Helene Gertrud Erna Simke née Toepfer

Location 
Wilhelmshöher Str. 17
District
Friedenau
Stone was laid
17 May 2023
Born
29 March 1905 in Potsdam
Occupation
Modezeichnerin
Escape
1935 Portugal, 1941 USA
Survived

Helene Gertrud Erna Toepfer, genannt Erna, wurde am 29. März 1905 in Potsdam geboren. Ihre Eltern waren Reinhold Toepfer (1873 – 1951) und Margarete, geborene Hensing (1879 – 1967).
Erna hatte zwei ältere Schwestern, Hannelore und Johanna. Die Familie war evangelisch.  Ihr Vater Reinhold Toepfer war Feinmechaniker und hatte den Familienbetrieb Otto Toepfer & Sohn übernommen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs musste die Firma Konkurs anmelden.

1918 zog die Familie nach Berlin und wohnte in Steglitz, Albrechtstr. 18. Erna verbrachte  1922 / 1923 an einem Gymnasium für junge Frauen in Dresden. Danach kehrte sie nach Berlin zurück und nahm an der Albert-Reimann-Schule ein Studium zur Modezeichnerin auf. In der prosperierenden Modebranche Berlins arbeitete sie für mehrere renommierte Modehäuser bei den Haute - Couture Schauen in Paris als Zeichnerin. Während die Models über den Laufsteg gingen skizzierte sie die aktuellen Designs.

Erna lernte Eleonore und ihren Bruder Hans Philipp Simke kennen; gemeinsam mit Eleonores Verlobten Arnold Schmitt verbrachten die vier jungen Erwachsenen ihre Freizeit, häufig gingen sie am Wannsee segeln. Hans Philipp Simke war Kaufmann und hatte bis zum Ende der Zwanziger Jahre eine gute berufliche Karriere gemacht.

 Am 22.12.1930 heirateten Hans Philipp und Erna Toepfer. Die Eltern hatten aufgrund des spürbaren wachsenden Antisemitismus gewisse Bedenken, wollten aber dem Glück ihrer Kinder nicht mit Weg stehen – und es gab ja bereits in der Familie Toepfer eine interkonfessionelle Ehe zwischen der Tochter Johanna und ihrem jüdischen Ehemann Walter Winter.
Ein Hochzeitsfoto zeigt die Eltern des Brautpaares, Hans Philipps Schwester Eleonore und ihren Ehemann Arnold Schmitt, die Schwestern der Braut Erna – Johanna und ihren Ehemann Walter Winter, und Hannelore Petzold mit ihrem Sohn Manfred - sowie die Großeltern der Braut mütterlicherseits, Heinrich und Pauline Hensing.

Hans Philipp und Erna Simke bezogen eine Wohnung in der Wilhelmshöher Str. 17 in Friedenau; hier lebten auch einige Mitglieder der „Roten Kapelle“ wie Erika Gräfin von Brockdorff, Adam und Greta Kuckhoff, sowie Künstler und Journalisten. Dieses Gebäude war ursprünglich ein „Einküchenhaus“: Lily Braun, geborene von Kretschman, hatte dieses Konzept, das Frauen durch eine im Erdgeschoß befindliche „Zentralküche“ von der Hausarbeit entlasten sollte, 1897 vorgestellt. 1909 bezogen die ersten Mieter ihre Wohnungen. Die Idee setzte sich jedoch nicht durch. Wenige Jahre später hatten alle Wohnungen, auch die der Simkes ihre eigene Küche.
Am 22. September 1934 wurde das erste Kind der Eheleute geboren, die Tochter Barbara Hannelore Margarethe.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die junge Familie bereits in Gedanken mit der Emigration befasst. Seit Beginn der 1930ger Jahre sank das Einkommen von Ernas Ehemann Hans Philipp kontinuierlich. Spätestens der 1933 staatlich organisierte Aufruf zum Boykott des jüdischen Geschäftslebens, der von erheblichen gewalttätigen Übergriffen begleitet wurde, machte deutlich, dass das Leben für jüdischen Menschen zukünftig noch schwerer werden würde. Ernas Ehemann verlor Ende 1932 seine Festanstellung, schlug sich noch zwei Jahre als selbständiger Handelsvertreter – zuletzt für die Radiogroßhandlung WEZETT RADIO GmbH - durch und war Anfang 1935 arbeitslos.
Ernas Einkommen trug daher seit einigen Jahren zu einem großen Teil zum Lebensunterhalt der jungen Familie bei. Dennoch dürfte auch Erna in ihrem beruflichen Umfeld den Judenhass zu spüren bekommen haben, da sie mit einem jüdischen Mann verheiratet war.

Hans Philipp und sein Schwager Arnold Schmitt bereiteten die Flucht aus Deutschland vor, die Erna, ihre einjährige Tochter Barbara und ihre Schwägerin Eleonore im Oktober 1935 zunächst nach Porto in Portugal führte. Auf ein Einreisevisum in die USA hätten sie in Deutschland mehrere Jahre warten müssen.
Auch in Porto war es schwierig, Arbeit zu finden um den Lebensunterhalt zu verdienen. Erna konnte ihre Arbeit in der Modebranche fortsetzen; ihr Berliner Arbeitgeber Aribert Schwabe sorgte dafür, dass Erna weiterhin für die jährlichen vier Modeschauen mit der neuesten Haute-Couture nach Paris reiste.

Die Zukunft in Porto war ungewiss: Erna begleitete nicht nur die Sorge um ihre Eltern und Schwestern sowie um die Schwiegereltern, die in Deutschland zurückgeblieben waren, sondern auch die Ungewissheit, ob sie in Porto vor den Nazis sicher seien, ob die Bemühungen um die Einreisevisa in die USA erfolgreich sein würden.
Ernas Eltern Margarete und Reinhold Toepfer hatten aufgrund ihrer protestantischen Glaubenszugehörigkeit keine Verfolgung seitens der Nazis zu befürchten. Ernas Schwester Johanne, die mit Walter Winter ebenfalls einen jüdischen Ehemann hatte, war jedoch ebenfalls Repressionen ausgesetzt.
Ernas Schwiegereltern Robert und Lisa lebten bereits seit Beginn der 1930ger Jahre in einer finanziell immer stärker bedrängten Situation: 1934 mussten sie ihren langjährigen Lebensmittelpunkt, die Wohnung in der Xantener Str. 17 aufgeben. Robert zog zur Untermiete in ein Zimmer in der Köpenicker Str. 26a in Kreuzberg, flüchtete jedoch bereits 1936 nach Prag. Lisa wohnte kurzfristig bei ihrer Tochter Eleonore und Schwiegersohn Arnold Schmitt am Südwestcorso 28 und nach deren Emigration nach Portugal in der Duisburger Str. 7. Ihren Lebensunterhalt verdiente Lisa als Garderobiere im jüdischen Bridgeclub in der Ballenstaedterstr. 3. Als dieser von den Nazis Ende 1938 geschlossen wurde nahm Lisa im Februar 1939 den Dampfer Lisboa und flüchtete zu ihren Kindern nach Porto.

Am 1. März 1939 wurde das zweite Kind von Erna und Hans Philipp, ihr Sohn John Peter geboren. Im April 1940 wurden auch Eleonore und Arnold Schmitt Eltern von einer Tochter Isabel. 1941 erhielten alle Familienangehörigen in Porto  endlich das begehrte Einreisevisum in die USA und erreichten am 23. Juni 1941 Ellis Island.
In den USA angekommen bauten sich Erna und Hans Philipp Simke eine neue berufliche Existenz auf. Ein drittes Kind, die Tochter Catherine Ann, wurde im Mai 1943 geboren. Erna blieb zeitlebens in der Modebranche erfolgreich.

Der Kontakt zum Schwiegervater Robert in Prag konnte einige Jahre per Post gehalten werden. 1939 wandte sich Robert hilfesuchend an seinen Sohn und bat um Überweisung von 200 Kronen, da er nicht nur völlig „ohne jeden Heller“ sei, sondern sogar sein Zimmer aufgegeben hatte. Danach riss der Kontakt ab. 1940 oder 1941 wurde Robert verhaftet und befand sich 1941  in Berlin im Jüdischen Krankenhaus in der Elsässer Str. 85. Seit Jahren war er schwer Nierenkrank. Aus dem Jüdischen Krankenhaus wurde er ins Untersuchungsgefängnis Moabit überstellt, von dort ins Gefängnis Tegel eingeliefert.
Am 30. Juni 1942 verstarb der todkranke Robert Simke im das Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße.
Am 9. Juli 1942 wurde Robert Simke auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee bestattet (Abt. N  IV, Reihe 8, Grab Nr. 108 905).

Seine Familie suchte jahrelang nach dem „Verschollenen“. Erst 1955 erhielten sie Auskunft über das Schicksal von Robert Simke.

Walter Winter, der Ehemann von Ernas Schwester Johanna, wurde wurde am 28.06.1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet.