Karl (auch Carl/Kallmann) Abraham wurde am 1. März 1886 in Lobsens (Łobżenica/Polen) geboren. Er erlernte das Schuhmacher-Handwerk. Wann er nach Berlin ging, ist nicht überliefert. 1914 heiratete er in Potsdam die 1887 in Berlin geborenen Doris Löwenberg. Das Ehepaar wohnte bei Doris Mutter in der Winsstraße 55, wo diese im März 1917 verstarb. Im Dezember kam hier der Sohn Horst Fritz Abraham zur Welt. 1919 zog die junge jüdische Familie in die Schönhauser Allee 184, wo im Februar 1920 die Tochter Vera geboren wurde. Laut Berliner Adressbuch von 1922 finden wir Karl Abraham als Haushaltsvorstand in der Naugarder Straße 17 (Ecke Hosemannstraße 12). Er arbeitete tagsüber bei der Jüdischen Gemeinde als Friedhofsbeamter und anschließend als Meister in seiner Schuhmacherwerkstatt. In seiner Abwesenheit leitete Doris die Gesellen in der Werkstatt an.
Karl musste – vermutlich im Zuge der antisemitischen Gesetzgebungen in Deutschland – im Lauf der 1930er Jahre Geschäft und Wohnung in der Naugarder Straße 17 aufgeben. Spätestens 1937 zog die Familie Abraham in die Prenzlauer Allee 24. Vermutlich hätte Vater Abraham seine Familie gern ins sichere Ausland gebracht, leider fehlten ihm hierzu die Kontakte und finanziellen Möglichkeiten.
Anfang 1939 tat sich dann durch Zufall für den 21-jährigen Sohn Horst eine Möglichkeit zum Verlassen Deutschlands auf. Einer befreundeten Familie war es gelungen, Schiffstickets für die Einreise ins visafreie Shanghai zu bekommen. Durch den plötzlichen Tod des Sohnes war nun dessen Platz auf der Überfahrt frei geworden. Familie Abraham gelang es, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen, um so wenigstens einem Familienmitglied den rettenden Ausweg zu eröffnen.
Im Mai 1939 verließ Horst Abraham Deutschland. Er arbeitete in Shanghai sehr hart, um für seine Familienangehörigen die nötigen finanziellen Mittel für eine Ausreise zusammenzutragen. 1940 gelang es Horst, zwei Einreisegenehmigungen (Affidavits) nach Shanghai zu erhalten. Karls Schwester Vera hatte am 8. September 1940 den sieben Jahre älteren, in Berlin geborenen, ebenfalls jüdischen Norbert Neufeld geheiratet.
Nur vier Tage darauf – am 12. September 1940 – verließen Karl und Doris Abraham Deutschland. Da durch den Kriegsbeginn eine direkte Schiffspassage von Deutschland nach Ostasien nicht mehr möglich war, mussten sie mit dem Zug über Sibirien und die Mandschurei nach Shanghai reisen. Nach wochenlanger Reise trafen sie im Oktober 1940 in Fernost ein. Sie brachten dem Sohn Horst ein Foto der Hochzeitsgesellschaft seiner Schwester mit. Von den 17 Gästen dieser Feier haben nur drei Personen die Shoah überlebt.
Karl, Doris und Horst Abraham erlebten im seit 1941 von Japan besetzten Shanghai das Kriegsende. Sie konnten 1949 in die USA emigrieren.
Karls Tochter Vera, sein Schwiegersohn Norbert und der 1941 geborene Enkelsohn Denny wurden im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. An ihrem Wohnort (Weinstraße 20c – heute etwa Mollstraße 11-12) erinnern seit 2017 Stolpersteine an die Familie.
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