlebten den Krieg. So ihr ältester Bruder Arthur Bukofzer (1891-1960). In einer sogenannten „Mischehe“ mit seiner Frau Charlotte (1904-1985) war er von der Deportation in den Tod ausgenommen. Es heißt, dass Charlotte sich weigerte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Angeblich war sie eine der Frauen, die im Februar 1943 vor der Rosenstraße 2-4 demonstrierten. Dort hatte die Gestapo im Zuge der „Fabrikaktion“ zahlreiche jüdische Männer aus „Mischehen“ eingesperrt, um sie nach Auschwitz zu deportieren. Die Proteste zeigten Erfolg und die Männer, so auch Arthur, wurden wieder freigelassen. Arthur musste dennoch Zwangsarbeit leisten. Er überlebte die Verfolgungen dank der Solidarität seiner Frau.

Viele dieser Informationen stammen von einer Tochter Marion Franziskas. Lange Zeit glaubte sie, ihre Mutter sei die einzige aus der Generation ihrer Familie, die überlebt hatte. Wie sich im Zuge der Nachforschungen für die Stolpersteine herausstellte, gab es weitere Überlebende auf der Oschitzkiseite, z. B. jenen Cousin von Leo, den Schneidermeister Alfred Oschitzki.

Marion Franziska wurde gerettet und gründete in England eine eigene Familie. Sie bekam drei Kinder, elf Enkelkinder und mindestens 27 Urenkel und Urenkelinnen. Jedes dieser Kinder ist ein Sieg über diejenigen, die den Holocaust planten oder halfen, Jüdinnen und Juden zu ermorden. Marion Franziska starb 2012 in London. Sie erlebte, wie ihre Familie immer größer wurde.