Max Zernik

Verlegeort
Duisburger Straße 16
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
06. Juni 2018
Geboren
23. April 1877 in Kattowitz (Schlesien) / Katowice
Beruf
Einkäufer
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Ermordet

Max Zernik wurde am 23. April 1877 im schlesischen Kattowitz (heute: Katowice / Polen) in ein jüdisches Elternhaus geboren. Er schloss die Realschule ab, durchlief eine kaufmännische Ausbildung und zog 1900 nach Berlin. Als Einkäufer für Leinen- und Baumwollwaren arbeitete er im Kaufhaus Hermann Tietz, Leipziger Straße.<br />
1910 heiratete er Hedwig Tichauer, 1887 geboren, aus dem schlesischen Ort Scharley (heute in. Aus dieser Ehe gingen die Söhne Herbert Emanuel (* 10. Oktober 1912 in Berlin) und Ernst (* 19. Oktober 1917 in Berlin) hervor, die 1935 und 1936 nach Palästina auswanderten. Der Weg weiterer Angehöriger von Max Zernik in die USA und eventuell Mexiko konnte nicht mehr nachverfolgt werden. <br />
Im Ersten Weltkrieg war Max Zernik Frontsoldat von 1914 bis1918. Nach dem Krieg stieg er zum stellvertretenden Geschäftsführer des Hermann-Tietz-Kaufhauses am Berliner Alexanderplatz auf. Im Jahr 1926 übernahm er die Geschäftsführung des Kaufhauses Chausseestraße mit eigener Berufsschule.<br />
Im April 1933 wurde von den Nationalsozialisten der Boykott jüdischer Geschäfte organisiert. Es folgte die Verdrängung jüdischer Geschäftsinhaber und die Entlassung „nicht arischer Beamter“. <br />
In diesen Boykott-Tagen vom April 1933 verlor Max Zernik seinen Arbeitsplatz aus rassischen Gründen: Der Leiter der nationalsozialistischen Kaufhaus-Betriebszelle betrat zusammen mit einem Fahrstuhlführer in Uniform, der wegen Trunkenheit im Dienst entlassen worden war, das Büro des jüdischen Kaufhausdirektors Max Zernik. Mit vorgehaltenem Revolver wurde er gezwungen zu unterschreiben, dass er „freiwillig“ seinen Posten zur Verfügung stelle (Quelle: Eidesstattliche Versicherung Herbert E. Zernik, 2. Juli 1957, Tel-Aviv). <br />
Die Familie Zernik wohnte in Berlin NW 21, Bundesrat Ufer 7, an der Spree (Quelle: Jüdisches Adressbuch von Groß-Berlin 1931) und zog am 1. Juli 1934 in die Duisburger Straße 16, Berlin W 15, um. Es war eine 4-Zimmer-Wohnung im 2. Stock des Vorderhauses. Den Mietvertrag fertigte die Hausverwaltung Hilde Fleck, Wilhelmstraße 12, aus. <br />
In der Folge der nationalsozialistischen Novemberpogrome gegen Juden vom 9. November 1938 wurde Max Zernik am 12. November 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald unter der Häftlings-Nummer 27139 eingeliefert und am 4. Dezember 1938 dort entlassen (Quelle: Internationales Rotes Kreuz, Arolsen, 28.05.1956). Von den Nationalsozialisten wurde er zynisch als „Aktionsjude“ eingestuft.<br />
Der Novemberpogrom von 1938 war der Beginn der systematischen Judenverfolgung in Deutschland am Vorabend des Holocausts. Es gelang der Familie Zernik nicht mehr, Deutschland zu verlassen. <br />
1938 hatte Zernik eine Sicherheit für die Reichsfluchtsteuer beim Finanzamt zu hinterlegen. Außerdem wurde ihm 1939 eine hohe Judenvermögensabgabe auferlegt, sodass er gezwungen war, seine Lebensversicherungen bei der Nordstern Lebensversicherung an das Finanzamt Wilmersdorf-Nord abzutreten (22. Juni 1938). Das Finanzamt übte das Rückkaufrecht auf die Lebensversicherungen aus. Die Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe wurde aus den Rückkaufwerten der Versicherungen beglichen. Mit dem „Überschreiten der deutschen Staatsgrenze“, der erzwungenen Deportation, wurde die 11. Verordnung des Reichsbürgergesetzes angewendet, die den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft und des Vermögens einschließlich gezahlter Reichsfluchtsteuer mit vollzogener Deportation festlegte.<br />
Max Zernik nahm seine Schwestern Else Jacoby, geb. Zernik, und Olga Bähr, geb. Zernik, sowie seine Nichte Gerda Bähr in seine Wohnung auf. Sie sind in der Volkszählung vom 17. Mai 1939 unter der Adresse Duisburger Str. 16, Berlin W 15, geführt (Quelle: Bundesarchiv Berlin, Bestand R 1509, Reichssippenamt). Den Holocaust haben auch sie nicht überlebt.<br />
Seit Oktober 1941 wurden Berliner Juden in die Ghettos des Ostens deportiert. Am 3. Dezember 1941 schrieb Herbert Emanuel Zernik aus Palästina einen Kurzbrief über das Rote Kreuz an seine Eltern Zernik in Berlin: <br />
„Liebe Eltern, bitte berichtet umgehend Euer Ergehen. Wir alle, Mirjam, klein Chawa, wohlauf. Ernst zu Besuch bei uns. Bleibt gesund, seid herzlich gegrüßt. Eure Kinder.“<br />
Die Eltern und Else antworten mit einer Postkarte über das Deutsche Rote Kreuz nach Palästina:<br />
„Liebe Kinder, unser Ergehen zeitentsprechend. Sollten Veränderungen erfolgen, werdet Ihr durch Tante Emmy benachrichtigt. Bleibt gesund und glücklich, hoffen trotzdem auf ein Wiedersehen. Eure Eltern. Berlin, den 17.2.1942.“<br />
Emmy Zernik (Düsseldorf) war die Schwägerin von Max Zernik, verheiratet mit Leo Zernik. Die Rot-Kreuz-Briefe tragen zahlreiche Zensurstempel (Quelle: Entschädigungsamt Berlin, Reg. 52697, Verfolgter: Max Zernik).<br />
Der Antwortbrief der Eltern Max und Hedwig noch aus Berlin ist eines der letzten Lebenszeichen vor ihrer Ermordung. Beide wurden gemeinsam mit Else Jacoby am 28. März 1942 mit dem „11. Osttransport“, Olga und Gerda Bähr am 28. März 1942 über die Bahnstation Trawniki (Lublin) und einem bewachten Fußmarsch von 12 Kilometern nach Piaski, einem Transitghetto, deportiert und vermutlich in Sobibor ermordet. <br />
Zur Verlegung der Stolpersteine im Jahr 2018 kamen aus der großen Nachkommenschaft der Söhne Herbert Emanuel und Ernst zwanzig Familienmitglieder, sogar eine Urenkelin, nach Berlin.<br />

Max Zernik wurde am 23. April 1877 im schlesischen Kattowitz (heute: Katowice / Polen) in ein jüdisches Elternhaus geboren. Er schloss die Realschule ab, durchlief eine kaufmännische Ausbildung und zog 1900 nach Berlin. Als Einkäufer für Leinen- und Baumwollwaren arbeitete er im Kaufhaus Hermann Tietz, Leipziger Straße.
1910 heiratete er Hedwig Tichauer, 1887 geboren, aus dem schlesischen Ort Scharley (heute in. Aus dieser Ehe gingen die Söhne Herbert Emanuel (* 10. Oktober 1912 in Berlin) und Ernst (* 19. Oktober 1917 in Berlin) hervor, die 1935 und 1936 nach Palästina auswanderten. Der Weg weiterer Angehöriger von Max Zernik in die USA und eventuell Mexiko konnte nicht mehr nachverfolgt werden.
Im Ersten Weltkrieg war Max Zernik Frontsoldat von 1914 bis1918. Nach dem Krieg stieg er zum stellvertretenden Geschäftsführer des Hermann-Tietz-Kaufhauses am Berliner Alexanderplatz auf. Im Jahr 1926 übernahm er die Geschäftsführung des Kaufhauses Chausseestraße mit eigener Berufsschule.
Im April 1933 wurde von den Nationalsozialisten der Boykott jüdischer Geschäfte organisiert. Es folgte die Verdrängung jüdischer Geschäftsinhaber und die Entlassung „nicht arischer Beamter“.
In diesen Boykott-Tagen vom April 1933 verlor Max Zernik seinen Arbeitsplatz aus rassischen Gründen: Der Leiter der nationalsozialistischen Kaufhaus-Betriebszelle betrat zusammen mit einem Fahrstuhlführer in Uniform, der wegen Trunkenheit im Dienst entlassen worden war, das Büro des jüdischen Kaufhausdirektors Max Zernik. Mit vorgehaltenem Revolver wurde er gezwungen zu unterschreiben, dass er „freiwillig“ seinen Posten zur Verfügung stelle (Quelle: Eidesstattliche Versicherung Herbert E. Zernik, 2. Juli 1957, Tel-Aviv).
Die Familie Zernik wohnte in Berlin NW 21, Bundesrat Ufer 7, an der Spree (Quelle: Jüdisches Adressbuch von Groß-Berlin 1931) und zog am 1. Juli 1934 in die Duisburger Straße 16, Berlin W 15, um. Es war eine 4-Zimmer-Wohnung im 2. Stock des Vorderhauses. Den Mietvertrag fertigte die Hausverwaltung Hilde Fleck, Wilhelmstraße 12, aus.
In der Folge der nationalsozialistischen Novemberpogrome gegen Juden vom 9. November 1938 wurde Max Zernik am 12. November 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald unter der Häftlings-Nummer 27139 eingeliefert und am 4. Dezember 1938 dort entlassen (Quelle: Internationales Rotes Kreuz, Arolsen, 28.05.1956). Von den Nationalsozialisten wurde er zynisch als „Aktionsjude“ eingestuft.
Der Novemberpogrom von 1938 war der Beginn der systematischen Judenverfolgung in Deutschland am Vorabend des Holocausts. Es gelang der Familie Zernik nicht mehr, Deutschland zu verlassen.
1938 hatte Zernik eine Sicherheit für die Reichsfluchtsteuer beim Finanzamt zu hinterlegen. Außerdem wurde ihm 1939 eine hohe Judenvermögensabgabe auferlegt, sodass er gezwungen war, seine Lebensversicherungen bei der Nordstern Lebensversicherung an das Finanzamt Wilmersdorf-Nord abzutreten (22. Juni 1938). Das Finanzamt übte das Rückkaufrecht auf die Lebensversicherungen aus. Die Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe wurde aus den Rückkaufwerten der Versicherungen beglichen. Mit dem „Überschreiten der deutschen Staatsgrenze“, der erzwungenen Deportation, wurde die 11. Verordnung des Reichsbürgergesetzes angewendet, die den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft und des Vermögens einschließlich gezahlter Reichsfluchtsteuer mit vollzogener Deportation festlegte.
Max Zernik nahm seine Schwestern Else Jacoby, geb. Zernik, und Olga Bähr, geb. Zernik, sowie seine Nichte Gerda Bähr in seine Wohnung auf. Sie sind in der Volkszählung vom 17. Mai 1939 unter der Adresse Duisburger Str. 16, Berlin W 15, geführt (Quelle: Bundesarchiv Berlin, Bestand R 1509, Reichssippenamt). Den Holocaust haben auch sie nicht überlebt.
Seit Oktober 1941 wurden Berliner Juden in die Ghettos des Ostens deportiert. Am 3. Dezember 1941 schrieb Herbert Emanuel Zernik aus Palästina einen Kurzbrief über das Rote Kreuz an seine Eltern Zernik in Berlin:
„Liebe Eltern, bitte berichtet umgehend Euer Ergehen. Wir alle, Mirjam, klein Chawa, wohlauf. Ernst zu Besuch bei uns. Bleibt gesund, seid herzlich gegrüßt. Eure Kinder.“
Die Eltern und Else antworten mit einer Postkarte über das Deutsche Rote Kreuz nach Palästina:
„Liebe Kinder, unser Ergehen zeitentsprechend. Sollten Veränderungen erfolgen, werdet Ihr durch Tante Emmy benachrichtigt. Bleibt gesund und glücklich, hoffen trotzdem auf ein Wiedersehen. Eure Eltern. Berlin, den 17.2.1942.“
Emmy Zernik (Düsseldorf) war die Schwägerin von Max Zernik, verheiratet mit Leo Zernik. Die Rot-Kreuz-Briefe tragen zahlreiche Zensurstempel (Quelle: Entschädigungsamt Berlin, Reg. 52697, Verfolgter: Max Zernik).
Der Antwortbrief der Eltern Max und Hedwig noch aus Berlin ist eines der letzten Lebenszeichen vor ihrer Ermordung. Beide wurden gemeinsam mit Else Jacoby am 28. März 1942 mit dem „11. Osttransport“, Olga und Gerda Bähr am 28. März 1942 über die Bahnstation Trawniki (Lublin) und einem bewachten Fußmarsch von 12 Kilometern nach Piaski, einem Transitghetto, deportiert und vermutlich in Sobibor ermordet.
Zur Verlegung der Stolpersteine im Jahr 2018 kamen aus der großen Nachkommenschaft der Söhne Herbert Emanuel und Ernst zwanzig Familienmitglieder, sogar eine Urenkelin, nach Berlin.