Isaak Klotzer

Verlegeort
Greifswalder Str. 33
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
24. Juni 2015
Geboren
11. Juli 1876 in Beuthen O.S. / Bytom (Polen)
Deportation
am 03. Oktober 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
03. März 1943 in Theresienstadt

Isaak Klotzer wurde am 11. Juli 1876 in der Stadt Beuthen O.S. (dem heutigen Bytom), die etwa 85 Kilometer nordwestlich von Krakau (Kraków) liegt, geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Abraham Klotzer und dessen Frau Charlotte, geborene Nelken. Isaak Klotzer hatte acht Geschwister, von denen neben Isaak nur zwei das Erwachsenenalter erreichten: Sein jüngerer Bruder Salo Klotzer und seine Schwester Goldine Klotzer, die 1880 und 1883 in Berlin zur Welt kamen. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Isaak Klotzer im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit zur jüdischen Gemeinde der Stadt.<br />
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Isaak Klotzer studierte nach seinem Schulabschluss Medizin in Berlin und Leipzig, promovierte mit einer Arbeit zum Marie-Bamberger-Syndrom mit dem Titel: „Zur Kasuistik, zum Wesen und zur Genese der Ostéoarthropathie hypertrophiante (Marie)“ und erhielt 1902 seine Approbation. Nach knapp zwei Jahren praktischer Fortbildung als Assistent ließ sich Isaak Klotzer 1904 als Allgemeinpraktiker in Berlin nieder. Seine Praxis lag in der Neuen Königstraße 84 (der heutigen Otto-Braun-Straße) in Friedrichshain. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde Isaak Klotzer eingezogen und kam als Arzt nach Frankreich und Belgien an die Front. Für seine Dienste wurde er mit dem Eisernen Kreuz, der Roten Kreuz-Medaille und dem Schlesischen Bewährungsabzeichen ausgezeichnet. Im Juni 1914 hatte der Mediziner die wissenschaftliche Hilfsarbeiterin Rosa Lewinnek geheiratet, die allerdings bereits ein Jahr nach der Hochzeit starb. Sie war die Tochter des Kaufmanns Louis Lewinnek und seiner Frau Hedwig, geborene Henoch. Von einer Reise des Ehepaares nach Venedig 1915 existiert noch eine photographische Aufnahme im Familienbesitz. Von 1906 an praktizierte Isaak Klotzer an verschiedenen Adressen in der Hufelandstraße im Prenzlauer Berg. Ab 1911 schließlich in der Hufelandstraße 50, dem Eckhaus Greifswalder Straße 33, wo der Arzt ab 1916 gemeldet war und eine Röntgenpraxis in den Räumen seiner Privatwohnung unterhielt. Der Sohn seines Bruders, Charles L. Klotzer, erinnerte sich später: „From time to time, when Dr. Klotzer made house calls in a taxicab, he took me in the cab where I stayed while he visited his patients. That was a special treat. Our relationship was somewhat distant, although when he had visitors (I guess patients since his practice was in his home) he liked to show me off throwing math questions at me, which I answered fast and everybody smiled.” Im Juni 1922 verstarb die Mutter von Isaak Klotzer, im Oktober 1927 auch sein Vater. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben von Isaak Klotzer im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Isaak Klotzer und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. Isaak Klotzer war auch vom sogenannten Blutschutzgesetz der Nürnberger Gesetze von 1935 betroffen, die unter anderem Beschäftigungsverhältnisse im Haushalt sanktionierten. Sein Neffe erinnert sich: „For many years he had a live-in-helper, Lotte, who took care of the house. Their relationship must have been very close. I remember that when laws were passed that ‚Aryans‘ were no longer permitted to work for Jews, it was very upsetting to them. Lotte kept on crying and Dr. Klotzer kept consoling her. When she left, my sister Elfriede (nine years older than I was) moved in to help. Elfriede – or Friedel as we called her – in March ’39 moved to England, a week after my parents and I emigrated to Shanghai, China. Dr. Klotzer always instated that his patients ‚need him‘, he couldn't leave although he knew what happened in the camps having treated camp inmates, who were released. At that time if one had documents to leave the country, Jews still were released from camp, like my father, Salo Klotzer, brother of Isaak.” Am 30. September 1938 wurde Isaak Klotzer wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen. 1939 musste der Arzt seine Wohnung und Praxis in der Greifswalder Straße 33 aufgeben und zog in die Weißenburger Straße 29 (der heutigen Kollwitzstraße 66). Zwischen 1940 und 1942 konnte er nur noch als „Krankenbehandler“ ausschließlich jüdische Patienten versorgen und war noch im März 1942 als Krankenbehandler für einen Zwangsarbeiter der Firma „Warnecke & Böhm“ tätig.<br />
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Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Nachdem seine Nichte sich 1939 nach England hatte retten können, half Isaaks unverheiratete Schwester Goldine ihm als Haushälterin in der Weißenburger Straße 29, bis zu ihrer Deportation. Sie wurde am 26. September 1942 mit dem „20. Osttransport“ aus Berlin nach Raasiku bei Reval verschleppt und dort ermordet. Isaak wandte sich um Hilfe an seinen Bruder, wie sich sein Neffe erinnert: „In my memorabilia I have a postcard from Dr. Klotzer in 1943, where he did ask us if we could help him to join us. By then immigration to Shanghai had been stopped by the Japanese, who had occupied all of the city. It was too late.” Wegen des durch Heinrich Himmler verhängten generellen Ausreiseverbots von Juden seit Oktober 1941 hätte Isaak Klotzer allerdings auch keine Chance gehabt, das Land zu verlassen, wenn die Route über Shanghai noch offen gewesen wäre. Zum Zeitpunkt seines Schreibens 1943 befand er sich bereits im Ghetto Theresienstadt. Im Herbst 1942 hatte er den Deportationsbescheid erhalten, seine Wohnung verlassen müssen und war aus einem der Berliner Sammellager am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert worden. Nach seiner Ankunft im Ghetto wurde er in einer Wohnbaracke im Gebäude E VII, Zimmer 50, untergebracht, wo der 67-jährige kaum ein halbes Jahr überlebte, bevor er ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder durch die unmenschlichen Bedingungen mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Isaaks Bruder Salo, dessen Sohn und dessen Tochter überlebten die NS-Verfolgung im Exil.

Isaak Klotzer wurde am 11. Juli 1876 in der Stadt Beuthen O.S. (dem heutigen Bytom), die etwa 85 Kilometer nordwestlich von Krakau (Kraków) liegt, geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Abraham Klotzer und dessen Frau Charlotte, geborene Nelken. Isaak Klotzer hatte acht Geschwister, von denen neben Isaak nur zwei das Erwachsenenalter erreichten: Sein jüngerer Bruder Salo Klotzer und seine Schwester Goldine Klotzer, die 1880 und 1883 in Berlin zur Welt kamen. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Isaak Klotzer im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit zur jüdischen Gemeinde der Stadt.

Isaak Klotzer studierte nach seinem Schulabschluss Medizin in Berlin und Leipzig, promovierte mit einer Arbeit zum Marie-Bamberger-Syndrom mit dem Titel: „Zur Kasuistik, zum Wesen und zur Genese der Ostéoarthropathie hypertrophiante (Marie)“ und erhielt 1902 seine Approbation. Nach knapp zwei Jahren praktischer Fortbildung als Assistent ließ sich Isaak Klotzer 1904 als Allgemeinpraktiker in Berlin nieder. Seine Praxis lag in der Neuen Königstraße 84 (der heutigen Otto-Braun-Straße) in Friedrichshain. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde Isaak Klotzer eingezogen und kam als Arzt nach Frankreich und Belgien an die Front. Für seine Dienste wurde er mit dem Eisernen Kreuz, der Roten Kreuz-Medaille und dem Schlesischen Bewährungsabzeichen ausgezeichnet. Im Juni 1914 hatte der Mediziner die wissenschaftliche Hilfsarbeiterin Rosa Lewinnek geheiratet, die allerdings bereits ein Jahr nach der Hochzeit starb. Sie war die Tochter des Kaufmanns Louis Lewinnek und seiner Frau Hedwig, geborene Henoch. Von einer Reise des Ehepaares nach Venedig 1915 existiert noch eine photographische Aufnahme im Familienbesitz. Von 1906 an praktizierte Isaak Klotzer an verschiedenen Adressen in der Hufelandstraße im Prenzlauer Berg. Ab 1911 schließlich in der Hufelandstraße 50, dem Eckhaus Greifswalder Straße 33, wo der Arzt ab 1916 gemeldet war und eine Röntgenpraxis in den Räumen seiner Privatwohnung unterhielt. Der Sohn seines Bruders, Charles L. Klotzer, erinnerte sich später: „From time to time, when Dr. Klotzer made house calls in a taxicab, he took me in the cab where I stayed while he visited his patients. That was a special treat. Our relationship was somewhat distant, although when he had visitors (I guess patients since his practice was in his home) he liked to show me off throwing math questions at me, which I answered fast and everybody smiled.” Im Juni 1922 verstarb die Mutter von Isaak Klotzer, im Oktober 1927 auch sein Vater. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben von Isaak Klotzer im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Isaak Klotzer und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. Isaak Klotzer war auch vom sogenannten Blutschutzgesetz der Nürnberger Gesetze von 1935 betroffen, die unter anderem Beschäftigungsverhältnisse im Haushalt sanktionierten. Sein Neffe erinnert sich: „For many years he had a live-in-helper, Lotte, who took care of the house. Their relationship must have been very close. I remember that when laws were passed that ‚Aryans‘ were no longer permitted to work for Jews, it was very upsetting to them. Lotte kept on crying and Dr. Klotzer kept consoling her. When she left, my sister Elfriede (nine years older than I was) moved in to help. Elfriede – or Friedel as we called her – in March ’39 moved to England, a week after my parents and I emigrated to Shanghai, China. Dr. Klotzer always instated that his patients ‚need him‘, he couldn't leave although he knew what happened in the camps having treated camp inmates, who were released. At that time if one had documents to leave the country, Jews still were released from camp, like my father, Salo Klotzer, brother of Isaak.” Am 30. September 1938 wurde Isaak Klotzer wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen. 1939 musste der Arzt seine Wohnung und Praxis in der Greifswalder Straße 33 aufgeben und zog in die Weißenburger Straße 29 (der heutigen Kollwitzstraße 66). Zwischen 1940 und 1942 konnte er nur noch als „Krankenbehandler“ ausschließlich jüdische Patienten versorgen und war noch im März 1942 als Krankenbehandler für einen Zwangsarbeiter der Firma „Warnecke & Böhm“ tätig.

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Nachdem seine Nichte sich 1939 nach England hatte retten können, half Isaaks unverheiratete Schwester Goldine ihm als Haushälterin in der Weißenburger Straße 29, bis zu ihrer Deportation. Sie wurde am 26. September 1942 mit dem „20. Osttransport“ aus Berlin nach Raasiku bei Reval verschleppt und dort ermordet. Isaak wandte sich um Hilfe an seinen Bruder, wie sich sein Neffe erinnert: „In my memorabilia I have a postcard from Dr. Klotzer in 1943, where he did ask us if we could help him to join us. By then immigration to Shanghai had been stopped by the Japanese, who had occupied all of the city. It was too late.” Wegen des durch Heinrich Himmler verhängten generellen Ausreiseverbots von Juden seit Oktober 1941 hätte Isaak Klotzer allerdings auch keine Chance gehabt, das Land zu verlassen, wenn die Route über Shanghai noch offen gewesen wäre. Zum Zeitpunkt seines Schreibens 1943 befand er sich bereits im Ghetto Theresienstadt. Im Herbst 1942 hatte er den Deportationsbescheid erhalten, seine Wohnung verlassen müssen und war aus einem der Berliner Sammellager am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert worden. Nach seiner Ankunft im Ghetto wurde er in einer Wohnbaracke im Gebäude E VII, Zimmer 50, untergebracht, wo der 67-jährige kaum ein halbes Jahr überlebte, bevor er ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder durch die unmenschlichen Bedingungen mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Isaaks Bruder Salo, dessen Sohn und dessen Tochter überlebten die NS-Verfolgung im Exil.