Lucie Adelsberger

Verlegeort
Bleibtreustraße 17
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
06. Mai 2022
Geboren
12. April 1895 in Nürnberg
Beruf
Fachärztin für Kinderheilkunde
Deportation
am 17. Mai 1943 nach Auschwitz
Überlebt

Lucie Adelsberger kam am 12. April 1895 als Tochter des Weinhändlers Isidor Adelsberger und seiner Frau Rosa, geb. Lehmann, in Nürnberg zur Welt. Obwohl der Vater früh verstarb, konnte Lucie, die noch zwei jüngere Geschwister hatte, die höhere Töchterschule besuchen und im Jahr 1914 am Königlichen Realgymnasium das Abitur ablegen. Von 1914 bis 1919 studierte sie Medizin an der Universität Erlangen. Das praktische Jahr absolvierte sie am Cnopf’schen Kinderspital in ihrer Heimatstadt. 1920 erhielt sie die Approbation, 1923 folgte die Promotion.

1921 zog Lucie Adelsberger nach Berlin, wo sie Fachärztin für Kinderheilkunde und Innere Medizin wurde. Ab 1925 betrieb sie eine eigene Praxis, in der sie vor allem Patienten mit allergischen Erkrankungen behandelte. Auch ihr wissenschaftliches Interesse galt den Allergien. Von 1927 bis 1933 forschte sie am Robert Koch-Institut. Sie war Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, dem Bund Deutscher Ärztinnen und der Berliner Medizinischen Gesellschaft.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zunächst die Kassenzulassung, 1938 die Approbation entzogen. Wohl auch um einem Ausschluss zuvorzukommen, gab Lucie Adelsberger ihre Mitgliedschaft in den Berufsverbänden und Fachgesellschaften auf. Trotz eines Stellenangebotes der Universität Harvard blieb sie bei ihrer kranken Mutter, die zu ihr nach Berlin gezogen war, und sorgte weiterhin für ihre Patienten.

Der letzte Umzug in Berlin führte Lucie Adelsberger und ihre Mutter am 6. Dezember 1941 in die Bleibtreustraße. Das Haus mit der Nr. 17 war als sogenanntes „Judenhaus“ von den Behörden ausgewiesen worden. In der Beletage einer 6½ Zimmer-Wohnung im 1. Stock wohnte seit 1933 das Ehepaar Moses und Hermine Lipschitz. Moses Lipschitz war Zahnarzt und betrieb seine Praxis in der eigenen Wohnung. Wie allen jüdischen Zahnärzten hatten die Nationalsozialisten auch ihm zum 31. Januar 1939 seine Approbation entzogen – seither durfte er sich nur noch als „Zahnbehandler“ bezeichnen und ausschließlich jüdische Patienten therapieren. Lucie Adelsberger und ihre Mutter bewohnten fortan in der Lipschitz’schen Wohnung zur Untermiete zwei Zimmer mit Diele, auf welcher Lucie auch ihre verbliebenen Patienten empfing. Nachdem Moses Lipschitz am 9. Januar 1942 gestorben war, nahm seine Witwe einen neuen Untermieter auf, den jüdischen Zahnarzt Benno Klein, der die Praxiseinrichtung als „Zahnbehandler“ weiter nutzte.

Der Gesundheitszustand von Lucies Mutter verschlechterte sich zunehmend: Nach einem Schlaganfall war Rosa Adelsberger teilweise gelähmt und bettlägerig. Auf Anordnung der Behörden musste sie Ende 1942 in das jüdische Altersheim in der Auguststraße umziehen, wo sie am 30. Januar 1943 starb. Ihr Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.

Gegen Ende 1942 wurde Lucie Adelsberger zum ersten Mal von der Gestapo in das zum „Sammellager" umfunktionierte ehemalige jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 verbracht. Ursula Bohn, einer engen nicht-jüdischen Freundin, gelang es, durch Zahlung einer beträchtlichen Summe an einen einflussreichen SS-Angehörigen, Lucie Adelsberger freizukaufen und somit vorläufig vor der Deportation zu bewahren. Ein halbes Jahr später, am 6. Mai 1943, wurde Lucie Adelsberger zum zweiten Mal verhaftet und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße eingewiesen. Eine erneute Geldzahlung von Ursula Bohn konnte nicht verhindern, dass Lucie Adelsberger am 17. Mai 1943 mit dem sogenannten „38. Osttransport" vom Bahnhof Putlitzstraße (heute: Westhafen) aus nach Auschwitz deportiert wurde. Dort wurde sie zur Arbeit als Häftlingsärztin im „Zigeuner- und Frauenlager“ von Birkenau gezwungen.

Als im Januar 1945 die Rote Armee immer weiter gen Westen vorrückte, entschieden sich die SS-Verantwortlichen dazu, das Lager Auschwitz aufzulösen. Wer von den Gefangenen in der Lage war zu laufen, wurde auf einen der sogenannten „Todesmärsche“ geschickt. Die Gruppe, der Lucie Adelsberger zugeteilt war, musste am 18. Januar aufbrechen. Von Auschwitz bis Loslau ging es zu Fuß, von dort aus zusammengepfercht in offenen Kohlenwagen mit dem Zug vorbei an Breslau, Frankfurt an der Oder, den östlichen Vororten Berlins, Oranienburg und Fürstenberg bis nach Ravensbrück. Kurz vor Kriegsende wurde Lucie Adelsberger in Neustadt-Glewe aus, einem Außenlager des KZ Ravensbrück, befreit.

1946 emigrierte sie in die USA. In New York war Lucie Adelsberger bis zu ihrem Tod als Ärztin und Wissenschaftlerin in der Krebsforschung tätig. Sie starb im Alter von 76 Jahren am 2. November 1971 an den Folgen einer metastasierten Brustkrebserkrankung.

Ihre publizierten Erinnerungen an Auschwitz sind ein bewegendes Dokument des Holocaust.