Horst Fritz Abraham kam am 27. Dezember 1917 als Sohn des Schuhmachermeisters Karl Abraham und dessen Ehefrau Doris, geb. Löwenberg, in Berlin Prenzlauer Berg zur Welt. Seine Eltern hatten 1914 in Potsdam geheiratet und wohnten bei Doris Mutter in der Winsstraße 55, wo diese im März 1917 verstarb.
1919 zog die junge Familie in die Schönhauser Allee 184. Dort kam im Februar 1920 die Schwester Vera zur Welt. Laut Berliner Adressbuch von 1922 finden wir Karl Abraham als Haushaltsvorstand in der Naugarder Straße 17 (Ecke Hosemannstraße 12). Horsts Vater arbeitete tagsüber bei der Jüdischen Gemeinde als Friedhofsbeamter, um im Anschluss als Meister in seiner Schuhmacherwerkstatt tätig zu sein. In seiner Abwesenheit leitete Doris die Werkstatt mit ihren Gesellen.
Horst wurde Ostern 1924 in die 306. Volksschule in der Mandelstraße 2 eingeschult und auf Empfehlung seiner Lehrerin nach der Grundschulzeit ins Sophien-Gymnasium (am gleichen Schulstandort) umgeschult. Sein Vater musste dafür ein monatliches Schulgeld aufbringen. Hier erhielt Horst eine klassisch humanistische Ausbildung, was neben anderen Fächern auch vier Fremdsprachen (Latein, Englisch, Französisch und Griechisch) bedeutete. 1937 hätte diese Ausbildung mit dem Abitur und der Möglichkeit eines Studiums ihren Abschluss finden sollen. Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 wurden aber sukzessive und planmäßig Jüdinnen und Juden die bürgerlichen Rechte entzogen. Mit den Novemberpogromen setzten 1938 dann die physischen Verfolgungen ein, die in der Menschenvernichtung der Shoah mündeten. Auch die Familie Abraham war davon betroffen. Bereits am 25. April 1933 wurde das sogenannte Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen verabschiedet, das den Anteil von Jüdinnen und Juden an staatlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland streng quotierte. So war Horst gezwungen, bereits Ostern 1934 seine Schule statt mit dem Abitur lediglich mit einem Mittelschulabschluss zu verlassen; sehr wahrscheinlich aufgrund der Regelungen des ein Jahr zuvor erlassenen Gesetzes. Er fand durch persönliche Vermittlung eines Kunden seines Vaters eine Anstellung in einer Speditionsfirma, die sich „noch“ in jüdischem Besitz befand.
Vater Karl Abraham musste – vermutlich im Zuge der antisemitischen Gesetzgebung in Nazi-Deutschland – nach 1935 Geschäft und Wohnung in der Naugarder Straße 17 aufgeben. Spätestens 1937 zog die Familie in die Prenzlauer Allee 24. Vermutlich hätte Vater Abraham seine Familie gern ins sichere Ausland gebracht, leider fehlten ihm hierzu die Kontakte und finanziellen Möglichkeiten.
Anfang 1939 tat sich dann durch Zufall für den 21-jährigen Horst eine Möglichkeit zum Verlassen Deutschlands auf. Einer befreundeten Familie war es gelungen, Schiffstickets für die Einreise ins visafreie Shanghai zu erlangen. Durch den plötzlichen Tod des Sohnes war dessen Platz auf dem Schiff frei geworden. Familie Abraham gelang es, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen, um so wenigstens einem Familienmitglied den rettenden Ausweg zu eröffnen. Horst Abraham verließ Deutschland am 25. Mai 1939. Im Juli des Jahres feierten seine Eltern in Berlin Silberhochzeit. Horst schickte ihnen ein Foto mit folgender Widmung:
"Meinen geliebten Eltern zur Silberhochzeit von Ihrem Horst Shanghai 16. Juli 1939"
Horst arbeitete in Shanghai sehr hart, um für seine Familienangehörigen die nötigen finanziellen Mittel für eine Ausreise zusammenzubringen. Seine in Berlin erworbenen Fremdsprachenkenntnisse waren ihm dabei von großem Vorteil.
Am 8. September 1940 heiratete seine Schwester Vera den sieben Jahre älteren, in Berlin geborenen und ebenfalls jüdischen Norbert Neufeld.
Nur vier Tage später – am 12. September 1940 – verließen Horsts Eltern Deutschland. Da durch den Kriegsbeginn eine direkte Schiffspassage von Deutschland nach China nicht mehr möglich war, mussten sie mit dem Zug über die Sowjetunion und die Mandschurei nach Shanghai reisen. Nach wochenlanger Reise trafen sie im Oktober 1940 in der Stadt ein. Die Eltern brachten Horst ein Foto der Hochzeitsgesellschaft mit. Von den 17 Gästen dieser Feier haben nur drei Personen die Shoah überlebt.
Horst und seine Eltern erlebten das Kriegsende in Fernost. Sie konnten 1949 in die USA emigrieren.
Seine Schwester Vera, deren Mann Norbert Neufeld und ihr 1941 geborener Sohn Denny wurden im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. An ihrem Wohnort (Weinstraße 20c – heute etwa Mollstraße 11-12) erinnern seit 2017 Stolpersteine an die Familie.
All texts and images on this website are protected by copyright and may not be used without the permission of the copyright holder.