Alice Herz geb. Strauß

Verlegeort
Akazienallee 4
Bezirk/Ortsteil
Mahlsdorf
Verlegedatum
06. Oktober 2023
Geboren
25. Mai 1882 in Hamburg
Flucht
1933 Frankreich, 1942 USA
Interniert
1940 in Gurs
Überlebt

Alice Herz wurde am 25. Mai 1882 in Hamburg als erste von sechs Töchtern der jüdischen Kaufmannsfamilie Strauß geboren. Ein jüngerer Bruder verstarb im Alter von zwei Jahren. Nach dem Besuch der Mittelschule absolvierte sie einen Lehrerinnenbildungskurs, welchen sie jedoch aufgrund einer Augenerkrankung abbrechen musste.

Ihre erste Anstellung hatte Alice im Anwaltsbüro des Rostocker Rechtsanwalts Dr. Hermann Tobias von 1906 bis 1908. Während dieser Zeit trat sie auch aus der jüdischen Gemeinde aus. In Rostock knüpfte sie die ersten Kontakte zur dortigen Frauenbewegung, obschon sie bereits vorher ein wachsendes Interesse an dieser zeigte.

1908 heiratete sie Paul Herz, den jüngsten Bruder der Frauenrechtlerin Margarete Herz. Mit ihm zog sie ins mecklenburgische Güstrow, wo sie nun selbst eine Ortsgruppe des Mecklenburgischen Landesvereins für Frauenstimmrecht gründete. 1912 bekamen sie hier ihr erstes Kind Helga und nachdem ihr Mann bereits 1914 im Zuge des Ersten Weltkrieges eingezogen wurde, 1915 ihren von Geburt an blinden Sohn Konrad. Der Erste Weltkrieg war es auch, welcher das Ehepaar Herz zu Kriegsgegnern werden und sich in der Liga für Menschenrechte und der Deutschen Friedensgesellschaft engagieren ließ.

Die Familie Herz siedelte 1920 nach Berlin-Mahlsdorf in die Akazienallee 4 über, nachdem Paul 1919 eine Anstellung in einem Köpenicker Chemiebetrieb erhielt. Hier führten sie zunächst ein glückliches Familienleben, das durch Gartenarbeit, Austausch mit den Nachbarn und freiwilliges Engagement geprägt war. Ende der 1920er-Jahre änderte sich das Leben schlagartig, nachdem am 31. Dezember 1928 erst Paul an einer Nierenerkrankung starb und am 2. Februar 1929 13-jährig auch Konrad verstarb. Alice war nun gezwungen, in ihrem Haus eine private Kinderbetreuung anzubieten sowie Musikunterricht zu erteilen. Nachdem ihre Tochter nach ihrem Abitur 1931 zum Studium nach Grenoble (Frankreich) ging, folgte ihr Alice für einige Zeit und nahm in Nizza eine Stelle als Englisch-Lehrerin an. Mutter und Tochter kehrten jedoch bereits 1932 nach Berlin zurück. 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sah sich Alice zunehmend in ihrer Friedensarbeit und nicht zuletzt auch durch ihre jüdische Abstammung bedroht. Mutter und Tochter verließen daher nach dem Reichstagsbrand Deutschland und reisten über Tschechien, Österreich und die Schweiz erneut nach Südfrankreich. In ihrem Exil publizierte Alice für Frieden sowie gegen Faschismus und betrieb Aufklärungsarbeit über den Nationalsozialismus, welchen sie in kritischen Medien immer wieder angriff.

Als jüdische Emigranten wurden Alice und Helga im Sommer 1938 schließlich Opfer der „Reichsfluchtsteuer“, aufgrund derer ihr Haus und Grundstück in Berlin-Mahlsdorf zwangsversteigert wurden. Eine spätere Rückforderung nach dem Zweiten Weltkrieg scheiterte zu Lebzeiten Alice‘ und wurde erst durch die Tochter realisiert.

Nachdem deutsche Truppen 1940 in Frankreich einmarschierten, wurden beide als unerwünschte Ausländerinnen im französischen Lager Gurs interniert, jedoch nach wenigen Monaten wieder entlassen. Sie fanden bis zum März 1942 Unterkunft bei einem katholischen Pfarrer auf dem Land, wo sie ihre Flucht nach Amerika organisierten. Mit Hilfe u. a. der Quäker-Organisation American Friends Service Committee (AFSC) und einem Neffen von Paul Herz als Bürgen gelang ihnen die Flucht über Casablanca, Kuba bis nach Kansas-City und schlussendlich Detroit/Michigan. Hier übernahm Alice eine Stelle als Deutschlehrerin an der Universität und erfreute sich großer Beliebtheit unter ihren Student*innen. 

Auch in Amerika betrieb Alice weiterhin ihre Friedensarbeit und schloss sich zudem 1946 dem Quakers Silence Meeting an. 1951 forderte sie dieses zum Austritt auf, unter dem Vorwurf, Alice Herz sei Kommunistin. Das House Un-American Activities Committee (HUAC) überwachte sie aufgrund dieses Vorwurfes mehrere Jahre. 

Eine 1947 beantragte amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt Alice nie, was teilweise auch auf ihre religiöse und politische Überzeugung zurückzuführen war, auch im Falle eines Angriffes das Land nicht mit Waffen zu verteidigen. Sie nahm an diversen Demonstrationen für Frieden und Bürgerrechte teil, so auch 1962 gegen die Kuba-Blockade, gegen Nuklearwaffen und 1964 gegen den Einsatz der USS Biddle. 1965 marschierte sie für die Rechte der schwarzen Amerikanerinnen und Amerikaner in Selma, Alabama.

Ihre letzte Demonstration für Frieden in Vietnam vollzog sie mit dem „Flammentod der Buddhisten“. Eigentlich für den 18. März 1965 auf dem Campus der Universität geplant, verlegte sie ihr Vorhaben bereits auf den 16. März. Am Abend dieses Tages übergoss sich Alice Herz auf einer Detroiter Straßenkreuzung mit Benzin und zündete sich selbst an. Schwer verletzt überlebte sie ihre Aktion und verstarb zehn Tage später im Krankenhaus. In ihrer Tasche fand sich eine Kopie eines politischen Testaments, in welchem sie Präsident Lyndon B. Johnson anklagte und den Vietnamkrieg verurteilte.

In Gedenken an Alice Herz rief Shingo Shibata, Professor an der Hosei-Universität in Tokio und langjähriger Freund, 1966 den Alice Herz Memorial Peace Fund ins Leben. Eine Fotografie von Alice Herz hängt in Hanoi im Vietnam Museum of Revolution. Seit 2003 trägt ein Platz in Berlin-Mahlsdorf ihr zu Ehren den Namen Alice-Herz-Platz.