Ruth Riesenburger

Location 
Jablonskistr. 26
District
Prenzlauer Berg
Stone was laid
07 October 2023
Born
01 June 1925 in Berlin
Occupation
Schneiderin
Forced Labour
Arbeiterin (KZ Mauthausen, Außenlager Lenzing, bei Lenzing Zellwolle AG)
Deportation
on 17 May 1943 from Berlin to Theresienstadt
Later deported
on 06 October 1944 to Auschwitz
Later deported
on 03 November 1944 to Mauthausen, Außenlager Lenzing
Survived

Ruth Riesenburger kam am 1. Juni 1925 als jüngste von zwei Töchtern des Kaufmanns Isidor Riesenburger und dessen Ehefrau Hertha geb. Heidemann in Berlin zur Welt. Ihre Eltern hatten hier im September 1919 geheiratet. Die Schwester Lieselotte war im September 1920 geboren worden. Die Familie Isidor Riesenburger wohnte seit 1921 in Berlin-Charlottenburg in der Augsburger Straße 23. Zwischen 1927 und 1929 dann ein erneuter Umzug nach Berlin-Kaulsdorf in die Friedrichstraße 26 II. Etage (2 Treppen – wie der Berliner sagt).

Ostern 1931 wurde Ruth in Kaulsdorf eingeschult. Der Haushaltsvorstand Isidor wird bis 1933 im Berliner Adressbuch unter dieser Anschrift – mit Telefon genannt. Im Jahre 1934 dann der nächste Umzug der Familie– dieses Mal nach Berlin-Prenzlauer Berg. Ab der Ausgabe 1935 des Adressbuchs von Berlin wird Vater Isidor nun mit der Anschrift Jablonskistraße 26 als Kaufmann mit Telefon genannt. In den Telefonbüchern der Jahre 1935 bis 1939 ist er als Versicherungsvertreter dokumentiert.

Die Schwester Lieselotte beendete Ostern 1935 die 8-klassige Volksschule und nahm danach eine Ausbildung zur Krankenschwester auf.

Ruth musste 1938 – gem. der anti-jüdischen Gesetzgebung in Nazi-Deutschland- für das letzte Schuljahr noch auf die Jüdische Schule wechseln, weil jüdischen Schülern mittlerweile sogar der Besuch einer „normalen“ Volksschule verboten war. Ostern 1939 beendete sie die 8-klassige Volksschule danach erlernte sie- vermutlich in einer Einrichtung der Jüdischen Kultusgemeinde - den Beruf einer Schneiderin.

Aus den Unterlagen der Volkszählung vom Mai 1939 wissen wir, dass Ruth mit Vater Isidor und Mutter Hertha Riesenburger am 17. Mai 1939 in der Jablonskistraße 26 wohnte, während Schwester Lieselotte im Israelitischen Krankenheim in der Elsässer Straße 85 (heute Torstr. 146) wohnte und arbeitete.

Vermutlich hat auch Isidor Riesenburger versucht, für seine Familie eine Ausreise aus Nazi-Deutschland zu organisieren. Dazu waren außer Visa von Drittstaaten auch entsprechende Finanzmittel notwendig. Vermutlich an beidem scheiterte dieses Vorhaben.

Für die Schwester Lieselotte tat sich dann über ihre Berufstätigkeit eine Möglichkeit zum Verlassen von Nazi-Deutschland auf. Sie lernte an ihrem Arbeitsort den Sohn einer Patientin kennen, der ihr anbot, sie mit nach Shanghai / China zu nehmen. Sicher nach vielen schlaflosen Nächten beschlossen ihre Eltern, die 19-Jährige auf diese unwägbare Reise zu schicken. Da durch den Kriegsbeginn im September 1939 eine direkte Reise mit dem Schiff nicht mehr möglich war, konnte Lieselotte im Juli 1940 nur mit dem Zug – der Transsibirischen Eisenbahn - quer durch Europa bis nach Asien, Shanghai fahren. Die Reise dauerte mehrere Wochen. Später heiratete sie in Shanghai Heinrich Marcus, den Sohn ihrer (verstorbenen) Patientin.

In Berlin blieben Ruth und die Eltern sowie Großeltern, Onkel und Tanten zurück, deren Leben sich seit der Machtübernahme der Nazis bereits dramatisch verändert hatte und sich in den Folgejahren auf eine nicht vorstellbare Weise weiter verändern sollte.

Isidor, Hertha und Ruth waren wie alle jüdischen Bürger zu Zwangsarbeit bei geringstem Einkommen verpflichtet. Aus ihren Vermögenserklärungen von 1943 wissen wir, dass Isidor als Arbeiter bei der Abbruchfirma Zapke und Zimmermann in Tiergarten, Hertha als Manglerin in der Wäscherei der Jüdischen Kultusgemeinde in der Pestalozzistraße 14-15 und Ruth in der Schneiderei Arthur Schulz in der Greifswalder Straße 4 schufteten.

Im Mai 1942 haben sie die Wohnung gewechselt – vermutlich nicht freiwillig. Sie zogen in die Christburger Straße 48. Dieses Haus gehörte seit 1907 der jüdischen Familie Michaelis und wurde inzwischen durch einen nicht-jüdischen Verwalter bewirtschaftet (s. www.zwangsraeume.berlin.de).

Seit Oktober 1941 setzten die Nazis ihr Vernichtungsprogramm mit der planmäßigen Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung fort.

Am 17. Mai 1943 wurde Ruth gemeinsam mit ihren Eltern, Isidor und Hertha, aus der Christburger Straße mit dem 38. Osttransport ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort wurden sie im Oktober 1944 nach Auschwitz „verlegt“. Isidor und Hertha Riesenburger wurden ebendort ermordet. Ihre genauen Todesdaten sind nicht dokumentiert.

Die 19-jährige Ruth wurde im November 1944 ins KZ Mauthausen „verlegt“. Dort wurde sie im Außenlager Lenzing zur Zwangsarbeit in der Kunstfaserproduktion der Lenzing Zellwolle AG eingesetzt. Am 8. Mai 1945 wurde dieses KZ samt Außenlager von der 3. US-Army befreit – Ruth hat überlebt!

Am 22. August 1946 verließ Ruth Deutschland - gemeinsam mit ihrem zukünftigen Ehemann, Hans-Werner Alterthum, der 1945 in Mauthausen/Gusen ebenfalls befreit worden war.  Auf dem Schiff "Marine Perch“ fuhren sie von Bremen nach New York, USA.

Im Jahr 1947 kamen ihre Schwester Lieselotte und deren Ehemann aus Shanghai nach New York, USA wo sie sich erstmals nach dem Krieg wiedersahen. Dort haben Ruth und Hans-Werner in Anwesenheit von Schwester und Schwager geheiratet.

Nach ihrem Tod wurden beide ihrem Wunsch entsprechend auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee bestattet.