Bruno Friedländer

Verlegeort
Gleimstr. 16
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
05. April 2022
Geboren
04. Oktober 1889 in Berlin
Beruf
Kaufmann
Flucht in den Tod
19. März 1942 in Berlin

Bruno Friedländer war am 4. Oktober 1889 in Berlin-Prenzlauer Berg als jüngstes von fünf Kindern des Kaufmanns Simon Friedländer und dessen Ehefrau Adelheid geb. Gerson zur Welt gekommen.

Der ältere Bruder Arthur (* 1886) starb bereits als Jugendlicher im Jahr 1901. Der Vater Simon Friedländer starb im November 1906 – da war Bruno gerade 17 Jahre alt.

Die Schwester Bianca (* 1885) wohnte bereits seit 1904 in der Auguststraße 23 in Berlin-Mitte.

1907 heiratete die Schwester Ella (* 1883) den Redakteur Dr. Leonhard Birnbaum und verließ die Familienwohnung in der Belforter Straße 25.

Im Jahre 1913 zog die Mutter Adelheid mit den Kindern Bruno und Franziska (* 1884) in die neu erbaute Rastenburgerstraße 22 (heute: Bernhard-Lichtenberg-Straße).

Franziska heiratete 1914 und zog zum Ehemann Paul Goldschmidt in die Marienburger Straße. Von 1920 bis 1943 wohnte das Ehepaar dann in der Greifswalder Straße 50.

Im März 1922 starb die Mutter mit 71 Jahren und der Sohn Bruno wohnte nun allein in der Rastenburgerstraße 22.

Wann er seine spätere Ehefrau Martha kennen lernte ist nicht bekannt, aber dass der Kaufmann Bruno Friedländer die geschiedene Martha geb. Henning im Juni 1925 in Berlin heiratete ist belegt. Marthas Ehe war im Januar 1925 geschieden worden. Die Kinder aus dieser Ehe waren 20, 18 und 16 Jahre alt.

Schon im Juni 1925 heiratete Martha geb. Henning geschiedene Gudat den 6 Jahre jüngeren jüdischen (sie war evangelisch) Kaufmann Bruno Friedländer. Zum Zeitpunkt der Eheschließung wohnten beide in der Rastenburgerstraße 22. Martha war also zu Bruno gezogen. Ob sie ihre Kinder mitnahm oder diese beim Vater blieben, ist nicht bekannt. Denkbar aber ist, dass die Familie deshalb 1928 in eine größere Wohnung in die Gleimstraße 16 zog.

Ab der Ausgabe 1929 des Berliner Adressbuches wird der Haushaltsvorstand Bruno Friedländer als Kaufmann mit Telefon unter dieser Adresse geführt. Spätestens 1935 mit der Einführung der NS-Nürnberger Rassegesetze wurde dem jüdischen Kaufmann Bruno das Betreiben seines selbständigen Gewerbes verboten. Ab der Adressbuchausgabe 1935 bis 1938 erscheint deshalb dann im Adressbuch als Berufsangabe:  Magnetiseur (Heilpraktiker).  Diese Praxis führte aber nicht Bruno, sondern seine Ehefrau Martha – wie aus deren Angaben in ihrem OdF-Antrag von 1945 bekannt ist. Im Mai 1939 wurde auch Martha das weitere Betreiben ihres Gewerbebetriebes verboten.

Im Adressbuch von 1939 werden sie nicht mehr als Hauptmieter genannt.  Vermutlich mussten die Friedländer`s infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der NS-Gesetzgebung ihre Wohnung aufgeben und als Untermieter leben. Sie blieben aber in der Gleimstraße 16.

Am 17.05.1939 wurde im Deutschen Reich eine Volkszählung durchgeführt, in deren Rahmen alle Bürger Auskunft über ihre „rassische Abstammung“ zu geben hatten. Dafür mussten sie auf einem separaten Erfassungsblatt die Frage nach der „jüdischen Rasse“ ihrer vier Großeltern beantworten. Diese Erfassungsblätter dienten der Vorbereitung der von langer Hand geplanten Vernichtung der als jüdisch deklarierten Menschen. Diese „Beamten-Arbeitsunterlagen“ haben die NS-Zeit und den Krieg überlebt und werden noch heute im Bundesarchiv verwahrt.

Aus diesen Unterlagen wissen wir, dass Bruno und Martha Friedländer im Mai 1939 unter dieser Wohnanschrift erfasst wurden. Leider ist nicht vermerkt bei welchem Hauptmieter sie wohnten.

Bei Bruno wurde die Frage nach den Großeltern mit 4 * JA beantwortet während Marthas Antwort 4* Nein lautete. Damit wurde die Ehe von Bruno und Martha entsprechend den Nürnberger-Gesetzen als „Mischehe“ klassifiziert.

Sicher wurde auf Martha nicht unerheblicher Druck ausgeübt, damit sie einer Scheidung zustimmt. Martha hat diesem Druck aber offensichtlich widerstanden. Dies bewahrte ihren Bruno vor der Deportation nicht aber vor dem “Sterntragen“, der Zwangsarbeit sowie den unzähligen alltäglichen Schikanen.

So waren ihrer beider Lebensmittelkarten gekennzeichnet und sie bekamen deutlich geringere Rationen als die „nicht-jüdische“ Bevölkerung. Auch durften jüdische Menschen nicht in den bei Bombenangriffen lebensrettenden Bunkern und Kellern Schutz suchen und nur zu bestimmten Zeiten einkaufen gehen.

Im Oktober 1941 begannen die Nazis mit den planmäßigen Deportationen und der Vernichtung der jüdischen Mitbürger. Diese – vor aller Augen und Ohren durchgeführten - Transporte wurden offiziell mit dem beschönigenden Begriff “ Umsiedlung nach dem Osten“ kaschiert.

Ob es die Gerüchte um diese Deportationen und / oder die alltäglichen Schikanen waren, die Bruno offensichtlich so zermürbt hatten, dass er sich im März 1942 mit Hilfe von Schlaftabletten das Leben nahm, ist nicht zu ermitteln. Im Jüdischen Krankenhaus Wedding wurde am 19.03.1942 sein Tod festgestellt.

Drei Monate nach Brunos Tod wurde seine Schwester Bianca Friedländer im Juni 1942 nach Sobibor deportiert und dort ermordet.

Die Schwester Franziska wurde im März 1943 mit ihrem Ehemann Paul Goldschmidt nach Auschwitz deportiert und ebenfalls ermordet.

Die seit Oktober 1933 verwitwete Schwester Ella Birnbaum hatte 1934 mit ihrem Sohn Heinz nach Südafrika emigrieren können, wo sie 1963 verstarb. Ihr Sohn Heinz verstarb ebenfalls dort 1991 - verheiratet aber kinderlos.

Brunos Witwe, Martha Friedländer, überlebte das NS-Regime, die Kriegs- und die ersten Jahre der Nachkriegszeit. Sie stellte im Dezember 1945 einen Antrag auf Anerkennung als Opfer des Faschismus (OdF).

Am 5. November 1950 starb sie 67-jährig in ihrer Wohnung in der Gleimstraße 16.