Der am 4. Dezember 1897 in Rogowo (heute Polen) geborene Moritz Chosch heiratete im August 1929 in Berlin-Prenzlauer Berg die am 18. Februar 1900 in Gnesen (heute Gniezno, Polen) geborene Martha Bley.
In der Eheurkunde werden Moritz Chosch als in Mannheim ansässiger Geschäftsführer und Martha als in der Prenzlauer Allee 34 wohnende Buchhalterin genannt.
Leider finden sich in der Eheurkunde keine Angaben zu den Eltern des Brautpaares, sodass sich keine Hinweise auf deren Wohnsitz erhalten haben. Daher war nicht zu ermitteln, wann und ob die Eltern von Martha und Moritz nach Berlin bzw. Mannheim kamen.
Für die Jahre 1929 bis 1931 konnten in den Berliner Adressbüchern keine Anschriften für das Ehepaar Chosch ermittelt werden. Es ist daher naheliegend, dass sie zu dieser Zeit nicht in Berlin und möglicherweise noch in Mannheim lebten.
Ab der Ausgabe von 1932 wird Moritz Chosch im Berliner Adressbuch als „Kaufmann“ unter der Anschrift Woldenberger Str. 21 genannt. Er zog mit Martha und dem am 20. September 1930 geborenen Sohn Horst in die Wohnung im Vorderhaus, 2. Etage. Am 23. Juni 1935 kam die Tochter Helga zur Welt.
Horst wurde Ostern 1937 in der Jüdischen Schule in der Rykestraße eingeschult. Moritz war zu diesem Zeitpunkt Angestellter der Jüdischen Gemeinde, wie aus Horsts Schulkartei ersichtlich ist.
Im Mai 1939 wurde im Deutschen Reich eine Volkszählung durchgeführt, in deren Rahmen alle Bürgerinnen und Bürger auf einer sogenannten Ergänzungskarte ihre „rassische Abstammung“ offenzulegen hatten. Diese Karten dienten den deutschen Behörden zur Vorbereitung und Verwaltung des planmäßigen Völkermords an der jüdischen Bevölkerung. Anhand dieser im Bundesarchiv aufbewahrten Dokumente wissen wir, dass alle vier Mitglieder der Familie Chosch als „jüdischstämmig“ eingeordnet wurden. Sie waren damit allen antisemitischen staatlichen Maßnahmen wie Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung unterworfen, die seit 1933 systematisch in Deutschland eingeführt wurden. Diese reichten von Berufsverboten über Enteignungen und Deportation (beschönigend „Umsiedlung“ oder „Abwanderung“ genannt) bis schließlich zur Ermordung durch Hunger, Krankheit, Massenerschießung oder in den Gaskammern der Vernichtungslager.
Ostern 1941 wurde Helga Chosch in der 3. Jüdischen Schule in der Kaiserstraße in Berlin-Mitte eingeschult. Eine staatliche Schule durften jüdische Kinder seit November 1938 nicht mehr besuchen.
Hier lernte sie die gleichaltrige Rita Hinkelmann aus der Schieritzstraße 34 kennen. Die Mädchen freundeten sich an und legten ihren täglichen Schulweg – die ganze Greifswalder Straße bis über den Alexanderplatz zur Kaiserstraße – gemeinsam zurück. Die Erinnerung daran hat die Freundin Rita als schriftliche Überlieferung ihrer Familie hinterlassen.
Ab Oktober 1941 begannen die Nazis mit den planmäßigen Deportationen der jüdischen Bevölkerung Berlins.
Zum 30. Juni 1942 wurden alle jüdischen Schulen durch den deutschen Staat geschlossen – da hatten die Freundinnen Helga und Rita gerade ihre 1. Klasse beendet.
Die Eltern beider Mädchen waren – wie alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die noch nicht deportiert worden waren – zu Zwangsarbeit verpflichtet. Wie nach Schließung der Schulen die Betreuung der Kinder geregelt wurde, ist kaum vorstellbar.
Am 17. Mai 1943 wurde Moritz mit Horst und Helga auf dem „38. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert.
Martha lag wohl zu diesem Zeitpunkt – so die Erinnerung von Rita Hinkelmann – im Jüdischen Krankenhaus Wedding. Sie wurde sechs Wochen später, am 28. Juni 1943, mit dem „39. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert.
Alle vier Mitglieder der Familie Chosch, Moritz, Martha, Horst und Helga, wurden in Auschwitz ermordet. Ihre genauen Todesdaten wurden nicht dokumentiert.
Die Schulfreundin Rita Hinkelmann überlebte den Staatsterror, weil sie durch ihren „arischen“ Vater von der Deportation verschont blieb.
Aus ihren schriftlichen Lebenserinnerungen erwuchs die Anregung, mit Stolpersteinen für die Erinnerung an das Schicksal der Familie Chosch zu sorgen.
Für Rita und ihre Familie liegen bereits Stolpersteine in der Schieritzstraße 34.
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