Wladyslaw Waghalter

Verlegeort
Brandenburgische Straße 43
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
16. Juni 2022
Geboren
01. Juni 1885 in Warschau
Beruf
Konzertmeister
Tot
20. Oktober 1940

Wladyslaw Waghalter wurde am 1. Juni 1885 in Warschau (damals zum russischen Zarenreich gehörend) in eine kinderreiche und musikalische Familie geboren. Er war das jüngste von sieben Kindern. Der Vater Abram war Trompeter und die Mutter Carola ebenfalls Musikerin. Schon von klein auf waren die Kinder in verschiedenste musikalische Aktivitäten eingebunden.

Wladyslaw Waghalter studierte bei Joseph Joachim in Berlin und wurde in den Jahren 1903 und 1905 mit dem 1. Preis des renommierten Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerbs ausgezeichnet. 1912 wurde er Konzertmeister im Orchester des neu gegründeten Deutschen Opernhauses der Stadt Charlottenburg. Das Eröffnungskonzert dirigierte sein älterer Bruder Ignatz Waghalter

Er trat zudem vielfach als Solist mit diesem und anderen Orchestern in Erscheinung und spielte in dem nach ihm benannten Waghalter-Quartett zusammen mit Alfred Kolb, Emil Kornsand und Hans Kraus.

Wladyslaw Waghalter heiratete Johanna Neumanovics, die am 9. Oktober 1883 im damals zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörenden Lugosch (seit 1920 Lugoj in Rumänien) geboren worden war. Das Ehepaar hatte zwei Töchter:

- Yolanda, die am 22.01.1912 in Berlin geboren wurde, und
- Ruth, die am 24.4.1914 in Berlin das Licht der Welt erblickte.

Nach der von den Nationalsozialisten 1933 erzwungenen Entlassung des Familienvaters Waghalter aus dem Orchester sind regelmäßige kammermusikalische Auftritte im „Jüdischen Kulturbund“ belegt. Nach seiner Kündigung musste Waghalter natürlich seine Familie versorgen. Ein Briefwechsel gibt Zeugnis von seiner Not. Mit der neuen Intendanz der Deutschen Oper und dem Propagandaministerium musste er über die Höhe seiner Ruhegeldbezüge streiten. Anfangs wurde ihm noch erlaubt, an besonderen Abenden für ein ausschließlich jüdisches Publikum zu spielen.

Seit mindestens 1925 bis zu dem von den Nationalsozialisten aufgrund des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 erzwungenen Umzug in ein sogenanntes „Judenhaus“ in der Brandenburgischen Straße 73 wohnte er mit seiner Familie in der Brandenburgischen Straße 43. Die Tochter Ruth heiratete den Elektriker Heinrich Müller (*5. November 1909 in Berlin). Das junge Paar lebte zeitweilig in Untermiete bei Lucie Moses in der Kaiserallee 17. Auch sie wurden zwangsweise umquartiert – in die Nassauische Straße 8.

Wladyslaw Waghalter starb am 20. Oktober 1940 an den Folgen eines Herzinfarkts, nachdem er eine Vorladung zur Gestapo erhalten hatte. Er wurde am 27. Oktober 1940 in Berlin-Weissensee beerdigt.

Johanna Waghalter, die Tochter Ruth und deren Ehemann Heinrich Müller – wie auch Lucie Moses – wurden am 29. Januar 1943 mit dem sog. „27. Osttransport” mit 996 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Auschwitz deportiert. Die Frauen wurden vermutlich sofort ermordet. Für Heinrich Müller ist das Todesdatum 11. Februar 1943 überliefert.

Nur die Tochter Yolanda, die noch lange als Geigerin im Jüdischen Kulturbund aktiv war, hatte am 16. Januar 1940 nach Peru flüchten können. 1953 bekam sie von dem früheren Nachbarn Prof. Herbert F. Müller gerettete Andenken an ihre Familie zurück: die Eheringe ihrer Eltern, eine Bratsche und die Geige, auf der sie als Kind gelernt hat.

Von den sechs Geschwistern Wladyslaw Waghalters überlebten nur seine Brüder Ignatz und Henryk sowie wahrscheinlich eine Schwester. Ignatz, der als Dirigent das Opernhaus eröffnet, zahlreiche weitere Vorstellungen dirigiert und sogar eigene Opern dort aufgeführt hatte, wanderte in die USA aus. Der Cellist Henryk überlebte das Warschauer Ghetto, während der Musikpädagoge Josef dort ums Leben kam. Zwei weitere Schwestern überlebten den Holocaust ebenfalls nicht.